FretboardJunkie
Helpful & Friendly User
Tach!
Na, dann wil ich mal hier herumsenfen
Ich denke, dass ich Pepe (Moin, Recke! ) und sweet nuthin wohl am nächsten stehe. Was mir zur Zeit fehlt, ist eine bestimmte Art Experimentelles, die (naturgemäß) abseits vom Kopistentum steht und nicht nur in eine Richtung die Beschränkungen aufhebt und Grenzen weiter treibt, sondern in sich selbst neue Strukturen sucht und auch findet. Wenn man sich die Heroes der Metalszene ansieht (und ich habe auch eine Metal-Vergangenheit), dann besteht das Ziel offenbar vor allem darin, die Ausführung von Fingergymnastik bei 700 bpm möglichst perfekt abrufen zu können. Ich höre kaum etwas, das mich anmacht. Oft höre ich Dinge, die mich erstaunen, aber wirklich interessant und "neu" ist lediglich der sportliche Aspekt.
Dass Musik eine ziemlich komplexe und vielschichtige Angelegenheit ist, die dazu dienen kann Emotionen einerseits in kanalisierter Form seitens eines Musikers auszuleben, und andererseits zudem eine Sender-Empfängerqualität besitzt, so dass eine Kommunikation zu einem Hörer aufgebaut werden kann, findet in vielen Metalstücken, die ich so höre, einfach nicht statt. Und wenn, dann meist überraschungslos, so dass die einzige Option, etwas Neues zu schaffen oder eben Grenzen zu sprengen darin besteht, Gitarren gegen Bässe einzutauschen und die in Drop-E-Tuning zu rectifieren... Sänger dann bitte zwischen Grunzen und Falsett, und live bitte eine Jungfer aus dem Publikum schlachten. Für die Presse. (Passiert eh nie, weil Mädels Eindimensionales von Natur aus meiden )
Lässt sich aber nicht allein auf Metal anwenden, auch in anderen populären Musikrichtungen höre ich irgendwie überall das Ende der Fahnenstange. Lady Gaga? Ich dachte oft, dass Madonna wieder eine neue Nummer rausgehauen hat. New Country? Jazz? Blues? Alle scheinen sich darauf beschränken zu wollen, bereits von anderen hörbar Gemachtes wiederkäuen zu wollen. Allerdings dann in perfekter Form. Pop? Klingt genauso zusammengeschnippelt wie es heutzutage leicht gemacht ist, etwas im Sequencer zusammenzuschnippeln.
Ich hatte heute noch das Thema "Manierismus" in einer Unterhaltung (In meiner Muckibude .. wo sonst, kann man sich heutzutage noch anderswo frei intellektuell ausbreiten als in einer intellektfreien Umgebung?). Manierismus kann man wunderschön betrachten, wenn man mal in Salzburg war. Dort gibt es Vitrinen, die exakt dieser Kunstrichtung zuzuordnen sind, die sie begründet haben. Das höchste Ziel, also neudeutsch das Primat, ist die Ausführung an sich. Perfekte Perspektive, perfekter Ausdruck, perfekte Farbwahl, jede Verletzung der formalen Integrität führt zur Abwertung. Bloß: Wie definiert man "perfekt" in diesem Zusammenhang? Ganz einfach: Es gibt eine Formal-Schablone, die einzuhalten ist. Nun den Bogen zum Begriff "amtlicher Sound", "amtliches Spiel". Na, dämmert's? Wenn nicht, dann wird Amtlichkeit das höchste Ziel bleiben müssen Ist ja nicht schlimm, schließlich gibt es auch dafür ein Publikum (das, so meine Erfahrung auch gar nicht berührt werden will. Oder, schlimmer noch, "kann" ) "Die Verletzung der formalen Integrität führt zur Abwertung". Das bedeutet, dass nicht die Wirkung auf mich in meiner Bewertung des Werks führt, sondern mein Wissen über die Formalismen. Das klappt auch ganz hervorragend, ohne dass ich mich auf ein Werk einlassen muss. Denn: Gelernt ist gelernt, Gelernt geht schnell, weil man die Anstrengung an sich, nämlich das Lernen, schon hinter sich gebracht hat. Zumindest in meiner Generation mit meiner google-freien Kindheit und Jugend ("Gelernt ist gelernt" kann übrigens auch gut antäuschen.. aber das würde jetzt echt zu weit führen)
Worauf will ich eigentlich hinaus? Der entscheidende Unterschied zwischen Künstler/Erschaffer und Hörer/Konsument/Kopist ist, dass der Schaffende schon vorher weiß, wie sich ein Werk manifestieren wird (nun gut.. Quast-An-Die-Leinwand-Werfer einmal ausgenommen.. und Musiker, die erst am nächsten Tag erfassen, was sie da eigentlich verbrochen haben, ebenfalls ), sofern er in der Lage ist, etwas, das seinem inneren Bild entspricht, auch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln umzusetzen. Ich würde es erstmal dahin gestellt lassen, ob das, was er sieht, hört oder als seine innere Stimme empfindet, auch nur ein Kumulat oder Querschnitt aus vielen extrinsischen Erfahrungen ist. Das würde eh in eine Huhn-oder-Ei-Diskussion münden. Insofern sehe und verstehe ich Jack White als Künstler, denn immerhin hat er es gewagt, nur mit Gitarre und seiner Schwester an den Drums seinen bzw. ihren Ideen Ausdruck in Form von Musik zu verleihen und allein schon damit geltende Formalregeln verletzt zu haben. Dass gerade diese Verletzung zu einem kommerziellen Erfolg führen konnte, nun gut, das würde ich mit einer von-innen-nach-außen Marketingstrategie erklären: Erst die Avantgarde, dann die, die sich dafür hält und abschließend das Massenpublikum. Überhaupt ist es oft so, dass neue Strömungen vor allem zunächst in studentischen Kreisen zu finden sind. Liegt vielleicht ja zu einem guten Teil daran, dass es dort seit jeher nicht nur einen Wunsch nach Erneuerung, sondern in Kürze auch eine Menge Kohle abzuzwacken gibt: Schließlich wechseln viele einige Zeit später in gute Jobs
Als Musiker stehe ich auf dem Standpunkt, dass das Schneller-Höher-Weiter auch seine Berechtigung hat. Aber getrennt von Kunst, Musik und neu zu Erschaffendem. Es ist eine Vorstufe dazu, es sind die Mittel und Werkzeuge, um etwas zu machen, das die Qualität von Kommunikation hat und das sich im Umfeld von Rhythmen, Melodien, Harmonien, Klängen usw. bewegt bzw. sich ihrer bedient. Üben ist etwas anderes als Musikmachen. Auch Muris Varacic, den Outi hier einführte, ist in meinen Augen vor allem ein verflixt guter Player und ein guter Lehrer bzw. Etüdenschreiber. Aber ich habe ihn noch nicht als Künstler gesehen oder gehört.
Wenn ich auf Live-Konzerten oder Aufführungen jenseits des Mainstreams bin, z.B. bei Gigs, bei Flamenco-Events, oder auch Tanztheater, Jazz Sessions oder was-weiß-ich, dann stelle ich oftmals fest, dass selbst Leute, die eher nicht zu diesen Events gehen, sondern eher eine Konsumentenhaltung leben, irgendwie von dem, was da passiert, wenn es denn passiert und wenn es zutiefst menschlich ist, fasziniert sind und noch lange davon erzählen. Was diesen Erfahrungen total abgeht, ist die Wiederholbarkeit: Beim nächsten Mal ist es plötzlich anders und niemand weiß, warum (außer vielleicht der Künstler, der gerade mit seiner Diarrhoe kämpft). Und das macht es kommerziell schwer zu verwerten. Nun, da unser aller Umfeld momentan vor allem BWL-getrieben zu sein scheint (ich las heute im Spiegel ein Essay über das Primat der Finanzbranche über die Politik), gehorchen die Massenmedien exakt diesen Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet im komplementär: Wenn man Neues sehen will, dann sind gerade die nicht-kommerziellen Nischenmedien ein idealer Nährboden. Siehe Youtube (zumindest, solange der dort einzufahrende Gewinn noch nicht optimiert werden muss, um Shareholder bei Laune zu halten)
Eddie van Halen wurde ja schon genannt. Was ihn meiner Meinung nach auszeichnete, war ein unglaublicher Drive in seinem Spiel, zumindest in den frühen Jahren. Und: Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht in einer 15-Minuten-Session ein paar Licks herausgehauen hätte, die dann auf dem erfolgreichstem Album aller Zeiten veröffentlicht worden wären, und jede Menge Airplay bekommen hätten? Vielleicht wäre er längst schon vergessen.
So. Nun noch etwas Musik, von dem ich denke, dass es schwer ist, noch mehr Tiefe und Ausdruck in noch weniger Noten zu fassen. Buckethead, seines Zeichens Guitar Hero
Grüße Thomas
Na, dann wil ich mal hier herumsenfen
Ich denke, dass ich Pepe (Moin, Recke! ) und sweet nuthin wohl am nächsten stehe. Was mir zur Zeit fehlt, ist eine bestimmte Art Experimentelles, die (naturgemäß) abseits vom Kopistentum steht und nicht nur in eine Richtung die Beschränkungen aufhebt und Grenzen weiter treibt, sondern in sich selbst neue Strukturen sucht und auch findet. Wenn man sich die Heroes der Metalszene ansieht (und ich habe auch eine Metal-Vergangenheit), dann besteht das Ziel offenbar vor allem darin, die Ausführung von Fingergymnastik bei 700 bpm möglichst perfekt abrufen zu können. Ich höre kaum etwas, das mich anmacht. Oft höre ich Dinge, die mich erstaunen, aber wirklich interessant und "neu" ist lediglich der sportliche Aspekt.
Dass Musik eine ziemlich komplexe und vielschichtige Angelegenheit ist, die dazu dienen kann Emotionen einerseits in kanalisierter Form seitens eines Musikers auszuleben, und andererseits zudem eine Sender-Empfängerqualität besitzt, so dass eine Kommunikation zu einem Hörer aufgebaut werden kann, findet in vielen Metalstücken, die ich so höre, einfach nicht statt. Und wenn, dann meist überraschungslos, so dass die einzige Option, etwas Neues zu schaffen oder eben Grenzen zu sprengen darin besteht, Gitarren gegen Bässe einzutauschen und die in Drop-E-Tuning zu rectifieren... Sänger dann bitte zwischen Grunzen und Falsett, und live bitte eine Jungfer aus dem Publikum schlachten. Für die Presse. (Passiert eh nie, weil Mädels Eindimensionales von Natur aus meiden )
Lässt sich aber nicht allein auf Metal anwenden, auch in anderen populären Musikrichtungen höre ich irgendwie überall das Ende der Fahnenstange. Lady Gaga? Ich dachte oft, dass Madonna wieder eine neue Nummer rausgehauen hat. New Country? Jazz? Blues? Alle scheinen sich darauf beschränken zu wollen, bereits von anderen hörbar Gemachtes wiederkäuen zu wollen. Allerdings dann in perfekter Form. Pop? Klingt genauso zusammengeschnippelt wie es heutzutage leicht gemacht ist, etwas im Sequencer zusammenzuschnippeln.
Ich hatte heute noch das Thema "Manierismus" in einer Unterhaltung (In meiner Muckibude .. wo sonst, kann man sich heutzutage noch anderswo frei intellektuell ausbreiten als in einer intellektfreien Umgebung?). Manierismus kann man wunderschön betrachten, wenn man mal in Salzburg war. Dort gibt es Vitrinen, die exakt dieser Kunstrichtung zuzuordnen sind, die sie begründet haben. Das höchste Ziel, also neudeutsch das Primat, ist die Ausführung an sich. Perfekte Perspektive, perfekter Ausdruck, perfekte Farbwahl, jede Verletzung der formalen Integrität führt zur Abwertung. Bloß: Wie definiert man "perfekt" in diesem Zusammenhang? Ganz einfach: Es gibt eine Formal-Schablone, die einzuhalten ist. Nun den Bogen zum Begriff "amtlicher Sound", "amtliches Spiel". Na, dämmert's? Wenn nicht, dann wird Amtlichkeit das höchste Ziel bleiben müssen Ist ja nicht schlimm, schließlich gibt es auch dafür ein Publikum (das, so meine Erfahrung auch gar nicht berührt werden will. Oder, schlimmer noch, "kann" ) "Die Verletzung der formalen Integrität führt zur Abwertung". Das bedeutet, dass nicht die Wirkung auf mich in meiner Bewertung des Werks führt, sondern mein Wissen über die Formalismen. Das klappt auch ganz hervorragend, ohne dass ich mich auf ein Werk einlassen muss. Denn: Gelernt ist gelernt, Gelernt geht schnell, weil man die Anstrengung an sich, nämlich das Lernen, schon hinter sich gebracht hat. Zumindest in meiner Generation mit meiner google-freien Kindheit und Jugend ("Gelernt ist gelernt" kann übrigens auch gut antäuschen.. aber das würde jetzt echt zu weit führen)
Worauf will ich eigentlich hinaus? Der entscheidende Unterschied zwischen Künstler/Erschaffer und Hörer/Konsument/Kopist ist, dass der Schaffende schon vorher weiß, wie sich ein Werk manifestieren wird (nun gut.. Quast-An-Die-Leinwand-Werfer einmal ausgenommen.. und Musiker, die erst am nächsten Tag erfassen, was sie da eigentlich verbrochen haben, ebenfalls ), sofern er in der Lage ist, etwas, das seinem inneren Bild entspricht, auch mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln umzusetzen. Ich würde es erstmal dahin gestellt lassen, ob das, was er sieht, hört oder als seine innere Stimme empfindet, auch nur ein Kumulat oder Querschnitt aus vielen extrinsischen Erfahrungen ist. Das würde eh in eine Huhn-oder-Ei-Diskussion münden. Insofern sehe und verstehe ich Jack White als Künstler, denn immerhin hat er es gewagt, nur mit Gitarre und seiner Schwester an den Drums seinen bzw. ihren Ideen Ausdruck in Form von Musik zu verleihen und allein schon damit geltende Formalregeln verletzt zu haben. Dass gerade diese Verletzung zu einem kommerziellen Erfolg führen konnte, nun gut, das würde ich mit einer von-innen-nach-außen Marketingstrategie erklären: Erst die Avantgarde, dann die, die sich dafür hält und abschließend das Massenpublikum. Überhaupt ist es oft so, dass neue Strömungen vor allem zunächst in studentischen Kreisen zu finden sind. Liegt vielleicht ja zu einem guten Teil daran, dass es dort seit jeher nicht nur einen Wunsch nach Erneuerung, sondern in Kürze auch eine Menge Kohle abzuzwacken gibt: Schließlich wechseln viele einige Zeit später in gute Jobs
Als Musiker stehe ich auf dem Standpunkt, dass das Schneller-Höher-Weiter auch seine Berechtigung hat. Aber getrennt von Kunst, Musik und neu zu Erschaffendem. Es ist eine Vorstufe dazu, es sind die Mittel und Werkzeuge, um etwas zu machen, das die Qualität von Kommunikation hat und das sich im Umfeld von Rhythmen, Melodien, Harmonien, Klängen usw. bewegt bzw. sich ihrer bedient. Üben ist etwas anderes als Musikmachen. Auch Muris Varacic, den Outi hier einführte, ist in meinen Augen vor allem ein verflixt guter Player und ein guter Lehrer bzw. Etüdenschreiber. Aber ich habe ihn noch nicht als Künstler gesehen oder gehört.
Wenn ich auf Live-Konzerten oder Aufführungen jenseits des Mainstreams bin, z.B. bei Gigs, bei Flamenco-Events, oder auch Tanztheater, Jazz Sessions oder was-weiß-ich, dann stelle ich oftmals fest, dass selbst Leute, die eher nicht zu diesen Events gehen, sondern eher eine Konsumentenhaltung leben, irgendwie von dem, was da passiert, wenn es denn passiert und wenn es zutiefst menschlich ist, fasziniert sind und noch lange davon erzählen. Was diesen Erfahrungen total abgeht, ist die Wiederholbarkeit: Beim nächsten Mal ist es plötzlich anders und niemand weiß, warum (außer vielleicht der Künstler, der gerade mit seiner Diarrhoe kämpft). Und das macht es kommerziell schwer zu verwerten. Nun, da unser aller Umfeld momentan vor allem BWL-getrieben zu sein scheint (ich las heute im Spiegel ein Essay über das Primat der Finanzbranche über die Politik), gehorchen die Massenmedien exakt diesen Gesetzmäßigkeiten. Das bedeutet im komplementär: Wenn man Neues sehen will, dann sind gerade die nicht-kommerziellen Nischenmedien ein idealer Nährboden. Siehe Youtube (zumindest, solange der dort einzufahrende Gewinn noch nicht optimiert werden muss, um Shareholder bei Laune zu halten)
Eddie van Halen wurde ja schon genannt. Was ihn meiner Meinung nach auszeichnete, war ein unglaublicher Drive in seinem Spiel, zumindest in den frühen Jahren. Und: Wer weiß, was aus ihm geworden wäre, wenn er nicht in einer 15-Minuten-Session ein paar Licks herausgehauen hätte, die dann auf dem erfolgreichstem Album aller Zeiten veröffentlicht worden wären, und jede Menge Airplay bekommen hätten? Vielleicht wäre er längst schon vergessen.
So. Nun noch etwas Musik, von dem ich denke, dass es schwer ist, noch mehr Tiefe und Ausdruck in noch weniger Noten zu fassen. Buckethead, seines Zeichens Guitar Hero
Grüße Thomas