Zu professioneller Hilfe konnte ich mich bis jetzt ebenfalls nicht aufraffen. Es ist schwer zu erklären, aber trotz meiner unzähligen, kläglich gescheiterten Versuche, bin ich doch immerwieder der Meinung, dies alleine bewältigen zu müssen.
Ich hoffe, ich bin euch mit dieser Ausschüttung meiner Gefühle/Gedanken nicht zu nahe getreten, aber das musste einfach sein...
Hi v.Moor!
Du erkennst ja schon selbst, dass Du es angehen willst, vielleicht auch am liebsten sofort komplett einen Strich drunter ziehen möchtest.
Ich hatte eine aktive stoffliche Sucht, es gibt ja auch eine Reihe von Verhaltenssüchten, aber eines ist allen gemeinsam: sie enden im Zusammenbruch! Und letztendlich in der Frage: will ich leben, oder krepieren?
Ich wünsche Dir viel Mut und Kraft, denn ein Umdenken und Handeln wird Dir Deine ganze Kraft abverlangen, was aber auch gleichzeitig die allerbeste Investition ist für Deine cleane und freie, angemessene Zukunft (von was für eine Art von Sucht wir hier sprechen, ist völlig sekundär), auf die Du ein natürliches Recht hast. Du MUSST dann auch beginnen dieses Recht "einzufordern", statt Dich weiterhin zum Knecht der Umstände zu machen und alles mit Dir geschehen zu lassen. Also aktiv werden.
Das wird nicht ohne Schmerzen gehen, vielleicht auch nicht gleich greifen, aber es kann und wird funktionieren, wie und in welchem Maße hängt von Dir ab. Du hattest Dich mal dafür entschieden und Du kannst Dich auch dagegen entscheiden.
Das geht auch nicht von heute auf morgen, das weißte ja längst selbst und erkennst auch die Illusion Deines Selbstbetrugs.
Was mir letztendlich wirklich geholfen hat, ist zu begreifen, dass man nicht allein ist! Zu sehen und zu erfahren, dass das alles nix mit Schuld zu tun hat, das Vorwürfe völlig fehl am Platze sind, mit anderen Betroffenen zusammenzukommen und Hilfe zu erfahren, die es definitiv für Jeden und jede Art von Süchten gibt. Erst mit anderen Betroffenen wird der offene Umgang mit ihrer und Deiner Problematik fruchtbar möglich. Ein Nichtsüchtiger wird nie begreifen, was mit Dir los ist und warum Du gutgemeinte Ratschläge von ihnen nicht annehmen zu können scheinst.
Platt gesagt: für einen Süchtigen ist "drauf sein" erstmal normal, "clean zu sein" eher unnormal (wohl noch verschwommen in der Erinnerung präsent).
Bei Nichtsüchtigen ist das bekanntlich andersrum ..... !
Die sind da einfach ambitioniert ratlos, denn die "Fachleute" in Sachen Sucht sind wir!
Was Dir vielleicht im Moment helfen könnte (und es sind teilweise Babyschrittchen, die Du zu machen hast und die Dir wie Berge vorkommen; alles Step by Step halt), ist:
Jeder Konzession an die Sucht, jeder Rückfall, jedem vermeintlichen Scheitern, ect. geht eine aktive Entscheidung Deinerseits voraus, die Du im Moment vermutlich nicht spüren kannst, weil Du diese kranke Eigenynamik der Sucht, die Dich zu 100% beherrscht noch nicht durchdringen, oder überhaupt darüber nachdenken konntest. (Naja, gesund denken kannste dich eh nicht!).
Sucht ist wie ein geschlossener Raum aus Beton, in dem Du gefangen bist und den es zu durchbrechen gilt!
Aber alleine wird das schwer, ohne Beistand , ohne Werkzeuge, ... obwohl es auch dieses Phänomen gibt: dass Leute nach jahrelangem Exzess, Dauerrausch und einer Egozentrick, die viel zu lange all die ureigensten Facetten ihrer wertvollen Persönlichkeit vereinnahmte und überdeckte, überhaupt keine rationale (vorallem realitische) Selbsteinschätzung mehr zuließ und andere über alle Maßen vereinnehmen und verletzen ließ, meist so zwischen 30 und 40 Lebensjahren einfach so aufhören! Verlaß Dich nicht drauf, dass auch Dir das geschieht.
Zumal ich annehme, das dieses Phänomen viel mit selbstverliebter Suchtverlagerung zu tun hat und mit zusammenbrechen kann, wenn die Ursache ihrer Verhaltensänderung mal wegfällt, z.B. duch Scheidung, Schulden, Arbeitslosigkeit, was auch immer ........ wäre logisch!
Das ist aber zu theoretisch für ein praktisches Problem! Nur Du bist für Dich verantwortlich, Du bist der Chef im Ring und triffst die Entscheidungen für Dein Leben selbst - nicht die Sucht, wie Du wohl noch glaubst.
Heute kannst Du beginnen Dein Leben zu verändern, denn Heute ist das Morgen, von dem Du gestern noch träumtest, dass endlich alles besser werden würde.
Vielleicht träumst Du Heute abend wieder in dieser Art von Morgen und vielleicht macht das *klick* bei Dir und Du holst Dir Hilfe! Das ist keine Schwäche, das ist eine verdammte Stärke, die Nichtsüchtige überhaupt nicht nachvollziehen können. Sie werden nur denken: endlich ist er in Behandlung, da wird er gesund gemacht! Nein, das alles tust Du! Wenn Du da aktiv an Dir mit Hilfe anderer arbeitest und vieles Verschüttete von Dir erfährst, wird sich entsprechend massiv auch was verändern.
So ist die Krankheit Sucht immer auch eine Krankheit derer, die sie aktiv mit Dir gelebt haben (meist Nichtsüchtige, Eltern, Partner, ect. auch Kumpane, ist ja klar!) - eine Familienkrankheit! Sowas kann als Erwachsener rasch aufgearbeitet werden.
Dein Weg könnte zunächst heißen: stationäre Entgiftung, stationäre Entwöhnung und Nachsorge in einer Wohngemeinschaft. Und für alles gibt es schöne Plätze in ganz Deutschland möglichst weit weg von Deinen Alltagssorgen. Mal was anderes erleben ....! Wieder lachen können, sich frei entfalten und Interessen von Dir ausleben, die Du vielleicht noch nicht mal kennst ......
Garantien gibt Dir keiner, das Gequarke über schlechte Prognosen, pipapo ..... das sind Statisken. Ich habe es solange probiert bis es gefunzt hat. Natürlich kippen Süchtige oft bis ganz um - das ist die Natur der Krankheit!
Anfangs hilft dann auf vielleicht wackligen Beinen "back to böse, böse reality" die ersten Schritte mit Hilfe einer Selbsthilfegruppe zu machen. Da hat es bei mir nach ca. 30-40 Entgiftungen endlich *klick* gemacht. Wichtig ist nicht, was andere denken, scher Dich nicht drum, haste eh keinen Einfluss drauf! Du wirst dann schon erkannt haben zu tun, was DIR hilft und Dich auffängt und DIR guttut. Ich habe das anfangs auch in Anspruch genommen, es wächst sich raus, einige bleiben sehr langfristig dort, um ihren Arsch nicht zu riskieren. Auch das ist okay!
Heute lebe ich seit vielen Jahren wieder ein selbständiges Leben auf eigenen Füßen und nicht mehr auf dünnem Eis und in permanenter Lebensgefahr! Bei mir hat sich die Selbsthilfegeschichte erschöpft, wie bei vielen anderen auch. Aber die meisten meiner Freunde - Weltweit! - sind Süchtige! Ich sorge dafür, dass ich nur alleine bin, wenn ich alleine sein will und kann. Es verliert alles an Dramatik mit den Jahren .... früher dachte ich, ich hätte nur ein, oder zwei Freunde im Leben und das wäre normal. Es stellte sich raus: genau die waren niemals meine echten Freunde. Heute habe ich sehr viele Kontakte und wenn wir uns wiedersehen, ist Sucht kein Thema mehr. Es sind Freunde, die ich liebe und denen ich bedingungslos vertrauen kann.
Selbst hier im Board bist Du auch lange nicht alleine damit!
Cleane Süchtige werden idR wieder sehr eigenständige, kompromisslose Menschen (was ihre wiedergewonnene Lebensqualität angeht) und zeigen Dir Wege aus der Sucht auf! Gehen musst Du diesen Weg selber - wie Du siehst, so oder so,
Du hast es in der Hand!
Ich habe Dir in diesem Threat öffentlich geantwortet, weil ich weiß, dass es lange, selbst hier, nicht nur unser beider Thema ist und Sucht weder vor jeglichen noch so ideal erscheinenden sozialen Hintergründen, noch dem Maße der Intelligenz, Qualifizierungen, deren Gegenteil, noch vor irgendwas haltmacht, wenn man nix dagegen tut (bewußt, oder scheinbar unbewußt! Es gibt Menschen, die können - wenn es eng wird mit dem Suchtmittelkonsum - ganz energisch "Stop" und "Nein" sagen, das müssen Süchtige erst wieder lernen, also das "NEIN" zu psychogenen Substanzen, vor dem Konsum und dauerhaft, u.v.a.)
Trotz allem bleibt die Pumpe (ich hing an der Nadel) immer nur eine Armlänge von mir entfernt (bildlich) -
aber ich entscheide, ob ich sie am Ende nehme, oder nicht! Auch eine Flasche springt Dir nicht von alleine an den Hals!
Also, alles Gute, mach Dich nicht alleine damit und such Dir Gleichgesinnte (oder "übergebe" Dich zunächst in kompetente fachliche Behandlung, Du weißt am besten, wie weit Du da drinhängst - ich kann Dir nicht das Paradies versprechen, aber das Dein Vorsatz funktíonieren wird, wenn Du es zuläßt, das ist definitiv so!
Soweit zum Thema "Sucht", solange sie psychische Ursachen hat und keine psychartrischen! Die Grenzen können fließend sein und für beides braucht man sich nicht zu schämen, weil es anerkannte Krankheiten sind. Man schämt sich z. B. auch kaum, wenn man sich den Fuß gebrochen hat, oder?
Zu Deiner Freundin: es wird Dir nicht helfen, für sie, oder überhaupt andere, clean, abstinent, (was auch immer) zu werden, Du musst es für Dich wollen! Alles andere kommt wie von selbst .... heißt: es ist jetzt noch lange nicht dran; erst DU, dann alles andere!
Kopf hoch!
Alles nicht einfach, aber was ist schon einfach?
Und wer will es einfach? Stolz ist doch jeder nur auf eine Leistung - und clean zu werden ist eine große Leistung!