Wie siehts dabei mit deiner Trefferquote auf der Bühne aus?
Zugegeben, ich spiele nicht so präzise wie ein MPC2000XL, aber Übung macht den Meister.
Allerdings ist es auch so: Wann immer ich das Gefühl habe, hier hätte ich noch Luft, hier könnte ich noch etwas einbauen, was ich gerade beim Original entdeckt habe, und wenn sich das irgendwie noch auf den Tastaturen unterbringen läßt – dann wird es eingebaut ohne Wenn und Aber. Wenn es irgendwie spielbar ist, dann wird es gespielt. Alles andere ist Schlendrian. Und nicht mehr spielbar ist es nur, wenn nicht genügend Hände und/oder nicht genügend Tasten zur Verfügung stehen.
Wobei ich mir nicht vorstellen kann, daß von mir unterm Strich mehr kommt als vom Keyboarder einer professionellen Tanzband, wenn die diese Nummer spielt. Im Gegenteil: Der wird vermutlich das spielen, was mein Tastenkollege spielt – die Pianoparts –, und vom Sequencer bzw. per Audiozuspielung kommt dann das, was ich mache, plus dem, was ich nicht mehr machen kann, und zwar spielerisch und klanglich meilenweit näher am Original, als was ich spiele.
Ich meine, wenn du bei 600 Schnitten nicht sauber spielst, ist dann die Nummer nicht eher ungeeignet?
Als Demo
ist die Nummer eigentlich ungeeignet, allein schon, weil es extrem schwierig ist, neben den ganzen Sachen, die ich spielen muß, und dem unentwegten Ein- und Ausschalten von fünf Multimode-Parts ständig auf eine andere Bildschirmseite zu wechseln, das Tempo des Sequencers an das der Band anzupassen – bis man weiß, daß es stimmt, vergehen ja auch einige Takte – und dann wieder zurückzuwechseln. Und den Sequencer brauche ich für die viertaktige (!), dreistimmige Synthesizerfigur im Refrain, die ich selbst dann nicht per Hand spielen könnte, wenn ich beide Hände frei hätte, und die sogar Earth, Wind & Fire selbst mit zwölf Mann auf der Bühne als Audiozuspielung einfliegen. Würde ich die weglassen, würde das riesige, häßliche Löcher in den Gesamtsound reißen.
Aber meine Bandkollegen können meinen Aufwand nicht nachvollziehen, weil die alle nur einen Bruchteil dieses Aufwandes haben. Bevor wir das Demo aufnahmen, wußte außer mir niemand in der Band, was ich alles mache – jetzt weiß es außer mir auch der Schlagzeuger, der das alles nachbearbeitet hat. Und weil ich bei Gigs aus Platzgründen und aus Mangel an Wichtigkeit hinten stehe, sieht auch keiner meiner Kollegen, wie ich da herumwirble. Bei Proben achtet darauf auch niemand.
Oder haben dir die Bandkollegen ein Ei gelegt und von dir nur die miesen Parts genommen?
Das können sie gar nicht. Sie haben ja von mir keine Einzelparts bekommen, sondern eine Stereosumme.
Um noch einmal zu erklären, wie der Audioteil entstanden ist: Meine Bandkollegen wollten für das Demo eine Live-Situation emulieren. Unsere älteren Demos, die tatsächlich noch Spur für Spur aufgenommen wurden, waren ihnen zu steril, weil zu sehr durchgestylt und ausproduziert. Bei Stücken wie "Funhouse" von P!nk oder "In The Stone" von Earth, Wind & Fire hatte ich sogar beim Overdubbing Parts eingespielt, die ich live überhaupt nicht abdecken kann; meine Bandkollegen waren damals noch damit einverstanden. Jetzt sollte es möglichst wie live klingen. Andererseits giggen wir viel zu selten, als daß wir einen riesigen Fundus an Live-Versionen hätten. Und tatsächliche Live-Situationen haben obendrein den Nachteil, daß man nur "ein Take" hat.
Dann kam noch hinzu, daß das Pult, auf dem wir unsere letzten Demos gemacht hatten, tatsächlich Vollduplex-Multitracking unterstützte. Das war ein Analogpult mit integriertem USB-Audio-Interface. Das reichte meinen Kollegen aber irgendwann nicht mehr aus, und so wurde ein Digitalpult angeschafft. Das kann aber kein Vollduplex – es kann über USB entweder wiedergeben oder aufnehmen, nicht aber beides gleichzeitig. Einzelspur-Overdubs können wir uns damit abschminken.
Das einzige, was geht, ist, daß die ganze Kapelle gleichzeitig spielt. Dann nimmt man eben drei, vier, fünf Takes oder so auf, und zwar jeweils mit der ganzen Band, und baut daraus das Bestmögliche zusammen.
Ich hatte selbst angemerkt, daß es komplett idiotisch ist, Demos so zu produzieren. Das wird hochgradig unsauber, auch mit exzessiver Schneiderei. Die Band sagte, das geht schon in Ordnung, das soll ja eine Live-Version sein, sagte ich auch, daß beim Demohören die Abhörsituation eine ganz andere ist als live vor der Bühne. Man kann genauer hinhören, und man kann es mehrmals abspielen und mehrmals hinhören, somit kann man auch konzentrierter abhören. Das, was in einer Live-Situation im allgemeinen Mulm und Trubel um einen herum untergeht, kann man um Größenordnungen präziser und analytischer hören. Und dann fallen Fehler und Ungenauigkeiten extrem auf, die in den meisten Live-Situationen, die für Hobbybands zugänglich sind, im allgemeinen Matsch ersaufen.
Wenn ich meine Parts als Einzelspuren nachträglich eingespielt hätte, wie ich es vorgeschlagen hatte, was aber abgelehnt wurde (die Band weigerte sich strikt, ohne mich zu spielen, und dann wollten sie nicht darauf warten, bis ich meine Parts eingespielt habe), dann hätte ich das nicht über das Bandpult gemacht, sondern ich wäre mit einem Mixdown ohne meine Parts und mit Laptop und RME Hammerfall Multiface I in den Probenraum gefahren und hätte alles nach und nach als mindestens vier einzelne Stereospuren eingespielt.
Für die, die solange mit ihrer Einschätzung gewartet haben, kannst du beim nächsten Mal einen Mitschnitt machen?
(Sorry, aber ist ja der Stammtisch
)
Unser einziges gutes Live-Video ist von 2010, und selbst das haben wir nur mit viel Glück unter der Hand bekommen. Ansonsten gibt es nur Schnipsel, die irgendwann mal jemand aus dem Bandumfeld mit einem iPhone gefilmt hat. Es ist hochgradig unrealistisch, daß wir so bald wieder eines machen können, zumal wir keinen eigenen Kameramann haben – wir haben ja auch nur einen freiwilligen Roadie und keinen eigenen Toni.
Martman