Vielleicht wären mehr Leute motiviert, dir zu antworten, wenn du nicht ständig so abschätzig über die "ROMpler- und Workstation-Fraktion" und die "Rockkeyboarder" herziehen würdest. Ich sehe mich nämlich z.B. durchaus als beides: Sowohl Rockkeyboarder und jemand, der - je nach Band und Kontext - auch gerne den Schwerpunkt auf AP/EP/B3 setzt, als AUCH als jemand, der in dem einen oder anderen Projekt einen recht hohen Anspruch hat, Sounds möglichst originalgetreu einzusetzen. Zumindest soweit machbar, ohne ein ganzes Museum mit auf die Bühne zu schleppen und das auch noch mit nur zwei Händen zu spielen.
Es geht mir nicht um den Sound.
Es geht mir um die gespielten Noten. Darum, von jedem einzelnen dieser Vielklänge jeweils jede einzelne Note genauso zu spielen wie auf Platte.
Und die genannten Arten von Musikern habe ich ausgeschlossen, weil ich weiß, daß von denen mit zu großer Wahrscheinlichkeit kommt: "Ist doch scheißegal, was da auf der Platte gespielt wird. Spiel, was du glaubst, daß das gut klingt. Ich spiel nie, was auf der Platte ist. Macht keinen Spaß." Und genau das will ich nicht lesen.
Mich interessiert eher, was diejenigen sagen, die unbedingt alles ganz exakt replizieren
müssen vom notenexakten Arpeggio in "Rio" (Duran Duran, nicht Maywood) bis zur millisekundengenauen Portamentozeit in "Party Rock Anthem", weil sie in einer Band spielen, die das notwendig macht – und was diejenigen sagen, die, obwohl das kein Zwang ist, genau das freiwillig machen.
Die sind mit Sicherheit - gerade in den 70ern - exakt ausarrangiert, und wahrscheinlich sogar vom (Mini-Orchester) eingespielt.
Das waren mit 100%iger Sicherheit keine echten akustischen Streicher. Das war eher eine Stringmachine, möglicherweise eine in den Höhen merklich EQte Logan String Melody.
Ziemlich deutlich daran zu hören, wie immer wieder eine Stimme dazukommt oder verschwindet (der Streicherpart wechselt ständig von jetzt auf gleich zwischen zwei, drei, vier, manchmal sogar fünf Stimmen) und bei 72 bpm im Intro schon mal eine Note kontinuierlich viereinhalb Takte lang gehalten wird. Das ist mit 100%iger Sicherheit auf Tasten gespielt worden, auf einem polyphonen Tasteninstrument.
Das Album
Brother To Brother wurde 1977 aufgenommen, prä-Prophet-5, prä-CS80, also weitestgehend prä-Polysynth, weshalb ein Polysynth kaum als Klangerzeuger in Frage kommt. In den Credits werden keine Streicher erwähnt, aber mit Gino und Joe Vannelli zwei Synthesizerspieler.
Ich bin weder das eine, noch das andere, aber dennoch ein Ratschlag:
Hier findet sich eine vom Künstler kostenlos herausgegebene Score-Sammlung, unter anderem zu dem Lied, mit den richtigen Akkorden. Da diese teils recht komplex sind, kann man das schon mal als Grundlage nehmen. Die Tonlage der Strings lässt sich entweder direkt raushören oder einfach durch Ausprobieren recht schnell herausfinden. Ausgehend von diesen Akkorden und der Tonlage sollte man relativ einfach und schnell zu einem brauchbaren Ergebnis kommen, wenn man einfach passende Harmonien ausprobiert.
Zu dem Stück gibt es auch MIDI-Dateien, die ich nun nicht auf ihre Korrektheit überprüfen werde, die den Prozess im Idealfall aber auch beschleunigen können. Ebenso gibt es Instrumentals/Karaoke-Versionen, die auch nicht unbedingt 100% korrekt sein müssen, mit denen man aber etwas leichter raushören kann als mit dem recht dicht produzierten Originalsong.
Mit den Schritten oben würde ich nicht mehr von Stunden ausgehen. An sich spielen die Streicher nun keine all zu wilden Sachen. Typisches Padmaterial, das den Rest des Songs unterstützt, eben.
Nur daß die genannten Akkorde mit den tatsächlich gespielten Noten wenig zu tun haben dürften.
Mal zurück zu Martmans Anliegen:
Ich höre an den meisten Stellen des Songs "nur" warme Streicherpad-Akkorde die sich mit jeder aktuellen Workstation gut reproduzieren lassen und selbst mit einer Hand noch spielbar sein sollten. Harmonisch zwar anspruchsvoll aber keine schweren Läufe oder Sachen, die nur mit echten Streichern gut klingen. Was überhöre ich hier?
Intro (ich bin mir nicht mal sicher, ob das korrekt ist), tonartneutral notiert:
(Auftakt Pause) |
(Halber Takt) 6–7–2 (Halber Takt) 6–1–2 |
(Halber Takt) 6–7–2 (Halber Takt) 6–7–2–4 |
(Halber Takt) 6–1–2 (Halber Takt) 6–7–2 |
(Vierteltakt) 6–7–2 (Vierteltakt) 6–7–2–4 (Halber Takt) 6–7–2–5
Über praktisch derselben Akkordfolge wird vor der zweiten Strophe wieder etwas völlig Anderes, erst Drei, dann Vier-, am Ende gar Fünfstimmiges gespielt.
Das Stück selbst ist schon ein Fest von maj7- und Quartseptnon-Akkorden und Orgelbaß-Geschichten, aber die Streicher sind nochmals um Größenordnungen komplizierter, auch weil die gespielten Streicherakkorde dem harmonischen Verlauf des Stückes oft knallhart widersprechen oder zumindest ständig Nonen, Undezimen usw. mit ins Spiel bringen.
Martman