Was immer es konkret sein wird, ich sehe das Problem, dass man oft vom wesentlichen abgelenkt wird und sich in zu vielen Details, Optionen etc. verliert. So wie es eben bei vielen anderen Dingen schon passiert. Sei es Smartphone, Computer, Internet... Der technische Fortschritt ist Segen und Fluch zugleich. [...]
Mein Vater war damals Pastor, hatte seinen ersten Windows-PC und irgendeine Publishing-Software von Microsoft. Völlig begeistert machte er sich an die Gemeindebriefe - da wurde jeder Font, den die Kiste drin hatte, gnadenlos genutzt, in jede Ecke noch ein kleines Engelchen oder erbauliches Sprüchlein geknallt, das Ergebnis nach stundenlanger Fummelei war ... entsetzlich. Aber: Nach einigen Monaten hatte er den Dreh raus und kapiert, dass weniger meist mehr ist und ein stringentes ästhetisches Konzept jede sinn- und geschmacklose Anhäufung von Schrifttypen und Clip-Arts schlägt. So verwandelte sich Fluch in Segen.
Was du beschreibst und in englischen Gitarrenforen so schön als "option paralysis" bezeichnet wird, ist eigentlich nichts anderes als
ein Armutszeugnis für Menschen, die sich ganz offensichtlich für erwachsen halten und immer noch nicht geschnallt haben, dass ein "Viel", ja, möglicherweise "Zuviel", an Informationen geradezu
das Kennzeichen dieses Zeitalters ist. Soll heißen, dass doch irgendwann mal jeder Gitarrist verstanden haben muss, dass man bei einem digitalen Modeller nicht
alles verwenden muss, was der bietet, dass man auch nicht alle IRs und Amp-Profile dieser Welt aus dem Internet absaugen muss. Oder nach dem bekannten Werbeslogan "sind sie zu stark, bist du zu schwach" ... nicht die Modeller müssen sich irgendwie ändern (es liegt in der Natur der Sache, dass eine flexible "All-in-One"-Lösung, die ein möglichst großes Publikum ansprechen möchte, viele verschiedene Optionen anbietet - das ist also kein "Problem", das irgendwie gelöst werden könnte oder müsste), sondern diejenigen, die sich für überfordert halten. Man ist entweder erwachsen und vernünftig genug, um nach einer gewissen "wilden Zeit" (die sei ja jedem gegönnt und die hatte ich auch) wieder auf den Teppich zu kommen, oder man lässt halt besser generell die Finger von allen Dingen, bei denen man sich nicht soweit im Griff hat, gewinnbringend damit umzugehen (Smartphone und Internet hast du ja auch genannt - hier gilt das Gleiche).
Übrigens ist das alles ja gar nicht soooo neu: Ich wusste schon in den 1970er Jahren, dass ich mir nicht die gesamten dicken Kataloge von "Quelle" oder "Otto" durchlesen
musste, nur weil man sie halt hatte, sondern dass es vollkommen ausreichte, sich auf das wirklich Wichtige (Damen-Unterwäsche) zu konzentrieren.