Warum sollte das bei Amps anders sein?
Warum laufen heute noch jede Menge Fenders (beispielsweise) von 1948 und der "Golden Era", und sind heiß begehrt? Bei den alten Teilen ist so wenig drin, dass da nicht viel kaputt gehen kann. Und die Bauteile sind von einer hohen und oft überdimensionierten Qualität, dass man eigentlich außer vielleicht mal einem Elko oder einer Röhre in der Regel nix machen muss (und falls doch, dann geht es eben). Und klar, Vintage ist bei Gitarristen immer toll, natürlich klingen die besser als heute.
Es ist ein bisschen so wie bei Autos: Viele beschweren sich, dass man "heute ja nix mehr selbst machen kann bei der ganzen Elektronik da drin". Andererseits haben immer schon ganz ganz wenige am Auto selbst geschraubt und sich an irgendwas gewagt was mehr als Reifen- oder Oel-wechsel ist. Trotzdem schimpfen alle über "zu viel Elektronik"... andererseits will keiner mehr ohne Automatik, elektrische Fensterheber, Servolenkung und Einparkhilfe. Mal abgesehen von ein paar Oldtimerfans.
Bei Amps genau so ... so wurden in der "guten alten Zeit" eben Amps gebaut, und nur deshalb ist das richtig so! Das ist wie bei den "richtigen" Tonkondesatoren in der E-Gitarre, dem "richtigen" Gewicht einer Les Paul, dem "besten" Holz für eine Strat oder Tele, oder dem "richtigen" Chip im Tubescreamer.
Ich stehe da wirklich in der Mitte - auch ich erliege dem Charme der einfachen und "guten" alten Sachen gerne, ein bisschen Nostalgie ist fein und dafür schäme ich mich nicht. Und eines ist ganz anders: Wo ein Smartphone sich heute konstant weiterentwickelt, sind gute puristische Röhren-amps heute zum Großteil noch quasi genau so aufgebaut (technisch gesehen) wie die ganz alten. Hier geht es nicht um Weiterentwicklung und modernen Sound, hier geht es um "ich will so geil klingen wie meine alten Vorbilder ... bzw. wie die neuen Vorbilder, die aber auch alte Amps spielen". Und da kann man dann auch gleich was "richtig altes" kaufen als irgendein Reissue oder ein für teures Geld nachgebauter.
Ich bin ein riesige Freund von kleinen "Champ"-style Verstärkern. Mehr "brauche" ich wirklich nicht, und die Teile klingen halt irgendwie immer gut. 5 Watt oder so, Speaker zwischen 8 und 12 Zoll, aufreißen, direkt in den Amp, und es kann losgehen. Das wird noch eine ganze Weile seinen Charme behalten.
Fender Tweed Deluxe: $136.50 im Jahre 1960 (zum Vergleich: ein durchschnittliches Auto kostet $2750 im Jahre 1960)
Das durchschnittliche US-Haushaltseinkommen lag bei $5600 - ein Auto hat also knapp die Hälfte, ein Tweed Deluxe "nur" 2.4% des Haushaltseinkommens verschlungen.
Im Jahre 2019 wären das (Inflation und so) rund $1200 für den Champ und $24000 für das Auto.
Tatsächlich liegt das US-Haushaltseinkommen heute (2018/19) bei $61822, ein Durchschnitts-Auto kostet $36000, und ein Fender Blues Junior (hat auch 15 Watt, daher der Vergleich zum Deluxe) kostet $729. Damit ist das Auto bei deutlich mehr als der Hälfte des Haushaltseinkommens, und der Amp bei "nur noch" 1.2%. Klar, man kriegt jetzt was Anderes für sein Geld als damals vor fast 60 Jahren, daher hinkt so ein Vergleich immer, aber gerade bei Elektrik/Elektronik haben moderne Fertigungsmethoden und viel Konkurrenz schon zu einer besseren Preisgestaltung aus Kundensicht geführt.
Und na klar, ein Tweed Deluxe von 1960 kostet heute mehrere tausend $/€ ... ein Oldtimer halt.