Klavierstücke für Einsteiger?

Ein Orchesterprofi riet mir dann zu einem Band mit Sonatinen: "Sonatinen sind einfach aufgebaut, du brauchst nur bis 4 zählen können und gehst von Takt zu Takt vor."
Sonatinen sind trotz deines erfolgreichen Vorgehens keine empfehlenswerte Einstiegsliteratur.
Aus Sicht der mir bekannten Lehrpläne zum Klavierspielen (VDM, ABRSM, Trinity College, RCM) sind für Sonatinen dazu verschiedene spieltechnische Voraussetzungen notwendig, die üblicherweise im ersten Unterrichtsjahr vermittelt werden. "Jahr" beziehe ich dabei auf den Stoff, ein motivierter Schüler kann die entsprechenden Übungen und Stücke ggf. zeitlich auch früher erarbeitet haben.

Neugelerntes soll sich aber auch verfestigen. Deshalb ist es sinnvoll, mehrere Stücke eines Schwierigkeitsgrades zu bearbeiten. Das erfordert zwangsläufig seine Zeit, vermittelt dafür aber auch Spielspaß. Es unterstützt natürlich die Routine im Erarbeiten von Stücken und fördert die Weiterentwicklung des musikalischen Ausdrucks im Spielen.

Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns ist bei hohen Hürden statt sinnvoll aufeinanderfolgenden kleinen Schritten ist zwangsläufig größer, zumal für Autodidakten.
Deshalb haben Lehrpläne in der aktuellen Klavierausbildung eine Struktur mit Elementen der Spieltechnik sowie Stücken aus der Barockmusik, dem 19. Jahrhundert und der Moderne bis zeitgenössichen Musik, dazu kommt im Idealfall noch Improvisation.
Der Stoff lässt sich so in eine mehrjährige Ausbildung aufgliedern, denen die musikalischen Stücke der verschiedenen Stile zugeorndet sind.

Ich habe sowohl autodidaktische wie Unterrichtserfahrung, je nach Instrument. Aus den Erfahrungen damit bin ich für ein planvolles Vorgehen, anstatt sich unbedarft irgendwelche gemochte oder empfohlenen Stücke vorzunehmen und sich "durchzubeißen".

Zu deinem Interesse an Ragtimes mein Kompliment, das sind normalerweise schon Anforderungen der Mittelstufe.

Gruß Claus
 
Ein Orchesterprofi riet mir dann zu einem Band mit Sonatinen: "Sonatinen sind einfach aufgebaut, du brauchst nur bis 4 zählen können und gehst von Takt zu Takt vor."
Im Grunde ließe sich dies auf alles übertragen. Sonaten sind leicht, Preludien sind leicht. Toccaten sind leicht, Sonaten sowieso und Händel und Reger ist auch leicht. Vorausgesetzt du weiß wie der Aufbau ist. Beispiel ein normaler Vierstimmiger Bach Choral, hast du einmal die Wendungen und den Aufbau in den Finger, dann spielst du das ohne Probleme indem du nur die Melodienote betrachtest. Bei Reger ist es das gleiche, auch wenn die Noten kaum lesbar sind für einen Anfänger, so hast du nach einigen Stücke seine Herangehensweise heraus und weißt was du zutun hast und was als nächstes vermutlich kommen wird.

Für Anfänger im Notenlesen ist eine flotte Toccata mit ihren meist wenigen Stimmen wunderbar immer gleichen Figuren die sich durch das ganze Stück ziehen...

Aber jetzt mal ehrlich, nur weil etwas mit Erfahrung nicht sonderlich schwer ist, so ist es für den Anfänger nicht zwingend geeignet. Mit einem leichten Reger kannst du jedem Anfänger die Idee Klavier zu spielen zuverlässig wieder abgewöhnen und eine Toccata spielt man auch wenn der Aufbau leicht ist nicht mit untrainierten Fingern.

Was man auch am Anfang nicht übertreiben sollte ist das genaue spielen. Wenn man anfängt, dann ist der erste Punkt einmal das auf dem Blatt notierte in der richtigen Kombination auf die Tasten zu bringen. Selbst nach vielen Monaten ist man von einem Akkuraten Spiel weit entfernt. Natürlich kann man ein Stück so lange auswendig lernen, bis man es genau spielen kann, aber spätestens beim nächsten Stück ist die 16tel vermutlich länger als die Halbe Note, ganz einfach weil das Lesen, Verstehen und umsetzen nicht schneller funktioniert. Viel wichtiger als das genaue spielen wäre hier das konsequente genaue Zählen. Und wenn man dann auf einer 16tel Note eben länger bleibt mit dem Finger als auf einer Viertel Note weil der nächste Schritt noch überlegt und verstanden werden muss, dann ist das doch absolut in Ordnung.

Bis man wirklich ganz leichte Stücke die einem Unbekannt sind mit drei oder vier Stimmen sauber genau vom Blatt spielen kann, sollte man mehrere Jahre einplanen. Der eine kann es nach fünf, der andere nach 10 ein anderer schafft es nie. Wobei letzterer wohl eine falsche Strategie nutzt. Es ist wie beim vom Blatt vorlesen. Einige Schüler können es nach 5 Schuljahren sauber, andere können es mit Renteneintritt noch nicht sauber. :)

BTW Mit Ratschlägen von Orchesterprofis wäre ich sehr sehr sehr vorsichtig. Profimusiker die ihren Lebensunterhalt mit solchen Dingen bestreiten sind in der Regel in einer ganz anderen Liga als wir jemals kommen werden. Was für einen Orchester Pianist im Schlaf nach 10 Flaschen Bier noch immer einfach ist, da verzweifeln erfahrene Musiker noch nüchtern dran.
 
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