Bei mir hat nun eine CST24(HB) TOL, um € 188,- als B-Stock Einzug gehalten. Wieder kann ich sagen: B-Stock ist super, tolle Saiten, gut eingestellt, doppelt/dreifach kontrolliert.
Die Verarbeitung ist aber tatsächlich nicht ganz so über alle Zweifel erhaben, wie sonst schon öfter erlebt. Bindings und Lackierung, Fräsungen, etc. sind teilweise "unsauber" verarbeitet. Heisst: Binding angeschliffen oder unter dem Lack verdreckt, Staubeinschlüsse an den F-Loch Graten, Lack im Bereich des Halsübergangs etwas zu dick aufgetragen und (minimal) verlaufen, Griffbrettkanten ab dem 22. Bund etwas zu stark beschliffen. Durch die F-Löcher sieht man die grobe, unverschliffene Fräsung der Decke.
Aber ok, was will man nicht noch um € 188,- ?!
Der Hals ist überraschend schlank (nicht dünn) und wohlproportioniert. C Ja, aber Slim. Nur an den Lack muss man sich erst wieder gewöhnen, wenn man längere Zeit matte oder unlackierte Hälse gespielt hat.
Die medium Bünde sind hervorragend abgerichtet und an den Kanten perfekt verrundet. Besser als bei meiner Gibson Studio, besser als bei meiner US Strat, besser als bei jeder meiner Gitarren ohne Halsbinding. Auch besser als bei der PRS SE Custom24 eines Bekannten.
Die Bundüberflächen wurden aber nach dem Abrichten wohl nicht nochmal poliert. Ob das Abrichten erst nach der Retoure geschah? Ich kann es nicht beurteilen, aber man sieht es. Der Hals ist wirlich toll zu spielen und übrigens auf die aufgezogenen Saiten perfekt eingestellt. Die Brücke ist ganz unten, was eine "gute" Saitenlage ergibt. Weiter geht von der Brücke nicht mehr. Schnarren tut nichts, Deadspots gibts auch keine.
Die Intonation mit der "Wilkinson" Brücke ist erwartungsgemäß nicht perfekt, aber absolut im Rahmen. Auch hier wieder besser als sonst wo üblich. Die PRS Brücke auf der SE C24 bietet nicht diese Genauigkeit / Flexibilität. Also auch ein weiterer absoluter Pluspunkt. Sollte sich mit anderen Saiten mal ein Problem ergeben, habe ich mir schon die TonePros Brücke angelacht...
Der Sattel dürfte ABS sein, was bei einer festen Brücke absolut ok ist, aber auch hier sind Verarbeitungsspuren sichtbar. Kratzer und Kleberreste.
Die Mechaniken sind aussergewöhnlich streng und präzise, wohl auch dem Vorbesitzer oder der Retourenjustage geschuldet.
Zum Sound: Trocken klingt sie furchteinflößend langweilig und nichtssagend. Weder rund und offen, wie eine ES noch kräftig, knackig wie eine Strat oder Thinline Tele. Man merkt aber, dass die Konstruktion dem Schwinungsverhalten sehr zu gute kommt. Für zwei F-Löcher sehr leise.
Am Amp zeigt sie dann, was sie kann. Da geht sprichwörtlich die Sonne auf, zaubert sie einem ein Grinsen ins Gesicht. Sie klingt anders als ich es erwartet hatte. Viel detaillierter, obertonreicher, offener als die HB-35+, obwohl beide die gleichen Pickups verwenden. Typische Tele oder Strat Sounds bekommt man auch mit dem Split nicht hin, aber das muss ja auch nicht sein. Die Pickups sind überraschend kräftig, bringen die Amps da schon zum sanften Zerren, wo andere Gitarren noch clean bleiben, aber das stört nicht, wenn mans weiss. Der Output liegt also etwas über PAF Niveau, der Sound, der herauskommt, "deutlich darüber", das was an Information weitergegeben wird klingt, als wären sie deutlich leiser, nur eben ohne Störgeräusche. Hier besteht in keinster Weise der Wunsch nach einem Upgrade. Gut, dass ich nicht gleich Pickups mitbestellt habe.
Aber wie klingen die Pickups nun?
Der Halspickup klingt im Grunde erwartungsgemäß runder, hat ordentlich Tiefgang, aber auch saubere Höhen und wird erst sehr spät "matschig". Die Semi-Hollow Bauweise mit einer Mischung aus Saiten- und Korpus-Sustain machen ihn perfekt für schmalzige Soli, gesplittet, clean muss ich ihn der Tage noch am Accoustic-Simulator probieren, ich denke das wird eine perfekte Basis für "Piezo-Jumbo"
Die Mittelstellung gefällt mir sehr gut. Sowohl clean, wo alles sehr offen und aufgeräumt wirkt, als auch bis zu mittlerer Verzerrung. Im High-Gain Bereich fehlt es aber an Definition.
Mittelstellung+Split kommt klanglich irgendwo zwischen 2 und 4 einer Strat nahe, aber hat immer noch mehr Fundament und nicht ganz dieses typische hohle, topfige, das eine Strat definiert.
Der Bridge Pickup ist ein Rock-Brett. Richtig viel Spaß machts, hier einfach den Zerrgrad und die Präsenz mit dem Split zu schalten. Quasi von A wie ACDC bis Z wie ZZTop. Mit sehr viel Gain (also richtig viel: mit Booster, Overdrive, EQ und Tubescreamer in den voll aufgedrehten Engl Gigmaster Zerrkanal mit MidBoost) geht da immer noch sauber die Post ab. Man kommt aber für viele Sounds nicht drum herum, am EQ etwas zu drehen, da der Sound sonst recht trocken bleibt.
Wieder für eine Überraschung gut war die Unempfindlichkeit der Gitarre auf Feedback. Ich kenns ja von den Kammern meiner alten Ibanez Performer oder von der HB35+. nix da. Die CST24 macht da keine Anstalten irgendwie früher zu pfeifen als eine Solidbody.
Sie ist viel weniger "jazzy" als ich es erwartet hatte, was nicht heisst, dass sie es nicht könnte. Man muss nur den gut arbeitenden Tone-Regler um ~1/3 zurücknehmen, dann klappt das schon.
Warum noch eine? Warum grade sowas billiges? Warum gerade die?
Die erste Frage stellt sich für die meisten nicht. Ist eben so. Zur Beantwortung der zweiten Frage muss ich sagen, dass ich lange gehadert habe mit mir, was es denn nun werden sollte. Das Budget war ja nicht wirklich ausschlaggebend, aber bei dem Preis zählt die ja einfach nicht. Wenn das kein guter Grund ist. Aber warum gerade die?
Ich hatte ja u.a. die neue Ibanez Artist (AR520HFM-VLS) am Radar, die Classic Vibe Starcaster, die PRS SE Hollow Piezo oder die Schecter C1 Retro. Nebenbei war ich auf der Suche nach einem neuen Hals für ein Ibanez/Parstcaster Bastelprojekt und bin auf chinesische JEM Hälse gekommen... Naja - und wenn dann so eine Gitarre, komplett und neuwertig mit Garantie um den gleichen Preis zu haben ist, wie ein roher noch nichtmal bundierter Hals (wobei ich davon ausgehe, dass es die gleichen Griffbretter sein werden), dann fällt Entscheidung nicht mehr so schwer.
Wenn man von den eingangs beschriebenen optischen Mängeln einmal absieht (die keineswegs auf mehr als 30cm ersichtlich sind), kann ich nur wiedermal sagen, dass es echt ein Wahnsinn ist, was man da bekommt fürs Geld. Schon die 248,- sind ja nun eigentlich nichts. Aber nochmal € 60,- weniger haben mir keine andere Wahl gelassen, als es zu probieren. Von der Bespielbarkeit und dem Sound her ist sie ganz klar im vierfachen Preisbereich angesiedelt. Von den "relevanten" Verabeitungspunkten (Hals, Bünde, Sattel, Brücke, Elektrik und Mechaniken) würde ich sogar sagen, dass HB hier so manchen nochmal teureren Markennamen alt aussehen lässt (wie erwähnt, die Verarbeitung der Bundenden ist VIEL besser als bei meiner Gibson LP Studio und Saitenlage und Intonation sind in Summer VIEL besser als bei einer PRS SE).
Worauf es gespannt zu sein gilt: Wie sie in 15-20 Jahren beisammen ist (Hals, Griffbrett, Bünde, etc.), wie sie dann aussieht (verblassen der Farbe), ob sie dann noch immer begeistern kann.
Auf jeden Fall bereue ich den Kauf nicht