Mahlzeit die Runde,
also erstmal großen Dank für die herzliche Aufnahme und die vielen positiven Kommentare
. Dieser Thread und die Stimmung hier erinnert mich schon stark an die vielen durchquatschen Nächte in irgendwelchen verrauchten Kellerlokalen, die schon eine ganze Ecke her sind. Und das ist das größte Kompliment an euch, das mir gerade einfällt.
domnikl schrieb:
Ich weiß momentan nicht was ich machen soll, die Lust am Gitarre spielen lässt mittlerweile nach und so übe ich natürlich weniger und mache auch weniger Fortschritte.
Zwing´s nicht. Deine Gitarre ist ein lebendes Wesen und braucht auch mal eine Pause
. Im Ernst, manchmal muß man ein bißchen kürzer treten, weil irgendwas in einem Zeit braucht um zu reifen. Wenn es fertig ist, bricht es sich sowieso mit Macht eine Bahn.
Raketoped schrieb:
Wie heisst es hier so schön: Man findet diesen Thread nicht, er findet Dich!
So wird´s wohl sein. Die Dinge passieren genau dann, wenn sie passieren sollen.
So, hier wie versprochen der
2. Teil.
Der hat mich um einiges mehr Zeit beim Schreiben gekostet. Vermutlich weil der Inhalt doch zeitlich wesentlich näher liegt, wer weiss?
Ich selber stand dann auch noch ein paar Mal auf der Bühne, aber mehr, um Freunden einen Gefallen zu tun, die kurzfristig in Besetzungsnöten waren; das Feuer jedoch war erloschen. Auch das mit dem "Gefallen" ist eher relativ zu sehen, denn ohne Inspiration litt zunehmend die Performance, wie ihr euch sicher vorstellen könnt. Schließlich packte ich das Instrument ganz weg. Ich hatte auch inzwischen geheiratet und Partnerschaft, Kind, Hausbau und Beruf verlangten ihr Recht.
Ich ließ die Jahre ins Land gehen und verlor nach und nach den Kontakt zu allen Bandmitgliedern bis auf unseren anderen Gitarristen. Wir waren schon sehr lange befreundet und ich kann mich glücklich schätzen, dass diese Freundschaft bis heute überdauert hat. Während er aber weiterhin bei diversen Projekten mitmachte, hatte ich mit dem Thema vollkommen abgeschlossen: keine Auftritte mehr, keine Sessions, ich spielte nicht einmal mehr für mich selber in der stillen Kammer. Ich brauchte auch das Songschreiben nicht mehr, um mir über mich selber klar zu werden, hatte andere "Ventile" gefunden. Und vermutlich scheute ich auch dieses Gefühl der emotionalen Nacktheit, das damit oft einhergeht. Irgendwie war das gesamte Thema Musik bei mir nicht mehr positiv besetzt. Der Blick zurück erzeugte immer eine Mischung aus Enttäuschung und schlechtem Gewissen. Kanns auch nicht so genau beschreiben, als ob man Verratener und Verräter zugleich wäre
.
Außerdem hatte ich mit jedem Jahr, dass verstrich, mehr den Verdacht, dass ich mich mit einer E- Gitarre um den Hals sowieso nur zum Affen machen würde ("Rockopa"). Ab und an holte ich die Strat raus, die mir neben einem kleinen Fender Sidekick als einziges Equipment geblieben war (den Rest hatte ich nie aus dem Proberaum abgeholt und über die Jahre verliert sich die Spur von dem Zeug), ich reinigte sie und verpasste ihr frische Saiten, aber spielen wollte ich sie nicht mehr. Allerdings witziger Weise auch nicht weggeben. Sie lag da in ihrem Koffer und wartete. Lange.
Der letzte Gig war fast auf den Tag genau 15 Jahre her, als ich sie nach dem Saitenwechseln nicht mehr einfach wegpacken wollte. Keine Ahnung, was los war, ich hatte wohl einfach genug davon, meinem Sohn einfach nur von der Zeit zu erzählen, als Papa E- Gitarre gespielt hatte; ich fand irgendwie, dass ich ihm- und mir- auch den dafür Beweis schuldig war. Ich kramte den Sidekick raus, stöpselte ein und legte los…
Nein, tat ich natürlich nicht, ich vollführte genau die scheppernde Geräuschzumutung
, die nach einer solchen Abstinenz zu erwarten gewesen war ("Na eben, war ja klar, was hast du denn gedacht?"). Ab und zu blitzte zwar dazwischen ein Lick auf, das die Finger von ganz alleine gespielt hatten, das versteckte sich aber verlässlich sofort wieder, wenn ich es zu wiederholen versuchte. Alles in Allem ein programmiertes Fiasko. Zu meinem großen Glück wollte aber der Verstärker auch nicht mehr so recht: kalte Lötstelle an der Eingangsbuchse, die Pappe war wohl vom Stehen nicht besser geworden und alle Potis krachten erbärmlich. Beim Restwert, den der Trötwürfel noch hatte, war das ein glatter Totalschaden. Ich beschloss also, den Fehlstart auf den Fender zu schieben und mir eine zweite Chance zu geben. Ein Fame GTA-15 wurde bestellt ("soll ja nicht so schlecht sein, die Kiste, und sooo viel verhaut ist um den Preis auch nicht") und geliefert (man beachte in diesem Zusammenhang, dass am Anfang des Rückwegs ein G.A.S.- Anfall stand
). Und als ich den das erste Mal befeuerte, war auch der erste Schritt zurück getan: das war nämlich genau der Partner, den ich in dieser Situation brauchen konnte. Absolut gnadenlos jede Schwäche aufzeigend belohnte er gute Momente ebenso unmittelbar. So soll ein Lehrer sein. Das waren schon mal gute Voraussetzungen, aber- um ehrlich zu sein-mein Interesse an Musik war damit bestenfalls exhumiert und in die Intensivstation rücküberführt, durchgezündet hatte es noch nicht.
Dafür zu sorgen blieb meinem Freund überlassen, der mir zwar all die Jahre immer von seinen musikalischen Projekten erzählt hatte, aber niemals auch nur mit einem Wort nach meinen Ambitionen gefragt hatte. Irgendwie hatte er gespürt, dass ich da was aufarbeiten musste und dass das eben so lange dauern würde wie es dauert (ganz schöne Ausdauer, der Beste). Auch als ich ihm von meiner Neuerwerbung berichtete, zuckte er kaum mit der Wimper. Aber als er das nächste Mal auf Besuch vorbeikam, hatte er eine Gitarre unterm Arm und seinen Marshall- Combo im Schlepp. Boinnnng! Genau den Moment hatte ich vor mir hergeschoben. Beim Üben hatte ich zwar daran gedacht, mich wieder mit anderen zusammenzutun, aber später, irgendwann, wenn die Dinge wieder besser liefen (..so kannst du dich aber noch niemandem zumuten…"). Vermutlich war die Zeit reif für einen Tritt in den A****, und den erhielt ich jetzt. Er fragte noch nicht einmal, was ich spielen wollte, er legte einfach los. Erst fand ich keinen Einsatz, konnte mich an dies und das nicht mehr erinnern, war richtig blockiert. Aber als er "All along the watchtower" anspielte, merkte ich, während ich noch überlegte, wie das wohl gegangen war, dass die Finger schon mit dem Intro fertig waren. Und dann kam der Song raus, als ob einer die Käfigtüre offen gelassen hätte! Und da war sie wieder, die Unmittelbarkeit und Berührung durch die Musik. Die Interaktion. Der Groove. Das saugute Gefühl.
Damen und Herren, es geht
nichts über einen guten Freund der auch bereit ist, Gewalt anzuwenden, wenn´s nötig wird!
Seit dieser Session mache ich wieder regelmäßig Musik. Keine komplette Band und auch keine Gigs (obwohl- ausschließen will ich gar nix), aber doch immerhin Jams in wechselnder Besetzung, halbwegs regelmäßiges Üben ist angesagt und auch der eine oder andere Song ist wieder entstanden. Und das Beste: ich finde mittlerweile, dass rotzige E- Gitarren ganz genau zu Leuten meines Alters passen. Wer zum Teufel soll denn sonst die Erkenntnis tradieren, dass ein TS- Clon zwischen Paddel und Amp ausreicht, um Flugzeuge einzureißen und Häuser abstürzen zu lassen? Ach ja, und noch was: Gitarren werden "vintage", aber die zugehörigen Gitarristen werden in derselben Zeitspanne bloß "alt"? Aber nicht im Ernst, oder? *
such, jetzt wo man den screwy einmal braucht, ist er weg*
Bleibt noch die Frage, wozu die lange Zeitspanne der Abstinenz gut war. Was ist da überhaupt abgegangen? Ich schätze, ich habe einfach so lange gebraucht, um zu begreifen, dass man ein Weltbild nicht um eine (mehr oder weniger) künstlerische Tätigkeit herum aufbauen kann, sondern die Tätigkeit ins Weltbild integrieren muss. Dass unklar formulierte Erwartungen praktisch zwangsläufig zu Enttäuschungen führen. Und dass man Musik letzten Endes nur für sich selber macht. Meines Vaters Sohn ist halt einfach nicht der flinkste, gell?
"Rock,n Roll can´t save the world,
Rock´n Roll can save your life!";
Das Zitat geht mir seit einer geraumen Weile dauernd im Kopf rum, vom wem ist das denn?
LG
Chris