Meine Erfahrungen früher (10+, eher 15 Jahre her):
Ich hatte vor ewigen Zeiten mal eine HB Strat Kopie, die echt eine ziemliche Katastrophe war. Der Korpus war so leicht, dass sie sehr kopflastig war, der Hals mehr als leicht verzogen (e konvex E konkav) und bei jeder Bewegung hat er sich bewegt/gebogen, Sitar-Sound aus dem schlecht gefeilten Sattel, der Tremolo-Block etwa Briefmarkendicke, Potis so kurz, dass sie am Pickguard kratzten, Pickups die Untschiede zwischen den Positionen nur erahnen ließen, Mechaniken, die man mit dem Tremolo bewegen konnte... Also mit einem Wort die € 30,- Flohmarktpreis nicht wert. Den Body habe ich inzwischen verschenkt, den Rest mit anderen Teilen zu einer Deko-Gitarre verarbeitet.
Nun habe ich für einen Anfänger eine linkshändige Semi-Hollow (HB-35-Plus- LH B-Stock um €200,-) als Weihnachtsgeschenk besorgt. Dass sie perfekt eingestellt war, hat mich schon etwas gewundert (Saitenlage wie eine 80er Ibanez, kein Schnarren, absolut sauber intoniert). Ich habs aber auf die Retour-Überpfügung geschoben.
Makellose Verarbeitung, ob die Deckenfurnier nun als AA, AAA oder AAAA druchgeht, will ich nicht beurteilen, auf jeden Fall schimmert eine elegante Riegelung durch den perfekten roten Farblack, hübsches mehrlagiges Binding am Koprus oben und ein einfaches unten, sowie am Hals.
Die Elektrik ist auch sehr ordentlich, sogar die Potis sind Linkshänder, keine verkehrt verdrahteten Rechtshänder. Der Umschalter macht Geräuschlos seine Arbeit.
Der Hals ist kein Prügel aber sehr steif, schnurgerade und gut zu spielen, wohl ein modernes D, das Griffbrett sehr ordentlich und hübsch mit angenehmem Radius, die Bünde gut verarbeitet, sie ragen nicht über das Binding und sind poliert. Sogar die Mechaniken sind brauchbar. Sind zwar 08/15 Fernost, aber alle 6 griffig und stabil. TOM und Tailpiece sehen aus wie Tone-Pros bei den Corts. Also mit Schlitz von oben einfach zu justieren.
Zur Bespielbarkeit kann ich selber nicht viel sagen, da ich rechtshänder bin, aber nach 3 Stunden klappen beim Ü30 Anfänger schon die meisten Griffe und Einzeltöne stehen sauber über alle Oktaven. Also kanns nicht schlecht sein.
Ach ja: klingen tut sie trocken gut (zum Üben wird sie nur trocken gespielt) und am Amp bei mir richtig ordentlich. Die Pickups sind nichts besonderes, aber das sollen sie bei einer ES auch nicht. Mit Tone auf 50% ist der HalsPickup auf jeden Fall richtig jazzy, voll auf, der Bridge-Pickup ein richtiger Rotzllöffel.
Also wirklich ein beeindruckendes Instrument. Ich dachte mir: "gut, was müssen dann die größeren können?" und habe mir die Ibanez AS73 und Epiphone Dot angeschaut (beide ums gut doppelte Geld), da sich in mir ein gewisser Reiz entwickelt, selbst auch mal eine Semi zu rocken. Die Epi hat dabei nichtmal ein Binding am Hals, man bleibt mit den Fingern am Bunddraht hängen - also wieder ins Regal. Die AS73 ist ansehnlicher, aber Saitenlage wie bei einer deutschen Jazzgitarre der 60er: Cello. Tom runter: Schnarren. Blick auf den Hals: Das dürfte so gewollt sein, der Hals hat einen deutlichen Winkel. Also die AGS73 in die Hand genommen, kleiner, LP Form, erinnert mich an meine Performer 200 aus '78, da passt dann alles, für nochmal über einen Hunderter mehr (hier sind wir über 500,-) und welch überraschung: Sie klingt auch wie meine Performer (die 200 hat eine auf Stege aufgeleimte Ahorndecke).
Ich werde mir wohl dann so eine HB-35+ bestellen und hoffen, dass die dann so gut ist, wie das Weihnachtsgeschenk. Wenn alle HB jetzt derartig hohe Qualität bieten, werde ich mich wohl durch das halbe Portfolio probieren. Ich war wirklich äusserst überrascht.
Meine Referenzen waren ja bisher auch nicht wirklich "upper Class". Meine beste Strat ist eine MIM (Body) /MIJ (Hals) Kombination aus den 90ern, die beste LP die Performer-200 (quasi die Gio LP der 70er), die beste Rockerin die S770. Also allesamt nichts besonderes, aber gute, zuverlässige Instrumente. Bei Ibanez merkt man in den letzten 15 Jahren ja den Rotstift auch schon recht deutlich, mit Epiphone werde ich noch immer nicht warm (hab mir eine LP classic worn gegönnt - sie ist nicht schlecht, aber kann mich nicht beeindrucken).
Auf der vielleicht zu probieren Liste stehen: ST-62 vintage (Als Wiedergutmachung für damals), SC-550 (richtig gute, komfortable Les Paul hatte ich bisher noch nie) und TE-90 (als P90 eventuell chambered - hatte in den 90er mal eine "hohle" Tele mit einem P90 am Steg, die war zwar widerlich zu spielen, aber klang verdammt gut...)
Kurzfassung des Textes von oben: Ich war/bin entsetzt, was Harley Benton da um so kleines Geld anbietet. Das Teil - vielleicht ein reiner Glücksgriff, wer weiss - ist echt einer anderen Liga entsprungen. Wenn am Zetterl € 500,- gestanden hätte, hätte ich sie zwar nie angeschaut, aber dem Instrument kauft man auch so einen Preis jederzeit ab.
Wisst ihr, wo / bei wem HB fertigen lässt?