Wir spielen demnächst auf einem Festival, wo Schwerpunkt auf Metal liegt. Entsprechend die Backline, die zur Verfügung steht. Wir machen eher die Richtung Classic-Rock mit starkem Hang Richtung Funk&Soul der 70/80er. Das vorhandene Drumset ist schon Richtung Metal konzipiert, und auch garantiert auch vorgemixt. Selbst wenn wir dem Tech erklären, dass wir einen anderen Sound haben wollen, mach ich mir nicht viel Hoffnungen, dass wir so klingen, wie normalerweise. Auch wenn wir nicht über die vorhandenen Full-Stacks spielen werden, wird auch bei den Gitarren der Sound deutlich heftiger rüberkommen, als normalerweise. Am meisten graut mir jetzt schon vor dem Monitorsound, der vermutlich extrem laut sein wird, so wie ich es von Gigs, die ich mit solchen Bands schon gespielt habe, kenne. Keyboards sind bei uns definitiv Schwerpunkt, mindestens gleichwertig wie die Gitarre abzumischen, das müssen wir ihm verklickern. Vermutlich wird er die ganzen drei Tage kaum ein Keyboard auf der Bühne gesehen haben
Aber da mach ich mir weniger Sorge. Letztlich bin ich derjenige, der den Soundcheck für die Bands des letzten Tages koordinieren soll, und habe entsprechend rechtzeitig und ausreichend Kontakt mit dem Mixer.
Schon gelaufen?
Und war der Sound planmäßig Mist?
Das ist natürlich auch eins der Paradebeispiele, wie es in die Hose gehen kann: Band und Toni passen nicht zueinander. Entweder ist die Band am falschen Ort, oder der VA stellt der Band den falschen Toni hin.
Da hat man dann Tonis, die eigentlich nur Rockmusik kennen. Wenn die überhaupt mal Keys auf der Bühne haben, sind sie es gewohnt, ein voll aufgerissenes Stagepiano in den Hintergrund zu mixen, weil Keys spielen immer im Hintergrund. Die Steigerung sind Tonis, die nur Punk und/oder Metal kennen. Erstere kennen vielleicht auch mal eine cleane oder akustische Gitarre, letztere kennen nur Vollgas. Die Punkfraktion hat noch nie einen Keyboarder gemischt, die Metalfraktion kennt ihn nur als Streicherteppichleger für Möchtegern-Symphonic-Death-Metal-Bands. So oder so kommen Keyboards immer ganz nach hinten.
Und dann kommt man an mit einer Nicht-Rockband, die doppelt so viele Keyboarder wie Gitarristen hat. Kann man einen Rocktoni schon mal ziemlich mit verunsichern. Einer von denen – ich – hat einen vorprogrammierten (also nicht per Hand nach Bedarf geregelten) Dynamikumfang von bestimmt 20–30 dB und spielt auch mal ganz vorne. Nur scheiße, wenn der Toni das nicht kennt, daß ein Keyboarder a) derartige Lautstärkeunterschiede hat und b) auch mal "Leadfiguren" spielt.
Beim Soundcheck geb ich dem Toni immer einen sehr lauten Bläsersound, damit es nicht clippt. Risiko: Toni glaubt, das sei Normallautstärke, und dreht das schön nach hinten. Wenn ich E-Piano-Begleitung im Hintergrund oder leichte Streicherflächen spiel, hört das keiner. Zumindest riskier ich nicht, daß der Toni die Anlage gegen einen Hintergrundsound einpegelt und dann vor Schreck zusammenzuckt, wenn mal eine lautere Passage kommt und die Anlage wie Sau übersteuert.
Genau deshalb will nicht nur ich den Frontmix auf den Monitoren haben, zumindest dieselben Lautstärkenverhältnisse. Da hab ich nichts von und auch sonst niemand, wenn der Toni meint, mir "mehr Keys" zu geben, damit ich mich selbst besser hören kann – und dann klingt es für mich passabel, aber für die da draußen gar nicht, weil ich nicht weiß, daß der Toni die Keys auf dem FoH ganz hinten geparkt hat.
Aber nicht nur für Keys kann es heikel werden. Wir spielen ja auch Soul und Funk. Das ist generell ein Sound, den viele Tonis nicht kennen. Bassdrum zum Beispiel. Wie gehört eine Funk-Bass? Bupp. Tony Thompson. Knackig kurz. Wie mischt der Toni sie? UUUuuuuummmm. Vielviel Bässe und sonst nichts. Die Toms genauso. Und vor allem auch den Baß. Für den Rock-/Metal-Toni ist der Bassist der, der immer nur Grundtonwummern spielt. Also Tiefen schön auf, damit man ihn gegen die Bratgitarren hören kann (implizierend, daß es Bratgitarren gibt), und alles andere weg, um den Bratgitarren nichts ins Frequenzspektrum zu kommen. Und dann steht da ein Bassist, der Bernie-Edwards- und Verdine-White-Figuren spielt, die aber nicht richtig rüberkommen, weil es nur dröhnt. Nicht nur nur dröhnt, sondern trotzdem dünn klingt, weil der Gitarrist eben nicht brät, sondern schön im Nile-Rodgers-Frequenzspektrum bleibt.
Ich meine, so ein Rock-/Metal-Toni ist ja schon irritiert, wenn man keine Amps mitbringt, weil Bassist und Gitarrist beide über Multieffekte direkt ins Pult spielen.
Hast du einen Submixer am Start? In wenig tastenaffinen Umfeldern kann's passieren, daß einen Toni das irritiert, wenn nicht gar stört, wenn der Keyboarder nicht die Keys direkt ans FoH gibt. Ich hatte mal irgendwo, ich meine, sogar hier im Musiker-Board von einem Toni gelesen, der sich weigert, Keys über Submixer zu mischen. Wenn man dann aber mit drei oder – wie ich – fünf Klangerzeugern kommt, die alle gemischt werden wollen, geht das Zuviele-Kanäle-Gejammer los. Und Irritationen gibt's dann trotzdem, weil eben nicht in jedem Song jeder Synth nur 1 Sound spielt (oder besser noch, jedes Gerät spielt den ganzen Gig über in jedem Song denselben Sound), so daß der Toni dann ohne Meterbridge nicht weiß, welcher Sound jetzt aus welcher Maschine kommt. Am besten noch, wenn trotzdem in einem Song aus einem und demselben Synth acht, zehn oder mehr verschiedene Sounds kommen, die er nicht nur nicht einzeln mischen, sondern nicht mal wirklich zuordnen kann.
Da muß man sagen, da hatte es natürlich die ganz alte Garde leichter. Anfang 70er Jahre. Rhodes am abmikrofonierten Jazz Chorus: 1 Kanal, immer E-Piano. Hammond B-3 am abmikrofonierten Leslie 122: 1 Kanal (2, wenn der Toni gute Laune hat und weiß, daß ein Leslie stereo geiler klingt), immer Orgel. Mellotron: 1 Kanal, fast oder tatsächlich immer Streicher. Minimoog: 1 Kanal, immer nur einen Synthsound. Fertig. Aber wenn man damals an den Minimoog ein Oberheim SEM dranhängte (machte so mancher Keyboarder tatsächlich), das seinen eigenen Kanal bekam, brauchte der Toni schon eine Meterbridge, um zu wissen, welcher Synth gerade klingt.
Sagt mal...woher wisst ihr eigentlich immer so genau, wie der Sound "draußen" ist und worüber ihr euch beschweren sollt oder wollt?
Latscht ihr beim Gig durch die Reihen, oder was?
Du wirst lachen: Unsere Gesangsspitze macht das tatsächlich. Die Sängerin sowieso bei fast jedem Gig, und auch der 1. Sänger/2. Keyboarder hat ein Funkmikro, und wenn er nichts zu spielen hat, geht er auch mal nach unten. Beim Soundcheck steht auch mal unser Bassist (verantwortlich fürs Selbstmischen, wenn wir uns selbst mischen, also auch der Hauptsoundverantwortliche) mit Wireless-Sender unten und hört sich die Mische an. Eigentlich nur dann nicht, wenn die Bühne nur aufwendig über den abgesperrten Backstage zu betreten geht.
Das sollte häufiger passieren. Ich kenn das sogar so, daß er oder ein Stagehand (schneller zur Stelle) das Gaffa mindestens sechsmal um die Amps gewickelt hat, damit da auch wirklich keiner an den Reglern rumfummeln kann.
Das ist der wohl häufigste Fehler, den Bands machen, die sich hinterher über den Sound beschweren: nach dem Soundcheck ein Lautstärkewettrüsten veranstalten bzw. zumindest das Marshall-Topteil wieder auf den eigenen Geschmack einstellen: alle Regler auf Rechtsanschlag und dann noch mindestens eine Zerre dazwischen. Egal, ob es ein Open-Air-Konzert ist oder ein Kneipengig, der mit 50 Pax fast schon überfüllt ist.
Alternativlösung: Plexiglaswände vor die Amps. Kein Eigenschall mehr von den Boxen, und was an Gitarre zu hören ist, bestimmt allein der Toni. Wer als Gitarrist unbedingt die volle 4×12"-Dröhnung braucht, kommt mit hinters Plexiglas.
Was auch immer wieder "schön" ist, da kann der Toni aber nichts für: viel zu knapper Zeitplan.
Das tritt besonders dann auf, wenn ein Event von jemandem veranstaltet wird, der davon eigentlich gar keine Ahnung hat. Der vielleicht mal Schützenfeste gemacht hat, aber noch nichts mit einer Livebühne mit mehreren Bands an einem Tag. Da wird dann als Changeover-Zeit zwischen zwei Bands, die beide viel Equipment haben und keine gemeinsame Backline nutzen, eine halbe Stunde oder weniger angesetzt. Wenn die Bands jeweils nur Baß, Gitarren, Drumsticks und vielleicht eine Snare mitbringen und Schießbude und Amps gemeinsam nutzen, ist das in fünf Minuten gegessen. Aber wenn wirklich alles niedergerissen und von der nächsten Band wieder neu aufgebaut wird, dann reicht die halbe Stunde mit Not für den Umbau.
Und Soundcheck? Tja, dafür bleibt keine Zeit mehr. Im Grunde darf der arme Toni den
Linecheck während des ersten Set machen, den Soundcheck sowieso. Der unbedarfte Veranstalter und Zeitplaner, der ehedem kaum mehr kannte als Alleinunterhalter, Feuerwehrkapellen und vielleicht mal eine Schulband, weiß natürlich nicht, was ein Soundcheck ist, geschweige denn, daß der nicht in fünf oder gar zwei Minuten abgefrühstückt ist.
Die halbe Stunde hat er sich bei irgendeinem anderen Event abgeguckt, das auch nicht mit solchen Aufwänden zu kämpfen hatte, und ging davon aus, daß das normal ist. Hat er das nicht, geht er vielleicht gar von einer Viertelstunde als ausreichend aus.
Das Ganze kann höchstens dann funktionieren, wenn alle Bands
vor der Veranstaltung ihre Soundchecks machen und die Einstellungen dann im Digitalpult gespeichert werden. Aber nicht auf einem Provinzstadtfest, wo als Pult ein ältliches analoges Ohringer oder gar Monacor oder McCrypt eingesetzt wird und vielleicht gar der Toni kein angeheuerter Profi ist, sondern ein Bekannter des VA, der weiß, wie man ein Analogmischpult bedient, aber mit einem Digitalpult überfordert wäre.
Wurde eigentlich schon Vorsatz als Grund erwähnt?
True story: Diverse Jahre, bevor ich in dieser Band spielte, hat sie mal auf einem Stadtfest vor einer Profiband gespielt. Die brachte den eigenen Toni mit, aber nicht nur für den eigenen Gig, sondern für den ganzen Tag.
Jetzt kommt's: Die haben ihren Haus-und-Hof-Toni angewiesen, alle anderen Bands mit voller Absicht scheiße zu mischen, damit sie selbst im Vergleich noch besser klingen und als Höhepunkt des Tages schön über alle anderen Bands – die Amateure, das Geschmeiß, das niederste Gewänz da unten – strahlen können!
Also hat der Toni einen absoluten Schrott-und-Mulm-Mix fabriziert, bei dem absolut gar nichts stimmte. Es war offensichtlich, daß es scheiße klang, aber der Toni unternahm nichts. Entweder saß er untätig am Pult, oder er saß gar nicht am Pult, sondern er stand an irgendeinem Bierstand. Zurufe von der Bühne aus hat er eiskalt ignoriert. Den anderen "Vorbands" erging es genauso. Als die Profis dann auftraten, klang es – oh Wunder – perfekt.
Meine späteren Kollegen haben irgendwann erfahren, daß das nicht das einzige Mal war, daß die Band so etwas abgezogen hat.
Martman