Azriel:
Das ist der Plan. Die Realität sieht meist komplett anders aus
Eigentlich nicht. Hast du mal am Fließband gearbeitet? Sämtliche Leiharbeiterfirmen vermitteln Arbeitskräfte in die Industrie als Produktionshelfer. Vor Ort eine 10 Minütige Einweisung...und dann gehts los. Um die Wartung und Einstellung der Produktionsstraßen kümmern sich Fachkräfte - aber am Fließband selbst brauchst du keine nennenswerte Kenntnisse. Wofür auch?!
Ob man die Gitarrenherstellung auch so stark automatisieren kann steht dann auf einem anderen Blatt. Keine Ahnung, was da alles geht. Allerdings halte ich es für sehr Wahrscheinlich, daß auch dort sehr viele Arbeitsschritte maschinell erledigt werden und der Produktionsschritt nur einen Hilfsarbeiter braucht, der Material nachschiebt... alleine in der Herstellung des Korpuses dürfte einiges so ablaufen.
Ansonsten ist mir in dieser Diskussion aufgefallen, daß viele Schreiber in ihrer Einschätzung nicht klar differenzieren zwischen VERARBEITUNGSqualität und der Qualität des GANZEN INSTRUMENTES. Dabei sollte das doch eigentlich klar sein, daß ein Produkt für 200 aus anderen Materialien zusammen gestellt ist wie eines für 3000...
Der anvisierte Preisbereich des Produktes hat dann ferner ebenfalls Einfluss auf die Verarbeitungsqualität. Schon alleine wegen dem Niveau der Kriterien, die erfüllt werden müssen um ein Produkt durch die interne Qualitätskontrolle zu bekommen. Und selbstverständlich ist dieses Niveau bei teureren Gitarren ungleich höher. Da ändern dann auch einzelne Ausnahmen nichts dran. Ja...jeder hat schonmal ne schlechte Gibson in der Hand gehabt - aber warum erinnern wir uns noch daran?! Weil das relativ selten vorkommt und uns dieses Montagsmodell dementsprechend enttäuscht hat. Könnt ihr euch noch an jede schlechte 100 Gitarre erinnern...?
Ob China (...) gute Gitarren bauen können? Klar können die das! Spätestens, wenn mehrere erfahrene Werksleiter aus USA dazu extra nach China gehen um dort eine solche Produktion zu organisieren! Ein befreundeter Maschinenbauer hätte letztes Jahr dazu für 1-2 Jahre nach China reisen sollen - um dort die Herstellung eines Produktes auf möglichst "deutschem" Niveau zu überwachen (allerdings keine Gitarren). Deutsches Know-how in China. Funktioniert bei Gitarren auch - warum sollte es denn bitteschön nicht?!
Aber warum gibt es denn kaum Edel-Gitarren aus Billiglohn-Ländern? Weil man sowas schlechter verkaufen kann. Amerikanische, Europäische und Japanische Gitarren haben auf dem Markt inzwischen einen guten Ruf. Und das sehr wohl zu recht - diesen Ruf haben die sich nicht mit ausgeliehenen Facharbeitern "erschummelt" - sondern da steckt inzwischen die eigene Erfahrung von Jahrzehnten drin. Das wissen auch die Kunden - und kaufen entsprechend. Selbst auf dem Gebrauchtmarkt ist das immernoch ein Fakt, den man gerne über sein angebotenes Instrument erwähnt: Made in USA/Deutschland/Japan. Und der Preis bleibt dadurch wesentlich stabiler.
Andere Länder scheitern hier schon alleine an ihrem Image. Und dies bedenken natürlich auch die Firmen. Eine Edel-Gitarre aus Indien bekomme ich ja kaum los! Jetzt mal Hand aufs Herz: wenn ihr 3000 für eine Gitarre ausgebt, dann wäre es euch doch am Liebsten zu wissen, daß sie im Christen-Himmel von Engel gebaut worden wäre, begleitet von einem Chor blonder Jungfrauen...und nicht in Transilvanien von besoffenen Pennern, die drei Versuche brauchen, bis sie mal nen Nagel auf den Kopf treffen. Deswegen baut kaum jemand teure Gitarren in Ländern mit Billig-Lohn. Wegen dem Image. Und weil es solche Gitarren kaum gibt fallen uns bei diesem Thema "gute Gitarren" eben erstmal die schicken Edel-Teile aus USA/EU/J ein.
Und was kommt nun statt dessen aus diesen Billiglohn-Ländern? Na hauptsächlich Instrumente für den "bis 1000" Markt. An der oberen Preisspitze haben wir dann auch sehr wohl hervorragende Gitarren. Aber eben hauptsächlich Einsteiger-Gitarren. Hier schließt sich dann der Kreis: weil wir "wissen", daß in den erwähnten Billiglohn-Ländern eher Gitarren für den unteren Preismarkt gebaut werden asoziieren wir diesen Produktionsstandort auch dementsprechend mit der Qualität dieser Produktpalette.
Was die ohne ausgeliehenes Fachpersonal alles könnten, beziehungsweise, was wir ihnen zutrauen - vielleicht ist das die interessantere Frage?! Naja...China und Korea haben inzwischen durchaus ebenfalls einige Produktionsorte mit viel Erfahrung. Indonesien etwas weniger, glaube ich. Der neue Trend geht glaub ich in Richtung Indien...die ohne ausgeliehene Fachkräfte wohl arge Probleme hätten. Das wäre dann auch meine persönliche "Rangliste": USA/J auf uuungefähr gleicher Augenhöhe...gefolgt von Korea...China...Indonesien. Diese Einschätzung fußt auf der Erfahrung, die ich den Produktionsstandorten dort zutraue.