Was "Preisdumping" durch Amateurbands betrifft: Ich glaube nicht, daß Amateurbands wie wir Vollprofibands wie die, in denen einige von euch spielen, wirklich Konkurrenz machen, geschweige denn verdrängen. Und zwar deshalb nicht, weil das zwei vollkommen unterschiedliche Ligen sind. Ich meine, eine Band, die ein Zehntel einer professionellen Band mit Technikerstab usw. kostet, wird todsicher nicht dasselbe leisten.
Gute Veranstalter wissen das. Und die wirklich lukrativen großen Geschichten werden von guten, erfahrenen Veranstaltern gemacht. Zugegeben, bei vielen Veranstaltungen ist es so, wenn da eine Top40-Profiband auftritt, dann ist das jedes Jahr dieselbe. Aber egal, wieviele Tausender die kosten, die lohnen sich, und die werden sicherlich nicht durch eine Kapelle ersetzt, die für 500 € "Musik für 500 €" macht.
Speziell auf Stadtfesten, die auch nach 22 Uhr noch Livemusik haben, wenn die Leute gerade am Wochenende richtig in Feierlaune sind, machen Veranstalter keine Experimente mit Billigbands. Der Timeslot ab 22 Uhr gehört besonders sonnabends, meistens auch freitags den hochwertigen Bands, sei es Top40, sei es Tribute, sei es gar was berühmtes Originales. Amateurbands kriegen, wenn überhaupt, den Timeslot direkt vorher oder einen noch früheren. Wie gesagt, wenn überhaupt, denn auf wirklich großen Veranstaltungen (Preisklasse Kieler Woche, Hamburger Hafengeburtstag oder auch Altonale) hat man als relativ unbekannte Amateurband keine Chance. Da wird nur bekannt Qualitatives gebucht, oftmals sogar auf kleinen Nebenbühnen.
Klar, es gibt auch Fälle, in denen Profibands nicht oder nur selten zum Zuge kommen.
Bierzelte etwa oder sonstige Massentrunkenheitsveranstaltungen, wie skey schon sagte. Ernsthaft, eine ausgefeilte Profiband ist vor so einem Publikum, das einfach nur mitgrölen will, Perlen vor die Säue. Bevor da ein Veranstalter eine Top40-Band anrücken läßt, die pro Stunde ein, zwei Tausender aufruft, deren Qualitäten im durchweg reichlich berallerten Publikum aber niemand zu schätzen weiß, sparen die sich das Geld und holen sich eine schrammelige Rockcoverband und vielleicht noch eine Amateur-Schlagertruppe, ein MIDI-File-Duo oder was weiß ich, jedenfalls wesentlich billiger. Vielleicht auch einen DJ. Was soll's, die Leute kommen nicht zum Musikhören, sondern zum Saufen, und die Musik ist nur Hintergrundbeschallung. Zugegeben, unbekannte Amateurbands kommen da auch nicht rein, wenn der Veranstalter nicht abschätzen kann, wie das Publikum auf diese Band reagiert – massenhaftes trunkenheitsbedingtes Ausfallendwerden gegen die Band, weil die "Scheiße spielt", sollte schon vermieden werden.
Oder Musikkneipen und ähnliches, also auch alternative "Kulturzentren" in der Art einer Kneipe mit (mindestens) einem mittelkleinen Veranstaltungsraum (ca. 75–200 Pax) dahinter. Das ganze Ambiente ist schon nichts für geschliffene Profis. Dann hat man eine mitunter winzige Bühne und Technik, die entweder spendenfinanziert ist oder "eh schon da" war und da schon hing, als in dem Raum noch geraucht werden durfte. Und daß solche Läden sich Profis gar nicht leisten können, erkennt man daran, daß nicht gerade selten von vornherein auf "Hut" gespielt wird, d.h. es werden gar nicht erst Tickets verkauft, sondern ein "Hut" wird rumgereicht, die Leute schmeißen rein, was sie für richtig halten, und das kriegt dann die Band; der Veranstalter gibt vielleicht noch was dazu, wenn der "Hut" nicht mal die Anfahrtkosten der Band deckt. Profis könnten davon nicht leben, aber Hobbyisten sehen darin a) eine Auftrittsgelegenheit (Hauptsache mal raus und Musik machen) und b) Selbst-Promotion (man wird gesehen, man wird bekannter, vielleicht springen Folgegigs dabei raus).
Überhaupt gibt's genügend Geschichten, wo Profis nicht deshalb außen vor gelassen werden, weil man das Geld sparen will, sondern deshalb, weil das Geld gar nicht da ist. Stadtfeste kleiner als die Altonale, aber mit mehreren Bühnen, etwa. Mit etwas Glück können die sich als Headliner auf einer Bühne an einem Tag eine Profiband leisten; meistens aber ist selbst eine da auftretende Top40-Band ein Amateurtrupp. Davon, jeden Timeslot auf jeder Bühne mit Profis zu belegen, will ich gar nicht erst reden.
Oder man stelle sich mal vor, was so Sachen wie das Honky Tonk Kneipenfestival kosten würden, wenn in allen Lokalen oder auch nur der Hälfte jeweils fünf Stunden lang eine Profiband spielen würde – und in manchen Städten machen beim Honky Tonk auch schon mal zwei Dutzend Lokale mit. Die Musikkneipengründe gelten hier teilweise auch, allerdings finanzieren die Kneipiers das nicht auf eigenes Risiko aus eigener Tasche. Und wieviele Profibands würden sich engagieren lassen für einen fünfstündigen Gig in einem Restaurant (!) mit etwas beiseitegeräumtem Mobiliar? Wir dagegen sind nicht nur meines Wissens nach wie vor die einzige Band Europas, die je in einem Mäcces gespielt hat, sondern wir haben den Stunt letztes Wochenende wiederholt.
Die meisten Gigs, die wir in den letzten vier Jahren hatten, hätte nie eine Profiband gehabt. Okay, einerseits kosten wir nicht viel, andererseits haben wir ein Konzept, das an sich gefragt ist, an das sich aber kaum eine Band wirklich konsequent rantraut, ohne es weichzuspülen. Das ist aber meines Erachtens nicht immer der einzige Grund. Selbst auf Stadtfestbühnen größer als 6×4 haben wir Gigs gespielt, zu denen eine Profiband keine zehn Pferde gekriegt hätten. Zum Beispiel eine riesige NDR-Bühne – aber nur 75 Minuten am Sonntagabend. (Leider geil gewesen.) Oder fünf Sets à 30 Minuten mit vier Pausen à 60 Minuten, von der insgesamt zweifelhaft organisierten Veranstaltung ganz abgesehen. Ganz zu schweigen von Kneipengigs und Privatfeiern.
Was die Show betrifft: Das muß auch zur Musik und zum Konzept passen. Einerseits ist eine Top40-Band, die zwar perfekt spielt, aber stocksteif dasteht wie die Leningrad Cowboys bei ihren ersten Auftritten im Film und das Publikum nicht anheizt, langweilig. Andererseits macht sich eine Kraftwerk-Tributeband lächerlich, wenn alle hinter ihren Instrumenten oder Laptops herumhampeln wie ein EDM-Knöpfchendreher beim Clubgig – die Kraftwerker dürfen keine Miene verziehen, als wenn da keine Menschen stünden, sondern Roboter. Das ist deren Show. Choreographie wiederum ist bei einer durchgestylten R&B/Disco-Kapelle mit mehreren Sängerinnen, Hörnern und allem schon sinnvoll. Bei einer Punkband ist dagegen alles unglaubwürdig, was nicht irgendwie dilettantisch wirkt, und dazu zählen sauber durchchoreographierte Bewegungen.
der UNTERSCHIED ist lediglich, dass man durch die fortschreitende technik heute auch als musikalischer vollhorst die möglichkeit hat passabel zu klingen,
weil man mit relativ geringem finanziellen aufwand einen ausgewachsenen studiorechner auf die bühne packen kann, der das musizieren übernimmt
während man sich der show und animation annimmt.
Geh mal in Clubs. Da passiert spätestens seit Ableton Live häufig genug ziemlich genau das – und das ist für Ableton Live noch nicht mal artgerechte Haltung.
Da wird ein Live-Act angekündigt, der tatsächlich auch einen gewissen Berühmtheitsgrad durch Eigenproduktionen hat. Dann kommt der an mit einem Macbook und vielleicht noch ein bißchen Outboard-Krams. Und was macht der da oben auf der Bühne? Lädt seine Studioprojekte nebst Automationen, drückt "Play", und dann zappelt und springt er rum, heizt das Publikum an, hat seine Hände aber nicht mal in der Nähe irgendwelcher technischen Geräte, wo er sie haben müßte, wenn das auch nur annähernd live wär. Das nächste Mal seine Pfoten am Klapprechner hat er, wenn er den nächsten Song lädt, startet und überblendet.
Die breite Masse feiert ihn nach allen Regeln der Kunst und ist sogar happy darüber, daß es klingt wie vom Album/von der EP/von der Maxi (abzüglich Mastering vielleicht, aber auch nur vielleicht). Die einzigen, die mißtrauisch werden, machen selbst elektronische Musik.
Leider gibt's sogar ziemlich große Namen, die das machen. Das einzige, was "live" ist, ist, daß die Fritzen persönlich anwesend sind, und vielleicht noch, daß sie nicht einfach ihre fix und fertigen Releases als MP3 abspielen. Kraftwerk wären jedenfalls mehr live, wenn sie 4 Laptops aufstellen ließen und dann die darauf installierten Softwareinstrumente aus einem Hotelzimmer in Düsseldorf fernsteuerten.
Martman