Ist der Reim unmodern?

  • Ersteller DarkStar679
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Toller Text, entscheidend für den Erfolg des Stückes, obwohl kaum Inhalt.
Da jetzt schon mehrfach von „kaum Inhalt“ die Rede war: was genau kennzeichnet einen“ tollen Text mit wenig Inhalt? Oder, noch etwas anders formuliert: Was versteht ihr unter einem “ guten Song-Inhalt“?
 
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Na, ich weiß ja nicht, ob das jetzt so der Krone der Schöpfung angemessene „Texte“ sind……….
 
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Irgendwie läuft dieser Thread in eine total absurde Richtung. @DarkStar679 stellt allen Ernstes die Frage
aber ob ein songtext für erfolg oder misserfolg eines songs extrem ausschlag gebend ist?
und führt als Beleg zwei Nischen-Gaga-Texte an.

Es gibt doch tausende Songs, deren Texte von Millionen Menschen mitgesungen, geliebt, auswendig gelernt, in Liebesbriefe geschrieben, an Wände gesprüht werden etc, weil die Texte die Zuhörer fröhlich oder traurig oder wütend oder nachdenklich oder was auch immer machen.

Um nur ein einziges Beispiel aufzuführen, "Yesterday" wäre sicherlich nicht erfolgreich geworden, wenn Paul McCartney es mit seiner ursprünglichen Inspiration als "Scrambled eggs" fertiggestellt hätte.
 
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Ich bin ziemlich überrascht, wie hier sowohl beiläufig wie umfassend Texten "Inhaltsleere" attestiert wird. Das ist sowohl eine Verkürzung von "Inhalt", der beileibe nicht dem entsprechen muss, was zwischen Schulbuchseiten oder in der Hochkultur platziert wird, als auch eine Verkürzung des Kontextes, der zum Inhalt eines Textes dazugehört, wobei wir beim Begriff Kultur und Code wären.

Es sollte mittlerweile angekommen sein, dass Redewendungen wie das im Blues verwendete "dust my broom" eben nicht (nur) sprichwörtlich zu nehmen bzw. zu verstehen sind - das heißt, zusätzlich zu ihrer offensichtlichen, oben liegenden und jedem verständlichen Bedeutung liegen andere Bedeutungen vor, zumindest aber eine, die nicht von allen verstanden wird. Das letztere kann man mit dem Begriff kulturelle Codes beschreiben. Jede Jugendsprache ist beispielsweise ein kultureller Code und soll bewußt die Erwachsenen von der Kommunikation ausschließen.

Wenn die Ausgeschlossenen nun Texte dieser Art als "inhaltsleer" bezeichnen, geben sie in erster Linie nur zu erkennen, dass sie nichts verstanden haben. Daher sollte man zunächst mal ein bißchen inne halten, bevor man zu solchen Etikettierungen wie "inhaltsleer" greift. DADA-Texte beispielsweise erschließen sich nicht dem offensichtlichen Textverständnis, ja torpedieren es geradezu. Und genau darin liegt ihr Sinn. Beat- oder psychodelische Texte, viele RAP- und HipHop und POP-Texte und - Überraschung: viele Volkslieder - funktionieren ebenso. Und nichts ist dabei so beständig wie die Verknüpfung von oberflächlichem Inhalt und sexueller Bedeutung - wie beim oben Genannten "dust my broom". Das von John Lennon und den Beatles verwendete "Baby, you can drive my car" ist übrigens ebenfalls doppeldeutig und hat eine ähnliche Bedeutung.

Wenn wir uns beide genannten Texte darauf hin anschauen, entdecken wir Ähnliches.
Die Musik zu "Grüzi wohl, Frau Stirnima" stammt aus dem Engardin, einer Gegend in der Schweiz, deren Volksmusik ab 1850 einen Aufschwung nahm und in der Emigration und saisonale Gastarbeit üblich war - man kennt sowas als Erntehelfer etc. Irgendwann kommen diese jungen Burschen dann zurück, nach harter Arbeit, aber die Taschen voller Geld und wollen natürlich einiges nachholen.
Da laufen sie dann durch die Dörfer und erkundigen sich bei dem weiblichen Geschlecht, wie es denn so geht und steht und wie die Laune ist. Das kann man natürlich als ganz normale Konversation betrachten und das, was darunter liegt - nämlich das Anknüpfen ganz anderer Beziehungen und den Austausch ganz anderer Art als von Worten - ignorieren und den Text als inhaltsleer abtun. Man kann es aber auch anders sehen - und genau so ist der Text und der Song auch verstanden worden: als überschäumendes Leben, das sich auf allen Ebenen Bahnen bricht. Ein Beleg dafür ist übrigens das offizielle Cover der Single, die vom Oktober 1969 stammt und von einer Band neu aufgenommen und gespielt wurde und kurz danach, in den 70er Jahren, schnell überregionale Bedeutung erlangt.
Hier ein link zum Cover: cover
Und hier ein Link zu einem Artikel, vorwiegend über die musikalischen Ursprünge: Artikel über "die heimliche Nationalhymne"

Während der obige Songtext noch mit Doppelbedeutungen arbeitet, trifft das auf den zweiten genannten Text über die Puffmama Layla nicht zu - da geht es eher um eine bewußte Tabu-Brechnung, nämlich zu einer Zeit (möglichst gut abgefüllt) und einem Ort (möglichst gemeinsam und ausgelassen auf einer Tanzveranstaltung, einer Fete etc.), wo man genau das machen will: nämlich mehr oder weniger gepflegt die Sau rauslassen. Und genau das ist dann schon wie das Oktoberfest und Betriebsausflugsszenarien kompatibel mit der schönen gesellschaftlichen Ordnung, wo man auch mal anders sein darf, besonders, wenn man zur Altherrenriege gehört, die mal über die Stränge schlagen will ohne all zu sehr anzuecken. So hat es das Lied ja auch auf den CDU-Jugendparteitag gebracht, wo dieselben mal ganz mutig die Kultur verteidigt haben.

Und natürlich ist der Text keineswegs inhaltsleer, sondern bedient genau das, was er bedienen will und soll: Ausgelassen und zum Mitgröhlen einen gemeinsamen Besuch beim Puff hochleben lassen. Solche Songs und Texte gibt es, seit es Alkohol gibt und sie funktionieren alle auf die gleiche Art und Weise. Die Bandbreite ist dabei groß und fängt mit so lustigen Verwechslungen und "Ersetze in Deinem Kopf das richtige Wort" an, wie beispielsweise in der recht bekannten "Polonaise Blankenese", wo es dann heißt: "Wir ziehen los mit ganz großen Schritten / Und Erwin faßt der Heidi von hinten an die Schulter" - wo sich natürlich ansonsten der ganze Text reimt und das Hirn wie von selbst das Wort einsetzt, was sich eben auf "mit ganz großen Schritten" reimt: ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Worum es halt geht bei songtexten, ist, den ganzen Kontext mit einzubeziehen. Ansonsten läuft man in die Irre. Und landet bei so inhaltsleeren Bezeichnungen wie "Inhaltsleer", der nicht nur in die Irre führt, sondern selbst auch eine Unmöglichkeit darstellt, ebenso wie wenn man sagen würde, es handle sich um "klanglose" Musik. Jede Musik hat einen Klang und jeder Text hat einen Inhalt. Der Klang muss nicht jedem gefallen und der Inhalt muss nicht jedem auffallen - aber eins hat er nicht verdient: einfach beiseite geschoben zu werden.

Und das trifft insbesondere auf populäre Musik zu. "Don´t step on my blue suede shoes" oder "See you later, aligator" ist eben zum einen Jugendsprache - und das war zu der Zeit beim Rock n Rock genau passend und zweitens drückt es ganz einfach Lebensfreude (See you later, aligator - allgemeiner: Laß uns heute mal den Kopf vergessen) aus bzw. deutliche Abgrenzung (don´t step on my blue suede shoes - allgemeiner: Komm mir nicht zu nahe).

Und um mal auf die Ausgangsthese zurück zu kommen: Diese Texte passen ganz genau zu einem bestimmten Lebensgefühl und genau zu der Musik, die sie verkörpern und ausdrücken. Sie sind keineswegs beliebig, sondern genau so passend, wie sie sind. Keiner hat behauptet, ein Songtext müßte den Nobelpreis bekommen, um als Songtext zu funktionieren. Er ist weder "inhaltsleer" noch ein bloßes, beliebiges Beiwerk, das man durch jeden anderen beliebigen Text ersetzen könnte. Uffta, Uffta, Baby honka honka ups wiehoh funktioniert eben nicht, genau wie der Text für eine Betriebsanleitung hier nicht funktionieren würde.

x-Riff
 
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"Yesterday" wäre sicherlich nicht erfolgreich geworden, wenn Paul McCartney es mit seiner ursprünglichen Inspiration als "Scrambled eggs" fertiggestellt hätte.
Yesterday wär jetzt aber auch kein Beispiel für einen inhaltlich anspruchsvollen Text. 😜
 
Yesterday wär jetzt aber auch kein Beispiel für einen inhaltlich anspruchsvollen Text.
Spann uns doch bitte nicht weiter auf die Folter: Was ist dMn ein anspruchsvoller Text?

Ansonsten: Gerade „Yesterday“ war für mich mit seiner 7/4 Strophe für eine heftige Anregung dafür, wie man Strophen spannend abschließt. Ja richtig: ein Takt-Rhythmus ( und eine wunderbare Vorlesung von Pat Pattison) regt mich an, im ungeraden 7. Takt eine Pointe zu texten!!

Jeder hat eben ein eigenes Verständnis von Musik. Ich höre in jedem musikalischen Motiv sofort Wortgruppen. Ich frühstücke prinzipiell bei klassischer Musik und summe zu klassischen Motiven Wortgruppen. Heute morgen dachte ich über UAR nach, als Beethovens 5. Sinfonie erklang. Mein Inneres lachte verbissen; ALLE VERRÜCKT, VÖLLIG VERRÜCKT :unsure:
 
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Spann uns doch bitte nicht weiter auf die Folter: Was ist dMn ein anspruchsvoller Text?

Sorry, ich hätte das anders schreiben sollen. Die Vokabel "anspruchsvoll" führt zu Missverständnissen.

Ich denke, typischerweise wird sie als positive Zuschreibung verstanden und meint, das irgendwas viel von allem Möglichen hat (beispielsweise viel Qualität, Tiefgang, Komplexität, etc.)

Tatsächlich find ich das aber gar nicht positiv oder erstrebenswert, zumindest nicht so pauschal.
Was für mich einen guten Text ausmacht, ist irgendwas anderes Besonderes, was zur Musik passt. Eine allgemein gültige Umschreibung hab ich dafür nicht, sonst wär es ja nichts Besonderes.

Die genannten Texte ("Bycicle Race", "Yesterday", "Grüezi Wohl Frau Stirnimaa") finde ich aber alle sehr gut, quasi perfekt wie sie sind. Allerdings würde ich dafür nicht den Begriff "anspruchsvoll" verwenden.

Beispiele für "anspruchsvoller Text" anzugeben, finde ich schwer, weil so wie ich das Wort verstehe, das eben gar nichts ist, was ich suche oder was mich interessiert.

Müsste ich was angeben, beispielsweise weil ich Kandidat bei "Familienduell" bin ("wir haben 100 Personen befragt, was ein anspruchsvoller Liedtext ist..."), dann würde ich -Stand jetzt- überlegen, ob mir irgendein Art-Rock-Stück einfällt oder irgendein Monumentalstück von einem Konzept-Album, das in mindestens 10 Minuten die Geschichte von Mittelerde oder etwas ähnlichem wiedergibt.
 
Herzlichen Dank für deine Antwort!!

Ich will mal meinen Anspruch umreißen. Ich liebe Texte, die mich überraschen. Nun bin ich zwar seit vielen Jahrzehnten im Geschäft… aber alles was ich neu lerne, öffnet seinerseits wiederum unzählige unbekannte Türen. Ich bin schon gespannt, was ich auf dem Sterbebett für Neuigkeiten erfahren werde. ;)

„Balla Balla“ brachte mich zwar einst zum Lachen, aber mehr auch nicht, Heute würde ich, hätte ich die Wahl zwischen „ausgelutsch“ oder „bekloppt“, letzteres wählen. Denn ausgelutscht ist für mich noch viel bekloppter als bekloppt. ;)

Warum? - Na weil wir doch alle nichts weiter als kleine Individualisten sind, ob wir nun wollen oder nicht. Haben verrückte Menschen es denn wirklich nötig, andere Verrückte zu kopieren? :unsure: Wir wollen vernünftig erscheinen und kopieren deshalb ausgelutschte Ideen, die alle ihrerseits etwas nachplappern, um originell zu erscheinen?!? :unsure:

:hat:

P.S So wie ihr alle sicher auch, halte ich mich aber für hinreichend normal und vertraue deshalb meinen Einfällen. Checke allerdings gern, wie oft ein neuer ( höchst genialer ;)) Einfall bereits im Netz herumströmt. Das ist leider viel zu oft der Fall! Also weiter machen. Und lieber den ausgeflippten, schon als Klassiker verschrienen Rilke studieren als die angesagten Witzbolde von heute…;)

Lg @ all
 
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das ist nicht meine Sicht der Dinge..der Mensch hat einen ausgeprägten Sinn für die Erkennung von Mustern..und fühlt sich belohnt, wenn es sie entdeckt..neben phonetischen Ähnlichkeiten oder Auffälligkeiten gibt es Rhythmus-Muster und auch inhaltliche Bezüge (Genre-typisches, wie z.B. in Seemanns-, Trink-Liedern...), die es zu entdecken gilt..
Jedenfalls ist er so erzogen worden. - Und dennoch können wir in der Natur oder Großstadt sitzen und Dinge entdecken, die uns so fremd erscheinen, dass uns gerade DAS FREMDE fasziniert wie noch nie..,
..ich denk deine Erwartung greift zu kurz..abseits deiner Reim-Erwartung gibt es eine Menge zu entdecken
es lohnt sich, den ganzen Beitrag von @michaw57 zu lesen, dem ich wohl komplett zustimme. Speziell auch diesem Beispiel
gerade lief im Radio „Rocket Man“..

.,sein Texter Bernie Taupin ist ein lyrisches Genie, der Atmosphären erschaffen kann, die uns in den Bann ziehen..Elton John ist das musikalische Genie, der daraus eingängige Songs schaffen kann..schau dir an wie er aus keineswegs kongruenten Textzeilen singbare Strophenmelodien macht..

Meine Meinung zum Thema Texte würde ich gern so verdichten: Die meisten Regeln und Lehren der Poetik sind viele tausend Jahre alt. Was die alten Griechen plötzlich staunend als Regel erkannten, scheint noch heute so lebenswichtig zu sein, wie das menschliche Atmen. Ist es aber mE nicht. Wir werden nur seit Ewigkeiten von den Mächtigen zur Folgsamkeit.erzogen

Die amerikanischen Atombomben fielen vor wenigen Jahrzehnten. Es ist mE nicht zu spät,.. das „nie wieder“ ernster zu nehmen als das „alles hat seine Gesetze“ Denn diese „Gesetze“ machen Menschen wie du und ich!
 
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Stimmt! Nur leider sind sich die Wenigsten dessen bewusst………
Das glaube ich gar nicht mal… es ist die raffinierte Sprache der Politik, ihre Syntax, die diesen Fakt immer wieder geschickt in den Hintergrund verbannt!
 
Auch wenn es vielleicht ein wenig OT ist:

Ich habe kurz vor Weihnachten, als ich im Sozialkaufhaus was abgegeben habe, eine Best of Johnny Cash CD für einen EUR entdeckt. Bisher kannte ich (bis auf zwei Hits) so gut wie gar nichts von ihm. Nun läuft das Album - im Wechsel mit Opeths neuestem Werk - im Auto in Dauerschleife.

Bei den Texten muss ich immer wieder unwillkürlich an diesen Thread denken. Ich finde die Texte - auch wenn ich manchmal aufgrund meines nicht besonders tollen Schulenglisch nicht alles verstehe - meist sehr gut in bezug auf den Reim.

Bestes Beispiel: "A Boy Named Sue"
 
Es gibt ein Hammer-Gedicht ohne (viel) Reim

Die Füße im Feuer

Danach denkst du anders über Gedichte (oder hast keinen Sinn dafür, muss ja nicht jeder gut finden).
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Bei Brecht gibt es den vermiedenen Reim, damit es nicht so billig wirkt

Nimm die Pfeife aus dem Mund, du Gaul

(find ich trotzdem kacke)
 
Es gibt ein Hammer-Gedicht ohne (viel) Reim
Da fällt mir auf anhieb "Todesfuge" von Paul Celan ein. Achtung, das geht unter die Haut. Und da ist nur ein einziger Reim drin.

Was unterscheidet ein (ungereimtes) Gedicht nun von einem X-beliebigen anderen Text? Das Metrum, das ein Gedicht hat, ein anderer Text eben nicht.
 
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Es gibt ein Hammer-Gedicht ohne (viel) Reim

Die Füße im Feuer

Danach denkst du anders über Gedichte (oder hast keinen Sinn dafür, muss ja nicht jeder gut finden).
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Bei Brecht gibt es den vermiedenen Reim, damit es nicht so billig wirkt

Nimm die Pfeife aus dem Mund, du Gaul

(find ich trotzdem kacke)
Naja, erstens geißt es nicht "Gaul", zweitens wird der Reim nicht in jeder Strophe vermieden:

Du gehst jetzt weg Johnny
Sag mir den Grund
Ich liebe dich doch Johnny
Wie am ersten Tag Johnny
Nimm die Pfeife aus dem Maul du Hund
 

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