Lokrischer Modus in Songs

Bei Vergleichen hat halt jeder etwas anderes im Kopf. :)
Die Autoren der Akkordskalentheorie haben m.E. nicht Hugo Riemanns Absichten im Sinn, wenn sie einige Elemente der Funktionstheorie als Beschreibung übernehmen (z.B. Tonika, Subdominante, Dominante, Medianten...). Worum es der Funktionstheorie analytisch geht, ist bei Betrachtungen der Akkordskalentheorie auch kaum von Interesse.
Deshalb würde ich nicht sagen, dass die Autoren alle die gleiche Sprache sprechen.

Die Akkordskalentheorie ist ein eklektizistischer Ansatz, um- wie schon gesagt - amerikanische Popularmusik vor allem von Tin Pan Alley bis Modern Jazz musiktheoretisch beschreiben zu können. An universelle Werkzeuge zur musikalischen Analyse wurde nicht gedacht, daher schon das Schleudern im Umgang mit Modalität.
Allein Jungbluth (1981) hat bisher eine theoretische Erweiterung zur Modalität formuliert, die auch Sikora (2003) zitiert. In Kurzform: Jungbluth spricht von Klangebenen, funktionsharmonische Zusammenhänge liegen nicht vor. Statt dessen kann man die Strukturen darauf untersuchen, ob Beziehungen wie unimodal - unitonal, unimodal - polytonal, polymodal - unitonal und polymodal - polytonal vorhanden sind.

Schaut man in amerikanische Literatur aus dem Akkordskalen-Bereich, wie z.B. Mulholland & Hojnacki (2013), dann fehlt dieser Ansatz, es bleibt beim "Grundtonbezug" und der Benennung des Major Mode (Major für dt. Dur). Praktisch, aus Beipielen bekannt und dank reiner Quinte funktionabel sind dorisch, phrygisch, lydisch und mixolydisch. Äolisch und ionisch sind als Tonmaterial extrem vieler funktionsharmonischer Stücken trivial. Gut denkbar wären für mich Skalen anderer Musikkulturen.

Wenn man lokrisch spielt, fällt einem bei einer Harmonisation die Tonika auf die Füße, weil der lokrische Grundton wegen der verminderten Quinte den unstabilsten Akkord bildet. Für "unsere" Ohren geht es da ans Eingemachte, bleibt Bordun und ggf. Pendel - samt dem Tritonusproblem bei Wahl der verminderten Quinte.

Die oben erwähnte Akkordfolge A D E legt Funktionsharmonik nahe, aber die genannten Akkorde symbolisieren nicht die Stufenakkorde.
A lokrisch: A Bb C D Eb F G A
Stufenakkorde: A C Eb, Bb D F, C Eb G, D F A, Eb G Bb, F Ab C, G Bb D, A C Eb

Gruß Claus
 
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... die oben genannten Autoren/Musiker sprechen über Harmonielehre ALLE die gleiche Sprache, ...

Genau darin liegt unser Problem (was aber eigentlich nur dein Problem ist): Du führst nur Autoren an, die allesamt die gleiche Theorierichtung vertreten, wodurch du dich in einer hermetisch geschlossenen Dauerschleife bewegst.
Es macht eben keinen Sinn, sich mit jemandem über Evolutionstheorien unterhalten zu wollen, der noch nie etwas von Darwin gehört hat. Wenn derjenige zudem nur Literatur aus der Kreationismus-Ecke kennt, bekommt man letztlich auch mit sachlichen Argumenten keinen Fuß mehr in die Tür.

... auf mathematischer Basis ...

Ich weiss ja nicht, was du für Vorstellungen von Musikautoren hast, die "auf mathematischer Basis" argumentieren - ich denke da eher an Pythagoras, die PC-sets von Forte, die Stochastik von Xenakis, Guerino Mazzola (Geometrie der Töne) und viele andere - da sind ausgerechnet die von dir genannten Autoren ein ganz und gar unpassendes Beispiel.

Wenn deine Autoren in ihren Statements "mathematische Präzision" walten ließen, hätten wir wenigstens eine neutrale Verständigungsebene.
Aber genau das ist eben nicht der Fall. Wenn du dir (um einigermaßen auf der von dir präferierten Autorenschiene zu bleiben) z.B. mal die Chordmode-Theorie von George Russel (das berühmt-berüchtigte LCCTO "Lydian Chromatic Concept of Tonal Organization") zu Gemüte führst, dann wirst du schnell merken, dass sein ganzes Modell nicht einmal im Ansatz wissenschaftlich zu begründen wäre. Trotzdem verfügt seine Theorie (auf die sich die Chordscale-Fraktion ja so gerne beruft) über eine gewisse innere Logik, auch wenn diese natürlich keine "mathematische Logik" ist.
Dass Russel als Kernthese die "sich gegenseitig durchdringende und bedingende Einheit von Akkord und Skala" propagiert, ist reine Metaphysik und damit nur philosophisch-metaphorisch zu verstehen. Ob es um "Akkord und Skala" oder um "Akkord in der Skala" geht, sind doch Fragen, die man sonst nur aus den fast tausendjährigen Diskussionen unterschiedlicher Kirchenströmungen um die Definition der Heiligen Dreifaltigkeit kennt - also letztlich eine Glaubensfrage, sprich "Religion". Und damit ein Therma, das wir hier besser zurückstellen sollten.

... mal ein improvisiertes Soundsample B Lokrisch ...

Schön gemacht - auch wenn du mit nur einem einzigen, statischen Background-Klang natürlich immer auf der sicheren Seite bist.
Allerdings betrachte ich deine bisherigen musikalischen Beiträge ohnehin als positive Beispiele für die Binsenweisheit, dass man auch ohne, oder sogar trotz Haunschild & Co. vernünftig klingende Musik abliefern kann. Verlasse dich also weiterhin lieber auf deine gut funktionierende musikalische Intuition, denn was du ablieferst, hat ausreichend Hand und Fuß - das musst du ja nicht unbedingt auch noch theoretisch zu erklären versuchen. Insbesonders nicht durch Theoriemodelle, die nun so rein gar nichts mit dem zu tun haben, was du in der Praxis tatsächlich machst.
 
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Ich gebe zu, dass es mir wirklich schwer faellt, meine Gedanken, in geschriebene Worte zu fassen. Bin sicher, wenn wir in einem Musikraum zusammen waeren, würde es mir deutlich leichter fallen ueber die verschiedenen Ansichten zu sprechen :)

Ansonsten Danke für den interessanten Austausch :)
 
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Autsch.
Ich versuche mal mit meinen bescheidenen Ansätzen dennoch eine Art Ball im Spiel zu halten..
schliesslich kann man ja nur dazu gewinnen, hoff ich doch.

Zunächst, als weder Studierter und noch nicht mal Notist möchte ich dennoch kurz für Haunschild in die Bresche springen,
obwohl mir da ausser den Grundbezügen auch noch vieles verschlossen blieb, aus vielerlei Gründen.
Manches war mir dann auch zu einseitig oder dogmatisch. Nicht das ich das als Experte beurteilen hätte können sondern,
eher vom Gefühl. Eine gewisse II-V-I Lastigkeit, generell die Jazzprogressionen auch die Weiterführung im Fokus
auf Skalenmodelle..

Dennoch fand ich den für mich auch hilfreich um sich gewisse Grundstrukturen als musiktheorethischer Laie zu erschliessen.
Ich konnte da schon einiges über Diatonik oder das ionische, etc. System herausziehen, Akkordbildung eben halt auf
einem Niveau als Nicht-akademiker diesbezüglich, daher war es eine gute Handreichung für eine Basis, auch die Struktur
im ersten Band fand ich brauchbar.

Klar, Oli hat sich da etwas eingeschossen. Einen m7/b5 als Basisakkord und drüber halt die lokrische Skala abzubilden
zeigt für mich auch nicht befriedigende Antworten was denn nun mit dieser 7.Stufe weiter anzufangen sei.

Meine These ohne weiter da geforscht zu haben folgende:
Der halbverminderte Akkord m7/b5 ist nat.spannungsreich und hat trotz Ermangelung einer gr. Terz eher einen Dominantcharakter.

Nimmt man z.B. eine wenig wehtuende Erweiterung wie die durch lokrisch angebotene Sexte hinzu, dann ist die
enharmonische Verwechslung mit einem G7/9 (C-Dur angenommen) vollzogen.

Beide haben wenig Ruhecharakter und streben/lösen in - nehmen wir mal die Tonika - auf.
In C-Dur wäre das Hm7/b5 > Cj7 oder sehr ähnlich bis gleich G7(9) > Cj7.
Soweit so gut.

Im Gegensatz zu den anderen Stufenakkorden bleiben aber der 7.Stufe manche Optionen verweigert.
Alle anderen Stufenakkorde können eine reine Quarte und Quint aufweisen (ausser 4. Stufe lydisch, da zumindest die Quint).
Dazu kommt noch, dass die Dur-Akkorde C F und G Mollparallelen aufweisen können, nämlich Am, Dm und Em.
Letztlich lassen sich dadurch Akkordkonstrukte in diversen Verwandschaften erreichen.

Nur der Hm7/b5 auf 7 bleibt aussen vor. Keine reine Quarte, keine reine Quint, also fallen weitere Akkorde basierend auf diesen
vertrauten Intervallen schonmal aus. Auch kann er keine wirkliche Alternative wie eine Mollparallele aufweisen, wie oben
erwähnt kann er eher als eine Art Umkehrung der 5 Stufe gehört werden und gerät dadurch ins obsolete.
Dazu noch fehlt jede Art Ruhecharakter.

So wäre meine Vermutung zu der schwierigen Rolle des lokrischen m7/b5 "Dingens" auf der 7.Stufe in Dur.
Gern lerne ich natürlich nochwas dazu, insofern ich zum Verstehen imstande bin..
 
ps..da ja Klangbeispiele mal angefragt wurden, hier zumindest etwas mit zumindest lokrischer Anmutung, zeitweise..

 
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So wäre meine Vermutung zu der schwierigen Rolle des lokrischen m7/b5 "Dingens" auf der 7.Stufe in Dur.

Respekt: Gar nicht mal so schlecht, Herr Specht!

... als weder Studierter und noch nicht mal Notist möchte ich dennoch kurz für Haunschild in die Bresche springen ...

Ist dein gutes Recht, weil du ja genau seine Zielgruppe darstellst.
Womit sich für mich natürlich auch die Frage stellt, ob ich Haunschild überhaupt kritisieren darf, weil ich nicht zu seiner Zielgruppe gehöre. Schwierige Frage - daher möchte ich hier nur einige Aspekte kurz anschneiden, um kein neues Fass aufzumachen:

Haunschild hat ja im Prinzip eine freie Übersetzung der von Levine & Co und der Berklee School propagierten CS-Theorie für den deutschen Markt angefertigt, allerdings im Gegensatz zu seinen Vorbildern ohne notierte Musikbeispiele. Das ist bereits problematisch, weil dadurch alles sehr text- und tabellenlastig wird, was ich als ermüdend, wenig anschaulich und letztlich arg dröge empfinde.

Mein eigentliches Problem mit seiner "Neuen Harmonielehre" (bei der sich mir bis heute nicht erschlossen hat, was an diesem abgestandenen Wein in morschen Schläuchen "neu" ist) liegt allerdings weniger an der von ihm als "Theoretiker" vertretenen Position (da interessiert er mich ohnehin nicht, weil ich die relevante Originalliteratur weitgehend kenne, und er im Vergleich dazu nur ein unedeutender Epigone ist), sondern ist eher grundsätzlicher Natur:
Angesichts seiner Zielgruppe, bei der er als Autor davon ausgehen muss, dass sie seine Aussagen kaum kritisch hinterfragen kann, geht er mit vielen musikalischen Sachverhalten einfach zu schludrig um. So haut er z.B. immer wieder ungenügend recherchierte, teilweise schlichtweg zusammengesponnene und daher unhaltbare Behauptungen raus. Ein gelegentlicher Blick in die Fachliteratur ist jedem Autor zumutbar und wäre in seinem Fall von Vorteil gewesen!

Oftmals sind das nur Kleinigkeiten, durch die er demonstriert, dass er offensichtlich ein - wenngleich überschaubares - musikalisches Spezialwissen hat, aber dass er hinsichtlich seines musikalischen Allgemeinwissens Defite aufweist, die ihn als ernstzunehmenden Autor letztlich diskreditieren. Denn auch bei scheinbar nebensächlichem Kleinkram macht es letztlich die Summe.
So habe ich z.B. das längst widerlegte, von ihm aber fröhlich plappernd weiterhin propagierte Ammenmärchen vom angeblichen "Rechtschreibfehler" bei der Entstehung des Tonbuchstabens H (vs. B) kurz nach Erscheinen seines Buch bereits ungeprüft auf Wikipedia bzw. in irgendwelchen Wikibooks wiedergefunden (was inzwischen zwar korrigiert wurde, aber nur durch eine Erklärung, die ebenso falsch ist) - was ein Beleg dafür ist, dass man als Autor eine Verpflichtung zur sauberen Recherche hat, um eben keine Fehlinformationen in Umlauf zu bringen.

Dass man den Ball eigentlich auch an den AMA-Verlag weitergeben müsste, will ich jetzt nicht weiter ausführen. Früher gab es dafür kompetente Lektoren, die einen Autor auch schon mal zurückpfiffen, wenn er zuviel Quatsch verzapfte. Heute wird das Lektorat offensichtlich nur noch von studentischen Hilfskräften durchgeführt - falls überhaupt.

Aber was soll's: Aus dem, was dir Haunschild bieten kann, hast du für dich ja etwas herausziehen können - also alles im grünen Bereich!
 
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Ich weiß nicht, ob man das darf ... aber ich bin zuversichtlich, man SOLLTE es dürfen, gerade in diesem speziellen Zusammenhang hier:

Das hier ist das, was SIKORA in seinem Buch als Klangbeispiel für rein lokrisch anführt:


Thomas
 
Gute Idee, damit er nicht direkt mit dem Grundton im gehörschwierigen VII lokrisch starten muss, nimmt er schön die VI. Stufe mit rein mit dem B auf C#.

Muss ich auch mal experimentieren ;)
 
Ein Ansatz wie Bm/C# in Bezug auf C# Lokrisch ist doch legitim (wenn man der kleinen None gegenüber entspannt ist).
Genau auf solche Lösungen kommt man über die von mir oben zitierte GMC.
(Der Akkord erscheint in der Zerlegung 7 in meiner obigen Tabelle.)
Damit wird Lokrisch plötzlich genießbar und man kommt von der Fixierung auf den m7b5 weg.
Es gibt eben viele andere mögliche Klänge und es kann sein, dass diese ein besseres Grundtongefühl erzeugen als der m7b5 oder zumindest ein brauchbares lokrisches Akkordpendel ergeben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Argument war, dass es die genannten Akkordskala "in dieser Form, Bezeichnung und Ableitung in der Praxis und Theoriebildung" in den damit existierenden Musikkulturen überhaupt nicht gibt. [...]
Vielen Dank noch für Deine ausführliche und wieder sehr interessante Antwort!

Das ist genau der Punkt - zu dem noch hinzukommt, dass bereits nur das melodische Material mit einem Skalenmodus der CS-Theorie strukturell (z.B. durch Cursus, Ambitus, Klauseln) und funktional (durch Finalis, Repercussa, usw.) nicht mehr adäquat zu beschreiben ist, wodurch unter dem Strich an vermuteten Gemeinsamkeiten nur einige äußerliche Ähnlichkeiten in den Tonabständen übrigbleiben - was natürlich - nicht nur angesichts teilweise sogar unterschiedlicher Stimmungssysteme - sehr, sehr wenig ist.
Das habe ich so schon befürchtet, in den Musikkulturen kommen eben nicht isolierte Skalen zum Einsatz, sondern es werden "lebendige" Tonsysteme gebildet, deren Tonmaterial nicht durch eine einzelne Skala darstellbar ist und dessen Einsatz in Melodie und Harmonik nicht beliebig ist, sondern eben für die jeweilige Kultur spezifischen Konventionen unterliegt.
So wie "Moll" in der Dur-/Moll-Tonalität eben nicht auf eine einzelne Skala reduzierbar ist und z.B. im Einsatz der Alternativtöne (wie kleine vs. große Septime) und der Harmonisierung gewissen Regeln folgt.
Deiner Argumentation entnehme ich, dass es mit dem phrygischen in den genannten Kulturkreisen ganz genauso ist, insbesondere im Spanischen, so dass es dort keinen Sinn ergibt, die 'reine' phrygische Tonleiter von der 'spanisch phrygischen' Tonleiter mit Durterz zu trennen. Genauso auch beim Maqam Hijaz.
Für das Indische war mir die Unbrauchbarkeit der Skalen-Listung eh schon klar - die 72 Melakarta Ragas bilden zwar grundsätzlich ein abgeschlossenes System aus 72 systematisch hergeleiteten Tonleitern, d.h. die indischen Meister sind damals bei der Erfassung des Tonmaterials kombinatorisch vorgegangen und haben alle theoretisch in ihrem System möglichen Kombinationen auch in das System mit aufgenommen, die Nutzung des Tonmaterials ist aber kulturell so starken Regeln unterworfen, dass man sie durch bloße Nennung der jeweiligen Skala sicherlich nicht angemessen erfassen kann.

Dass man als Vertreter z.B. der Akkordskalen-Theorie nachweisbare oder auch nur vermutete Analogien mit dem Begriffsrepertoire der eigenen Theorie versehen kann, sei jedem freigestellt, solange dabei nicht der irrtümliche Eindruck entsteht, Denkmodelle und Nomenklatur der eigenen theoretischen Position und ihrer Kultur seien mit dem musikalischen Denken und der Begriffsbildung der beschriebenen fremden Kultur identisch. Das ist neokolonialistische Ignoranz, denn der Beschreibende hat nicht die begriffliche Oberhoheit über die zu Beschreibenden.
Ich gebe Dir absolut recht, wenn man diesen Begriffsapparat auf die Musik der jeweiligen Kulturen anwendet bzw. ihr "überstülpt" und sie damit zu erklären versucht.
Aber darum geht es in den meisten Fällen ja gar nicht.
Es gibt einfach heute in Jazz und Pop sehr viele gebräuchliche Skalen und p.c. sets oder Skalenpatterns eignen sich nicht so gut, um jemand eben mal rüberzurufen, welche Skala zu verwenden ist.
Da ist es praktisch, wenn man einen Namen für die Skala hat. Und genau an der Stelle müssen dann eben die in anderen Kulturen schon gebräuchlichen Bezeichnungen herhalten, weil deren Verwendung immer noch verständlicher ist als ein ad hoc erfundener Name. Die Musik des jeweiligen Kulturkreises wird hier also in keiner Weise berührt, man "leiht" sich nur um der Kommunizierbarkeit willen einen schon vorhandenen Namen, weil die Dinge eben Namen brauchen, damit man bequem über sie sprechen kann.

Der modo de MI ist zudem keine auf den "5. Modus von Harmonisch Moll" zurückführbare "Tonleiterspezies", also kein durch Ableitung von einer "mother scale" generiertes Skalenmodell, sondern ein autarkes Tonsystem - zu dessen Merkmalen grundsätzlich die große Terz der phrygischen Tonika gehört, ohne dass sich daraus eine Veränderung der phrygischen Tonleiterstruktur (HT-GT-GT | GT | HT-GT-GT) ergeben würde.
Hier hast Du in dem Sinne natürlich recht, dass es sich um ein eigenes Tonsystem handelt, siehe oben.
Mich stört aber die Sichtweise, die in diesen Zeilen hier rauskommt: "auf den 5. Modus von Harmonisch Moll zurückführbare Tonleiterspezies, also kein durch Ableitung von einer mother scale generiertes Skalenmodell".
Dass eine Skala ein Modus einer anderen Skala ist, ist eine rein formale, wechselseitige Beziehung. Aeolisch ist der 6. Modus von Ionisch und Ionisch der 3. Modus von Aeolisch.
Da es keine beschränkt transponierbaren siebentönigen Skalen gibt, hat jede siebentönige Skala genau sechs von ihr verschiebene Modi und ist ihrerseits natürlich auch selbst ein Modus dieser sechs Skalen.
Die Tatsache, dass eine Skala als Modus einer anderen Skala auftritt, bedeutet in keiner Weise, dass sie dadurch eine höher zu gewichtende "mother scale" darstellt.
Wegen der Symmetrie der Modus-Beziehung wäre diese Sichtweise absurd, denn die angebliche Mother Scale ist ja auch als Modus der Kindskala darstellbar.
Also, die bloße Tatsache, als Modus einer anderen Skala darstellbar zu sein, bedeutet nicht, dass man die eine Skala auf die andere "zurückführen" würde (die Skalen sind wechselseitig "ableitbar", aber keine ist aus der anderen "abgeleitet" und daher irgendwie untergeordnet).
Ich hatte auch in meinem vorigen Beitrag bewußt vorsichtig formuliert und die Beschreibung "als 5. Modus von Harmonisch Moll auftretende Tonleiter" war rein extensional gemeint, d.h. sie sollte nur das Tonmaterial klären, damit ich hier nicht ein p.c. set oder Skalenmuster hinschreiben muss.
 
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... damit er nicht direkt mit dem Grundton im gehörschwierigen VII lokrisch starten muss, nimmt er schön die VI. Stufe mit rein mit dem B auf C#.

Jetzt wird es aber arg wirr: Wo wird da noch irgendeine Stufe "mit hineingenommen"?
Das Bassmotiv besteht in der Grundstruktur allein aus den Tönen des C#dim 7 (cis-e-g-h), also dem Basisklang von Cis-Lokrisch. Grundton Cis und Septime H sind akkordeigene Töne, auch wenn sie als melodische Wechselnoten-Figur (Cis-H-Cis) gespielt werden. Wir haben es hier lediglich mit einer motivisch gestaltete Akkordzerlegung zu tun - daran ändern auch die überleitenden, auftaktigen Töne Fis-E (jeweils kurz vor Neueinsatz des Motivs) nichts. Und Klänge wie Bm7/C# darf man in Cis-Lokrisch sogar als "relativ normal" erwarten - siehe unten!

Ein Ansatz wie Bm/C# in Bezug auf C# Lokrisch ist doch legitim (wenn man der kleinen None gegenüber entspannt ist).
Genau auf solche Lösungen kommt man über die von mir oben zitierte GMC.

Kurze Seitenbewegungen im Akkord als chord embellishments bewirken doch noch keinen Stufen- oder gar Funktionswechsel. Und auf solche Lösungen kommt man ganz ohne "GMC" und sonstiges Gedöns, da reicht die ganz normale locrian scale:
Hauptklang in Lokrisch C#: cis-e-g-h, aufwärts verschoben (oberer Wechselklang): d-fis-a-cis (D maj7), dto. abwärts (unterer Wechselklang): h-d-fis-a (Bm 7).
Wenn man die Wechselklänge (meist nimmt man ohnehin nur 2-3 Töne davon) auf leichte Zählzeiten setzt, bzw. durchgehend oder vorhaltig verwendet, bleibt der Hauptklang doch nach wie vor funktional bestimmend. Und nichts anderes höre ich in dem Beispiel - aber vielleicht habe ich es ja an den Ohren ...

... die indischen Meister sind damals bei der Erfassung des Tonmaterials kombinatorisch vorgegangen ...
Aber auch nur in Südindien. Das Nordindische System besteht aus usuell enstandenen Ragas und Talas, d.h. es wurde ohne echte Systematik nur tradiert, was im Lauf der Zeit breitere Zustimmung fand.
 
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Kurze Seitenbewegungen im Akkord als chord embellishments bewirken doch noch keinen Stufen- oder gar Funktionswechsel. Und auf solche Lösungen kommt man ganz ohne "GMC" und sonstiges Gedöns, da reicht die ganz normale locrian scale:
Hauptklang in Lokrisch C#: cis-e-g-h, aufwärts verschoben (oberer Wechselklang): d-fis-a-cis (D maj7), dto. abwärts (unterer Wechselklang): h-d-fis-a (Bm 7).
Wenn man die Wechselklänge (meist nimmt man ohnehin nur 2-3 Töne davon) auf leichte Zählzeiten setzt, bzw. durchgehend oder vorhaltig verwendet, bleibt der Hauptklang doch nach wie vor funktional bestimmend. Und nichts anderes höre ich in dem Beispiel - aber vielleicht habe ich es ja an den Ohren ...
Das ist doch der GMC-Gedanke in Reinform: Man präsentiert 2 Klänge über dem gegebenen Grundton, die zusammmen die Skala eindeutig definieren, d.h. ihren Tonvorrat abdecken.
So wird ein (modaler) Kontext geschaffen, der sich z.B. für die Improvisation eignet (hier eben in Lokrisch).
Bei Kombination des Grundakkords mit einem Wechselklang ist dieses Ziel gerade erreicht.
Insofern kann man die GMC als Verallgemeinerung der Chord Embellishments betrachten, die außer den Wechselklängen eben noch diverse andere Varianten anbietet.
Und im Beispiel ist der Wechselklang über dem C# eben für meine Ohren "genießbarer" als der eigentliche C#m7b5. Auch hat man nicht mehr so stark das Gefühl, auf dem m7b5 "festzustecken".
 
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Moin, sorry, hatte die letzte Zeit echt zu tun.

Also, "mein Lokrisch", bzw. die lokrische Tonleiter über die A, D, E Akkorde, hört sich echt gefügig an. Will sagen, ich habe mich sehr bemüht, die Sache lokrisch wirken zu lassen, will aber nicht, irgendwie hat die Tonleiter (das Solo) einen prägnanten Dur-Charakter.
Hört mal rein, kann mich erst wieder nächste Woche melden.

 
Nein, leider nicht lokrisch...

Hinweis: A,D,E deine Begleitakkorde geben tonal vor und dominieren dadurch das harmonische Konzept und zwar unvermeidlich und zwingend.
Das zeichnet vermutlich die Malaise der Verwechslungen auf. Du kannst da deine Melodie drüber gespielt nicht diesem Kontext entziehen.

Es ist und bleibt eine I-IV-V usw. einfache Akkordverbindung. und was du drüber spielst ist A-Dur Material.
Kannst es A-ionisch nennen oder D-lydisch usw. ( oder G# lokrisch) oder der einfachheit halber A-Dur Tonleiter aber die Akkordprogression gibt das tonale Zentrum vor.

Genauer, spiele einen G#m7b5 als tonales Zentrum und dazu dann das material von A-Dur usw. dann reden wir von lokrisch.
 
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@ThisErik
Wollte ich auch gerade sagen.

@Person
(Ergänzend)
Du solltest wenigstens noch den G#m7b5 einbauen.
Beispielsweise über diesen Akkord das Outro-Solo ein paar Tackte lokrisch spielen, und dann über C#7 nach F#m (Mollparallele von A-Dur) auflösen.
Das ist kein reines loktisch, sondern ein Ausbremsen des Stückes auf den verminderten Akkord, über den man lokrisch spielt, aber letztlich nach F#m (harmonisch oder melodisch) auflöst.

Das ist nicht ganz, wonach gefragt wurde (ein reines lokrisches Stück), aber zumindest eine recht gänige Nutzung der lokrischen Skala, wie es die Vorredner schon mehrfach erklärten.

Mit den Akkorden D A E kannst du nur reines Dur oder Blues in Dur (Akkordfolgen beispielsweise)
A D E A
oder mixolydisch
E D A E
oder unter Zuhilfenahme von C#m oder F#m lydisch
D E D C# D
D A E F#m
(Obwohl man bei letzterem sehr aufpassen muss, nicht nach Dur abzurutschen. )

Aber lokrisch ist nicht möglichen, da du nur mit den Skalen arbeiten kannst, die zu der vorherschenden Akkordstufe gehören. Und ohne G#dim oder G#m7b5 kein lokrisch.
 
Hinweis: A,D,E deine Begleitakkorde geben tonal vor und dominieren dadurch das harmonische Konzept und zwar unvermeidlich und zwingend.
Ja, das sieht wohl danach aus, es ist beinahe unmöglich den lokrischen Charakter über diese drei Akkorde zu bringen, es rutscht immer in das A-Dur (ionisch),
oder G# lokrisch)
was es eben auch ist, rein Tonleitertechnisch.
Du solltest wenigstens noch den G#m7b5 einbauen.
Ja, allerdings war ja meine Idee, Lokrisch über diese drei Dur-Akkorde zu spielen. Schon interessant, dass andere Akkordprogressionen, Tonleitern ganz anders wirken lassen können.
 
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Wurde ja bereits alles erklärt, du kannst ja nicht erwarten, dass du 3 Dur Akkorde spielst und dann was lokrisches dabei herauskommt :)

In Post #120 hört man ganz gut wie lokrisch klingt.
 
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Wurde ja bereits alles erklärt, du kannst ja nicht erwarten, dass du 3 Dur Akkorde spielst und dann was lokrisches dabei herauskommt :)
Jep, irgendwie war ich diesen Soundschnipsel noch schuldig:sneaky:
 
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Ja, allerdings war ja meine Idee, Lokrisch über diese drei Dur-Akkorde zu spielen. Schon interessant, dass andere Akkordprogressionen, Tonlenitern ganz anders wirken lassen können.

Dass Tonleitern je nach harmonischem Zusammenhang "ganz anders wirken" liegt auch daran, dass du (wie viele andere auch) nicht zwischen "locrian" als scale mode (d.h. als rein technischer Ausschnitt ab der 7. Tonleiterstufe aus der zugrunde liegenden Durtonleiter) und "locrian" als chord mode (bzw. chordscale mode) unterscheidest. Daher auch die Kommunikationsschwierigkeiten.
Was du machst, ist das, was du als "lokrischen Griffbrettausschnitt" gelernt hast, über eine A-Dur-Kadenz skalenartig so herunterzunudeln, dass es "irgendwie passt". Damit tappst du aber in eine Denkfalle, weil du mit jedem beliebigen Tonleiterausschnitt immer im Bereich der Tonart bleibst, zu der der Auschnitt gehört.

Als chord mode wird locrian hingegen allein durch das vertikale Akkordmaterial der VII. Akkordstufe in Dur definiert: 1-3m-5b-7-[9*]-11-13b, darstellbar als horizontale Projektion, d.h. als Skala im Oktavraum (1-[9/2*]-3m-11/4-5b-13/6b-7) [*avoid note].
Ursprünglich wurde dieses Material ebenso einfach, wie unmissverständlich und korrekt als VII. chordmode (im Dur-System) bezeichnet (G. Russel: Lydian Chromatic Concept, 1953, 4. Aufl. 2004), der somit den Voraussetzungen und Manipulationsmöglichkeiten der Akkordskalen-Theorie (die aus der ursprünglichen chord mode theory hervorgegangen ist) unterliegt, und bei der eine Interpretation als reiner "Tonleiterausschnitt" sinnwidrig ist.

Die Verwendung der kirchenmodalen Bezeichnungen (ionisch, dorisch usw.) für Tonleiterstufen war und ist (v.a. im nordamerikanischen Raum) rein mnemotechnisch gedacht, und allein auf die HT-Positionen der weissen Klaviertasten bezogen. Mit den "echten Kirchentönen" und Modalität haben diese Eselsbrücken-Bezeichnungen absolut nichts zu tun. Daher führt die später von einigen "Akkordskalen-Theoretikern" vorgenommene, unreflektierte Übertragung dieser "Tastenraum-Benennungen" auf das völlig anders konzipierte System der Akkordskalen-Modi nachweislich zu Begriffsverwirrungen und Missverständnissen - wie es dieser Thread zur Genüge bewiesen hat.

Merke: MODE ist identisch mit CHORD, während CHORD (vertikal) und CHORD SCALE (horizontal) das unterschiedliche Darstellungs- und Realisationspotential des gleichen Sachverhalts sind. Daraus folgt: Wer "mode" nur mit "scale" gleichsetzt (oder mit einem Tonleiterausschnitt, den man über einem bestimmten Akkord verwenden kann), hat das Akkordskalen-System nicht verstanden!
 
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Der absolute Hammer das Ganze.

was ich glaube herausgefiltert zu haben, ist, dass man bei einer auf H beginnenden lokrischen Skala besser harmonisch klarkommt, wenn man die zweite Stufe „c“ auf „c#“ erhöht?

wäre dem so und will man es möglichst einfach halten, warum nicht so benennen:

Lokrisch #9 ?

das würde zumindest den in Jazz-Skalen gebräuchlichen Bezeichnungen entsprechen und jeder wüsste, worauf er sich einlässt (wie das z. B. sehr häufige Mixolydisch #11)

oder ist das völlig abwegig?
 

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