Kirchentonleitern: Frage für wirklich tief Denkende

Oder reden wir bei der Entwicklung der Skalen aus evtl Obertönen über Zeiten, die noch viel länger zurückliegen?
Davon gehe ich aus, die Wurzeln "unserer Musik" liegen m.W. in der griechischen Antike.

Gruß Claus
 
Dann passen die Themen aber mMn überhaupt nicht zusammen. Zu der Zeit, wo sich Moll und KTL etablierten, dürfte das Finden des Tonvorrats aus Halbtönen in Europa doch längst abgeschlossen gewesen sein. Da brauchen wir auch nicht über die Bildung des Molldreiklangs aus den hohen Obertönen philosophieren.

Die Varianten Dur/Moll und die weitere Harmonik dürften da doch um Äonen später entstanden sein als lineare Strukturen, also Melodien. Ich würde das eher vermuten 1. Obertöne, 2. Füllen der Lücken, da man Melodien singen wollte (bzw sicher schon gesungen hat), daraus Ableitung der Halbtöne als kleinsten Stufe. 3. Bildung der Skalen und "evolutionärer" Wettstreit um die beliebteste , 4. Harmonik.

So erschiene es mir jedenfalls folgerichtig, ist aber nur "Küchenwissenschaft".

Der kritische Punkt schiene mir dann, warum Halbtöne als kleinste Einheit gewählt wurden. Ist das willkürlich? Oder eine von vielen Möglichkeiten, die dann im Gegensatz zu anderen unerschöpfliche großartige Möglichkeiten der Harmonik eröffnete?
 
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Zu der Zeit, wo sich Moll und KTL etablierten, dürfte das Finden des Tonvorrats aus Halbtönen in Europa doch längst abgeschlossen gewesen sein
Nach meinem Stand gehört das zusammen bzw. liegen nicht so weit voneinander weg. Die Kirchentonleitern sind nichts wirklich neues, sie buchstabieren aus, was die alten griechischen Modi letztlich schon enthielten. Zuzüglich etwas Kombinatorik.
Die Mollterz ist auch nicht neu. Zwei der alten Modi enthalten eine große Terz, zwei eine kleine Terz (dorisch/phrygisch). Unser Dur und Moll quasi gleich verteilt. Über statistische Häufung von Modi im Gesangsrepertoire ist mir nichts bekannt.

... warum Halbtöne als kleinste Einheit gewählt wurden
Das wird schwer zu beantworten sein. Soweit ich sehe, war grundsätzlich der (ganze) Tonabstand maßgeblich. Den halben Ton brauchte man dann, um die Quarte aufzufüllen, um damit die nächste Konsonanz zu erreichen. Tonvorrat wurde damals nicht als eine Menge von Halbtönen gesehen.

Andere Teilungen sind prinzipiell auch denkbar, aber es wurde so, wie wir's jetzt haben ...

Hier bei Wikipedia habe ich eine - wie ich meine - passende Zusammenstellung gefunden, wie sich vor 1000 Jahren Guido von Arezzo seinen Tonvorrat auf einem Monochord zusammengestellt hat. (In ähnlicher Form kannte ich es auch an anderen Stellen). Halbtöne entstehen hier implizit durch die Differenz von Ganztönen und Quarten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Guido_von_Arezzo. (Untere Hälfte, Abschnitt "Die Skala")
 
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Der kritische Punkt schiene mir dann, warum Halbtöne als kleinste Einheit gewählt wurden. Ist das willkürlich? Oder eine von vielen Möglichkeiten, die dann im Gegensatz zu anderen unerschöpfliche großartige Möglichkeiten der Harmonik eröffnete?
An dieser Stelle könnte die Tabelle passen aus der weiter oben dem Post angehängte Seite aus der Harmonielehre von Schönberg:

Schönberg_C-Skala.png



Seine These ist, dass wenn einmal die Oberquinte zu einem Grundton gefunden wurde, was ja nicht so schwer ist, da die Quinte ein sehr prominentes Intervall in der Obertonreihe ist, es auch leicht ist, die Unterquinte zu diesem Grundton zu finden. Es gibt zwar keine eigentlichen Untertöne in diesen Reihen, aber wer die schon gefundene Oberquinte empfunden und gehört hat, kann gewiss ohne weiteres auch die Unterquinte singen/spielen.
Damit können auch die Obertöne der Unterquinte gefunden werden. Dasselbe bei der Oberquinte bzw. deren Obertöne.
Nun müssen nur noch diese drei Reihen übereinander gelegt bzw. addiert werden: Die F-, die C- und die G-Reihe. Weiter als bis zur 6. Harmonischen muss dafür nicht ausgeholt werden. Und voilà - alle drei zusammen ergeben die C-Dur-Skala in seinem Beispiel!

Und da finden sich sozusagen von alleine die beiden Halbtonschritte zwischen E+F und H+C, sie sind einfach da, ergeben sich sozusagen automatisch aus der Addition der Reihen.
Das zunächst die "Kirchentonarten" vorgeherrscht haben, führt er auf eine mögliche Verwirrung durch die Parallelität von Es+E und Be+H bei dieser "Addition" zurück. Dadurch wurde verschleiert, welcher Ton der eigentliche Grundton der Reihe sein soll. Er handelt das aber nur nebenbei in einer Fußnote ab:

Schönberg_Fußnote.png



Den folgenden Satz möchte ich auch noch vorstellen, diese Formulierung gefällt mir:

Schönberg_Kommentar.png
 
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Es wäre wirklich mal interessant, die verschiedenen Terzen in einer Stimmführung zu hören. Kann sein, das was davor und danach kommt, hat mehr Einfluss darauf, ob es gut klingt als der Akkord selbst.
Ich hab's mal probiert.

Ich hab mal eine einfache vi - ii - V - I Kadenz genommen.
Rein klingt das so



Hier sind jetzt die Terzen von vi und ii auf 7/6 gestimmt.
Das Problem ist, dass die Terz der vi ja gleichzeitig Grundton der I ist, dementsprechend klingt das auch schräg.



Wenn man die 7/6 Terz nur für die Moll-Akkorde nimmt und für die I wieder in reine Stimmung wechselt, klingt es eigentlich okay, nur lässt sich das auf vielen Instrumenten nur schwer umsetzen.


Alles in allem klingt es aber im Kontext schon deutlich ungewohnt, wenn man nur den Moll-Akkord allein hört, ist mir das zumindest nicht so stark aufgefallen.
 
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Alles in allem klingt es aber im Kontext schon deutlich ungewohnt, wenn man nur den Moll-Akkord allein hört, ist mir das zumindest nicht so stark aufgefallen.

Den Hörern wird schnell unbehaglich, wenn Tonleitern nicht stabil sind. Das perfekte Stimmsystem muss also nicht nur möglichst viele schöne Harmonien liefern, sondern auch singbare, stabile Tonleitern.
 
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Was ist Deiner Meinung nach ein Beispiel für eine instabile Tonleiter .... ?
 
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Bei einer instabilen Leiter sind die Sprossen wackelig oder brechen sogar. Analog würde ich eine Tonleiter als instabil bezeichnen, wenn z. B. die Töne sehr schlecht intoniert sind oder gar die ganze Leiter in Bewegung kommt und nach oben oder unten rutscht.

Es gibt auch Tonleitern, die bauartbedingt eine Instabilität haben. Bei den verschiedenen JUST-Tonleitern wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, was leider nicht möglich ist. Deswegen geht ein Riss mitten durch das System: In C-Dur kann man damit nur entweder den Dm-Akkord oder G-Dur spielen, aber nicht beide gleichzeitig mit nur einer Tonleiter. Der dorische Modus mit seiner typischen Dm<->G-Schaukel funktioniert in diesen Klangwelten nicht.
 
... wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, ...
Aber das ist doch ein Problem des Stimmungsystems, und nicht der Tonleiter.
Oder etwa nicht ?
 
Bei einer instabilen Leiter sind die Sprossen wackelig oder brechen sogar. Analog würde ich eine Tonleiter als instabil bezeichnen, wenn z. B.
Ich fände es ja besser, Du würdest Deine Definition bringen, wenn Du den Begriff verwendest und nicht erst auf Nachfrage.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Bei den verschiedenen JUST-Tonleitern wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, was leider nicht möglich ist.
Wie kann es denn versucht werden, wenn es nicht möglich ist, wie meinst Du das?

Den Hörern wird schnell unbehaglich, wenn Tonleitern nicht stabil sind.
Wie äußert sich das?
Von diesen Dingen habe ich noch nie gehört. Vielleicht liegt es ja daran, wenn mir manchmal bei Musik unbehaglich wird.
 
Hier bei Wikipedia habe ich eine - wie ich meine - passende Zusammenstellung gefunden, wie sich vor 1000 Jahren Guido von Arezzo seinen Tonvorrat auf einem Monochord zusammengestellt hat.
@omnimusicus, nochmals danke für diesen interessanten Link. In grauer Vorzeit hatte ich ich zwar schon mal mit Guido von Arezzo beschäftigt, aber jetzt mich nicht mehr an die Details erinnert.
Sehr interessant u.a. daraus der Hinweis, dass die Schlüssel (C und F-Schlüssel) dazu dienten, nicht nur die Töne C und F selber, sondern vor allem die Lage mindestens von einem der beiden Halbtonschritte sofort erkennbar zu machen. Logischerweise H-C beim C-Schlüssel und E-F beim F-Schlüssel. Die Lage des zweiten erschließt sich dann auch schnell.
Der Schlüssel hätte ja auch einen beliebigen anderen Ton definieren können, z.B. D, A, usw., was aber den Halbtonschritt nicht auf Anhieb hätte erkennen lassen. Tricky!
Besonders in einem Tonsystem, wo jede der Skalen durch die charakteristische Lage ihrer beiden Halbtonschritte innerhalb der Skala definiert sind.


Bei den verschiedenen JUST-Tonleitern wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, was leider nicht möglich ist.
Erst mal gefragt: Was sind "JUST-Tonleitern"?
Mit einer fortlaufenden Quintstapelung (und Transposition der Noten in einen Oktavraum) wie: F/C/G/D/A/E/H lässt sich wohl die C-Dur-Skala konstruieren.
Bekanntlich klingen die anderen Intervalle außer den Quinten aber nicht, wenn man dazu ausschließlich reine Quinten nimmt.
Aber um nur rein lineare Melodien zu singen gänzlich ohne Zwei- oder gar Dreiklänge? Wäre einen Versucht wert.


Den Hörern wird schnell unbehaglich, wenn Tonleitern nicht stabil sind. Das perfekte Stimmsystem muss also nicht nur möglichst viele schöne Harmonien liefern, sondern auch singbare, stabile Tonleitern.
Mir ist auch nicht klar, was eine stabile bzw. instabile Tonleiter sein soll. Aber dein Einwurf bringt mich auf den Gedanken, ob die ursprünglichen vier Modi (also Dorisch, Phrygisch, Lydisch, Mixolydisch - die Hypo-Formen beziehe ich da der Einfachheit halber mit ein) nicht etwas mehr "immun" gegen Abweichungen in der Intonation der Tonschritte sind als es mindestens Dur vielleicht ist? Weil sie keinen Leitton zum Grundton kennen?
Ursprünglich und für recht lange Zeit wurde ja nur einstimmig gesungen, also rein linear musiziert ohne Harmonik, ja selbst auch ohne Zweiklänge. Und ab wann etablierten sich erstmals Stimmsysteme und Temperaturen?
Das Monochord des Guido von Arezzo deutet ja schon in diese Richtung, wobei die Modi schon lange vor seiner Zeit in Gebrauch waren.
Sicher waren es nicht nur die Tasteninstrumente, sondern insbesondere auch das Dur-Moll-System selber mit seiner Bezogenheit auf den Leitton in Melodik und Harmonik, das zwingend nach definierten Temperaturen verlangte um in sich "stimmiger" zu klingen?
 
Den Hörern wird schnell unbehaglich, wenn Tonleitern nicht stabil sind.
Vielleicht ist das der Grund, warum den Türken beim Musizieren die ganze Zeit unbehaglich ist ... :gruebel:



:evil:
Viele Grüße,
McCoy
 
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Mir wird besonders unbehaglich, wenn ich auf einer wackligen Leiter stehe 🫤
 
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Erst mal gefragt: Was sind "JUST-Tonleitern"?
Bei den verschiedenen JUST-Tonleitern wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, was leider nicht möglich ist.
Mit einer fortlaufenden Quintstapelung (und Transposition der Noten in einen Oktavraum) wie: F/C/G/D/A/E/H lässt sich wohl die C-Dur-Skala konstruieren.
Bekanntlich klingen die anderen Intervalle außer den Quinten aber nicht, wenn man dazu ausschließlich reine Quinten nimmt.

Bei der Just Intonation werden keine Quinten aufeinander gestapelt, sondern man versucht, die Tonleitern nur mit reinen Intervallen aufzubauen. Das ist ein Puzzle, das nie richtig aufgeht, so ähnlich wie die Quadratur des Kreises. Es gibt mehrere Lösungen, ich habe auch schon mal eine dorische Version, die Dm und G enthält, konstruiert (aber dafür kein Am).

Hier mal die Scala-Datei Just1.scl mit einer recht bekannten Version ohne Dm, falls jemand damit experimentieren will (viele Synthies lassen sich mit Scala-Dateien temperieren/microtunen):

! Just1.scl
!
Just1
12
!
16/15
9/8
6/5
5/4
4/3
45/32
3/2
8/5
5/3
16/9
15/8
2/1

Folgende Akkorde sind damit möglich:

C Csus4 Cb6 C6 C7 Cmaj7 Cb9 C9
Cm Cmb6 Cm6 Cm7 Cmmaj7 Cmb9 Cm9
Db Db6 Dbmaj7 Db9
Em Emb6 Emb9 Em9
F Fsus4 Fb6 Fmaj7 F9
Fm Fmb6 Fmmaj7 Fm9
G Gsus4 Gb6 G6 G7 Gmaj7 Gb9
G# G#sus4 G#6 G#maj7
Am Amb6 Amb9 Am9
Bbm Bbmmaj7 Bbm9
Hm Hmb6 Hm7 Hmb9
 
Bei den verschiedenen JUST-Tonleitern wird versucht, diatonische Tonleitern nur mit reinen Terzen und Quinten aufzubauen, was leider nicht möglich ist.

Das ist ein Puzzle, das nie richtig aufgeht, so ähnlich wie die Quadratur des Kreises.
@MaxJoy, vielen Dank für die erläuternde Antwort und das Beispiel.

Es bleibt für mich aber nach deiner Antwort noch mehr ein Rätsel, warum jemand sich diese Mühe macht, wo es doch klar ist, dass im Ergebnis keine vollständige Harmonik möglich ist.
In historischer Zeit gab es ja vor der Einführung der mehr oder weniger "wohltemperierten" Stimmungen reichlich Temperaturen mit reinen Intervallen. Keine davon erlaubte Harmonien und Modulationen komplett durch den Quintenzirkel, was aber zu den Zeiten dieser Stimmungen unnötig war, weil die Harmonik nicht so komplex war (von den stark chromatischen Motetten eines Gesualdo mal abgesehen, die aber reine Vokalwerke waren).

Warum also neuerliche Versuche in diese Richtung, wo doch aus der Historie schon alles geklärt war, und mit der gleichstufig temperierten Stimmung die im Grunde beste Lösung für jegliche Komplexitätsstufe von Harmonik auch schon lange gefunden wurde?
Auf z.B. Dm oder andere Harmonien verzichten zu müssen erscheint mir jedenfalls nicht erstrebenswert und auch nicht logisch.

Ergänzung:
Den Reiz reiner Intervalle kann ich im Übrigen durchaus nachvollziehen, und wenn es z.B. um die Aufführung alter Musik auf einem Tasteninstrument geht wie etwa dem "Fitzwilliam Virginal Book" [https://de.wikipedia.org/wiki/Fitzwilliam_Virginal_Book] um ein Beispiel zu nennen, würde ich auf dem Virginal oder Cembalo eine historische Stimmung aus dieser Epoche einer "wohltemperierten" oder gar der modernen gleichstufigen Stimmung vorziehen.
Wenn aber jemand diese Stücke auf einem modernen Klavier mit gleichstufiger Stimmung schön spielt, würde ich das gleichwohl auch genießen können

Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die "JUST-Tonleitern" Versuche aus moderner Zeit, Tonleitern mit reinen Intervallen zu bilden. Wobei ich eben das nicht wirklich nachvollziehen kann, jedenfalls für die Musikpraxis, wo doch für alte Musik auf die existierenden überlieferten historischen Stimmungen mit reinen Intervallen zurück gegriffen werden kann.
Hat für mich etwas von "das Rad neu erfinden wollen".
 
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Warum also neuerliche Versuche in diese Richtung, wo doch aus der Historie schon alles geklärt war, und mit der gleichstufig temperierten Stimmung die im Grunde beste Lösung für jegliche Komplexitätsstufe von Harmonik auch schon lange gefunden wurde?
Amen.

Ihr ahnt ja nicht, wie schwierig es für jemanden wie mich ist, den Schnabel zu halten! Aber mir ist vollkommen klar, dass ich sehr viel weniger Plan von der Materie habe, als ihr und daher versuche ich einfach, soviel wie möglich mitzunehmen. Aber so manches Mal denke ich: "Warum, zum Henker..?". 😄
 
man versucht, die Tonleitern nur mit reinen Intervallen aufzubauen. Das ist ein Puzzle, das nie richtig aufgeht, so ähnlich wie die Quadratur des Kreises. Es gibt mehrere Lösungen,
Kannst Du das nochmal näher erläutern? So richtig wird mir das nicht klar.

Vielleicht bin ich zu einfach gestrickt, aber entweder es geht nicht, dh es gibt einen Widerspruch in der Aufgabenstellung, oder es gibt mehrere Lösungen, dh offene Parameter.

Was ist genau die Problemstellung, und mit welchen Nebenbedingungen?

So wie ich es verstehe, sollen in den Frequenzverhältnissen möglichst kleine Zähler und Nenner stehen. Also eine Quinte mit 3/2, Quarte mit 4/3 usw. Dafür könnte es eine eindeutige Lösung geben. Vielleicht ist das schon die scala-Datei von oben.

Dass sich das mit der Bedingung von identisch klingenden vollständigen Akkorden widerspricht, ist ja klar. Dabei kommt man bei der temperierten/gleichstufigen Stimmung raus. Quasi das andere Extrem.

Das wären aber einander ausschließende Bedingungen. Denkbar wäre natürlich eine Art Gewichtung, zB 80% auf die reinen Intervalle und 20% auf die Sauberkeit der Akkorde, also eine Art Paretofront... wenn ich es richtig verstanden habe. (dh eine Verbesserung des einen Kriteriums führt immer zu einer Verschlechterung des anderen.) Nur - wozu das ganze??
 
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Es bleibt für mich aber nach deiner Antwort noch mehr ein Rätsel, warum jemand sich diese Mühe macht, wo es doch klar ist, dass im Ergebnis keine vollständige Harmonik möglich ist.

So wie ich die Sache sehe, gab es von Beginn an zwei verschiedenartige Entwicklungen in der Musik, die bis heute nachwirken: Vokal- und Instrumentalmusik, insbesondere mit Saiteninstrumenten.
  • Chorgesang in der einfachsten und ältesten Form wird so praktiziert, dass die Männer einen kontinuierlichen Basston singen und die Frauen basierend auf den Obertönen eine Melodie darüber legen. Dafür braucht man nur einen Satz guter Ohren und etwas Übung. Direkt zur Verfügung stehen Quarte, Quinte und Oktave, aber ich vermute stark, dass auch schon die Terzen und Sexten seit prähistorischer Zeit gesungen wurden. Die noch fehlende Sekunden und Septimen wurde einfach nach Gefühl zu einer Tonleiter ergänzt. Diese Tradition wird mit der Just Intonation beschrieben. Dass man mit der Tonleiter nicht alle Stufenakkorde bilden konnte, störte nicht, weil es zu dieser Zeit keine oder nur wenig Moduswechsel gab. Alte Instrumente wie der Dudelsack oder die Drehleier simulieren mit Bordun- und Melodietönen diese Art Musik und können gut zur Begleitung eingesetzt werden.
  • Während bei der Vokalmusik der Zusammenklang am wichtigsten war, stand bei der Instrumentalmusik der Kampf mit der Physik im Vordergrund. Es ist war schwierig, gut klingende Instrumente zu bauen, die einfach zu bespielen waren. In Just-Tonleitern haben die Töne z. B. unterschiedliche Abstände, das Griffbrett einer Gitarre würde daher keine regelmäßigen Bünde haben, sondern komplett verwüstet aussehen. Saiten lassen sich aber sehr einfach über die Flageoletttöne in Quarten oder Quinten stimmen. Wer eine Gitarre stimmt, macht also im Grunde nichts anderes als Quarten aufeinander zu türmen. Als Resultat erhält man eine komplette pentatonische Tonreihe: G A H D E. Wenn man das fortsetzt, ergibt sich der Quartenzirkel, bzw. gespiegelt der bekannte Quintenzirkel. Diese neue 'pythagoräische' Tonleiter stimmte nicht zu 100% mit den gesungenen Tonleitern überein und hatte schlechte Terzen, aber sie erleichterte den Instrumentenbau und ließ sich kunstvoll verschachteln, so dass Tonartenwechsel möglich wurden.
Warum also neuerliche Versuche in diese Richtung, wo doch aus der Historie schon alles geklärt war, und mit der gleichstufig temperierten Stimmung die im Grunde beste Lösung für jegliche Komplexitätsstufe von Harmonik auch schon lange gefunden wurde?

In der Renaissance waren alle bisher besprochenen Temperamente schon bekannt, auch die gleichstufige Stimmung. Trotzdem fiel die Wahl auf die mitteltönige Stimmung. Just Intonation ist im Chorgesang und in der klassischen Musik weiterhin eine lebendige Tradition, bundlose Streichinstrumente können die Lücken im System flexibel ausgleichen. Jede dieser Stimmungen hat ihre Vor- und Nachteile, eine beste Lösung gibt es für mich nicht.
 
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... bundlose Streichinstrumente können die Lücken im System flexibel ausgleichen.
Bei Gamben und den historischen Vorläufern der Gitarre waren die Bünde aus Schnüren gefertigt, die um den Hals gebunden (daher "Bünde) und verschiebbar waren. Damit konnten diese Instrumente in ihrer Intervallstruktur an unterschiedliche Tonarten angepasst werden.
 
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Bei Gamben und den historischen Vorläufern der Gitarre waren die Bünde aus Schnüren gefertigt, die um den Hals gebunden (daher "Bünde) und verschiebbar waren.

Gerade Bünde bekommt man aber nur in der gleichstufigen, der pythagoräischen und der mitteltönigen Stimmung. Diese Tonleitern sind extra dafür optimiert.
 

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