Gerhard Eichberger
Da haben wir natürlich auf der ersten Ebene das Publikum. Das beeinflusst mit seiner Bereitschaft, bestimmte Summen an Eintrittsgeldern zu zahlen
Da müssen wir aber strikt zwischen zwei Szenarien unterscheiden. Daher stellt sich dazu die Frage:
WILL das Publikum nicht mehr ausgeben oder KANN es nicht mehr ausgeben?
Diese Unterscheidung ist ganz, ganz wichtig. Denn davon abhängig gelten unterschiedliche Strategien:
Wenn der Grund der ist, daß das Publikum nur wenig Geld zur Verfügung hat, dann macht eine qualitativ gute Veranstaltung mit hohem Eintritt wenig Sinn. Die Leute würden gerne kommen, bleiben aber gewungenenermaßen fern, da sie sich den Eintritt nicht leisten können. Dann hat weder der Veranstalter noch die Band etwas davon, wenn in einem fast leeren Saal gespielt wird.
Wenn es so ist, daß das Publikum zwar mehr ausgeben könnte, aber nicht will, so wäre zunächst mal zu hinterfragen, was die Gründe dafür sind.
Ca. im Jahr 2003 sagte mir ein Tullner Veranstalter, daß der durchschittliche Tullner, wenn er abends fortgeht, so 7 Euro einstecken hat. Er sagte auch: "Die Alten kriegt man nicht vom Fernseher weg, und die Jungen haben kein Geld." Darüberhinaus habe ich festgestellt, daß damals in Tulln und Umgebung eher weniger gute Bands spielten und auch deshalb das Publikum nicht bereit war, höhere Eintritte zu löhnen. (Wenn man mal von ganz wenigen Ausnahmen wie 1-2-3 OBERST oder von der Band DIE DOCTORS absieht.) Man muß zu der Sache sagen, daß das Publikum, das in Tulln damals abends fortgegangen ist, meist recht jung war (also so 14 - 17). Lediglich in der Soobar verkehrten im Allgemeinen Leute ab 40. Die Leute, mit denen ich damals geredet habe, sagten mir, daß sie aufs Taschengeld ihrer Eltern angewiesen sind und daß das recht wenig ist.
und bestimmte Summen für Getränke zu zahlen, den maximal möglichen Ertrag einer Veranstaltung.
Dazu sagte mir mal ein Wirt, daß es ein Blödsinn ist, einen höheren Eintritt zu verlangen. Abgesehen davon, daß das viele Gäste abschreckt, ist es auch so, daß die Steuern und Abgaben vom Eintrittspreis viel höher sind als von den Getränken; daher ist es laut Wirt unsinnig, einen höheren Eintritt zu verlangen, da man das Geschäft nicht mit dem Eintritt, sondern mit dem Getränkeverkauf macht und von den Getränken nur Umsatzsteuer, aber keine AKM und keine Lustbarkeitsabgabe zu bezahlen ist.
Natürlich beeinflusst von so Dingen wie Marktsättigung, generelles Verhältnis der lokalen Eintrittspreise, sozioökonomischer Status etc. und vor allem vom Gefallen des dargebotenen Produktes.
Im Buch "Live is life" von Elke Fleing, das sich an Bands richtet, steht, daß viele Bands zuwenig Eintritt nehmen. Da steht, wenn 100 Gäste 30 DM Eintritt zahlen, ist viel mehr in der Kasse, als wenn 100 Gäste 15 DM Eintritt zahlen. Dazu sagte mir ein Veranstalter aus meiner Gegend: "Es ist eine altbekannte Tatsache: Doppelter Eintritt ---> ein Viertel der Gäste."
Bekannt ist (zumindest in meiner Gegend) auch, daß das Publikum primär nach dem Eintritt entscheidet, wo es hingeht. Nur wenn der Eintritt zweier am selben Tag stattfindenden Veranstaltungen gleich ist, dann entscheidet die Qualität der Band bzw. Darbietung bzw. gehen die Leute dann lieber zu einer Band, die sie schon kennen.
Ein weiterer Punkt hier ist auch die Gruppenzusammengehörigkeit: Hier gehen die meisten Menschen in Gruppen fort (ich bin da eine Ausnahme). Wenn ich da einigen Bekannten den Vorschlag gemacht habe, auf ein Konzert zu gehen, sagten diese, daß sie noch nicht wissen, ob sie mitgehen können, weil das davon abhängt, wo die ganze Plattern (= Clique) hingeht. (Sie sind dann nie mit mir mitgegangen, weil ihre Freunde woanders hingehen wollten.) Wie sehr ist ein solches Verhalten eigentlich in Deutschland zu bemerken?
Auf einer weiteren Ebene hast du den Veranstalter, der über seinen angepeilten Gewinn, die Ausgaben und den maximal möglichen Eintrittspreisen für die jeweilige Veranstaltung die maximalen Gagen ermittelt und ausschüttet. Je nach Marktdichte werden die maximalen Eintrittsgelder natürlich geringer, weil man ja unter lokalem Konkurrenzdruck durch andere Veranstaltungen steht. Genauso sieht das ganze in ärmeren Gegenden aus.
Die meisten Veranstalter hier sind aber nicht altruisisch, sondern Geschäftsleute, die was verdienen wollen. Sie schütten also keineswegs maximalmögliche Gagen aus, sondern möglichst überhaupt keine, und zwar unabhängig davon, wieviel Gewinn sie machen. (Eine Ausnahme hiezu ist die Kunstwerkstatt in Tulln.)
Und du hast die Bands/Musiker, die auf Amateurbasis oft genug sagen "hauptsache Spielen" und professionelle Bands/Musiker, die sich darüber mokieren, dass dadurch Preisdumping stattfindet.
Das Preisdumping findet meiner Ansicht nach nicht durch jene Musiker statt, die sich billig oder zum Nulltarif anbieten bzw. sogar noch was zahlen dafür, daß sie spielen dürfen, sondern durch jene Veranstalter, die nicht bereit sind, den Bands etwas zu bezahlen. Ich war letzten Samstag Gast in einem Lokal, wo eine Band spielte, wo das genauso ablief: Der Eintritt war frei, die Band mußte Ton und Licht selber stellen (das Lokal hat nix) und bekam keine Gage, sondern durfte nur einen Hut herumgehen lassen. Der Wirt findet offenbar genug Bands, die zu diesen Konditionen spielen.
Doch wo will man nun anfangen, Schrauben zu drehen, um das Profimusiker-Gewerk zu retten? Dem Publikum sagen, dass es jetzt grundsätzlich mindestens x€ für ein Konzert bezahlen müsse, damit ausreichend Geld rum kommt? Kannst man probieren, das Ergebnis kann ich dir so voraussagen, ganz ohne Kristalkugel.
Man müßte dem Publikum diese ganze Problematik mal klarmachen. Aber wie erreicht man es? Vielleicht durch eine kurze Ansprache bei einem Konzert? (Mal eine Idee von mir.)
Der Veranstalter ist, wie schon mal gesagt, keine karitative Einrichtung. Auf seinen möglichen Gewinn wird er keineswegs verzichten wollen, er wird stattdessen Versuchen, die Gagen minimal zu halten, egal wie hoch er die Gagen treiben kann. Stellt man nun also o.g. Schraube und die Leute würden das tatsächlich akzeptieren, spränge in erster Linie mehr Geld für den Veranstalter heraus, da die Gagen weiterhin niedrig blieben.
Genauso ist es.
Außer man hat einen wirklich fairen Veranstalter, der selber Musiker ist. Aber wie oft kommt denn das vor?
Nun wäre es also an den Bands/Künstlern dafür zu sorgen, dass die Gagen im generellen ansteigen. Geld wäre jetzt ja da. Es wird jedoch immer ausreichend Kandidaten, die nicht durch Qualität bestechen können und daher preislich deutlich unter dem durchschnittlichen Niveau liegen MÜSSEN, um gebucht zu werden. Diesen Bands aber quasi per Dekret ein Auftrittsverbot zu erteilen, weil sie den Berufsmusikern das Wasser abgraben, wie ich hier gewissen Tendenzen deute, ist ja mehr als unrealistisch. Glücklicherweise darf sich hier noch jeder so ausleben, wie es ihm gefällt.
Und das ist auch gut so.
Stellt sich mir die Frage:
Sollte in ein- und derselben Location sowohl gute als auch weniger gute Bands spielen? Oder sollte es eher so gemacht werden, daß es Lokale mit billigem Eintritt gibt, wo die weniger guten Bands spielen und solche Lokale mit höherem Eintritt mit besseren Bands?
Ergo frage ich, wie diese Diskussion zielführend sein soll, denn: Wo soll man Änderungen ansetzen?
Die Musikergilde (ein österreichischer Verein) setzt sich dafür ein, daß ein Kollektivvertrag für Musiker gesetzlich verpflichtend wird. Ich glaube, daß das nicht funktionieren wird - darauf werden die Veranstalter sicher nicht einsteigen und im Falle, wenn so ein Kollektivvertrag mit Mindestgagen Pflicht wird, ganz einfach mit der Musik aufhören, was das Ende der meisten Livekonzerte bedeuten würde.
Gerhard