In die Aufnahmen habe ich alle hinein gehört.
Zunächst das Positive:
Man hört, dass es "deine" Musik ist, mit der du interpretatorisch etwas anfangen kannst und der Gestaltungswille ist auch da. Rhythmus, Phrasierungen und auch die "Verzierungen" sind durchaus präsent und vieles davon ist sogar auf dem Punkt.
Die Intonation ist aber wirklich katastrophal. Kaum ein Ton wird in der richtigen Tonhöhe getroffen. Das mag zum einen an der Überfrachtung mit den "Verzierungen" liegen, wie andere schon schrieben. Wenn dann keine gute Tonhöhenkontrolle da ist, kann das leicht alles ´ins Rutschen´ bringen. Aber vor allem an der guten Tonhöhenkontrolle mangelt es offensichtlich. Dabei stimmt die Richtung der Intervalle, also sozusagen das "Auf uns Ab" Melodie, aber konkret hängen die meisten Töne daneben.
Leider ist das aber die "conditio sine qua non" in der Musik (also die Grundvoraussetzung, ohne die alles andere auch nicht funktioniert), jedenfalls für mich.
Das ist wie bei einem Fahrrad mit tollem Rahmen, guten Bremsen, gutem Licht und schicker Farbe - aber mit platten Reifen. Oder ein Auto, das einem gut gefällt und all den Schnick-Schnack hat, den man sich wünscht. Aber kein Tropfen Sprit im Tank. Beides fährt nicht wirklich.
Tue dir einen Gefallen und nimm (guten) Unterricht, vor allem auch in Gehörbildung (was ohnehin Teil der Gesangsausbildung ist). Da andere Voraussetzungen stimmen, lohnt sich das auf alle Fälle, egal, wo du später damit landest. Aber, wie auch schon erwähnt, ist das Treffen der Töne einfach das absolut fundamentale Handwerk.
Und wer auf einer Bühne das "Handwerk" nicht beherrscht, am besten ´im Schlaf´, der geht dort unter!
Sich dabei als erste Bühne gleich das TV-Medium auszusuchen, mag im Trend der Zeit liegen ("Ich, Ich, ICH bin der MEISTER, der vom Himmel gefallen ist, einfach so, Naturtalent, ohne die Niederungen des ÜBENS!"), ich rate aber dringend davon ab.
Die klassische "Ochsentour" über die Scheunen-Bühne im Ort, einige größere Gigs in der nächsten Stadt usw. halte ich immer noch für die beste Schule, um die gute Routine und das nötige Maß an Professionalität zu erwerben, das man braucht, um auf Dauer erfolgreich und mit Freude auf beiden Seiten (Band und Publikum) in dem Genre (eigentlich jedem Genre) durchzuhalten.
Was meinst du, was deine Stimme möglicherweise für ungeahnte (und dabei unkontrollierbare) Kapriolen schlagen wird, wenn das rote Licht an der Kamera angeht und man womöglich live über den Sender geht (kenne ich insofern, als ich bei zwei Fernseh-Gottesdiensten und einem Rundfunk-Gottesdienst - live - mitgewirkt habe, teilweise auch solistisch, allerdings mit der Klarinette, nicht mit der Stimme).
Wenn man da keine gute Kontrolle hat, dann ist gleich alles im Eimer und man wünscht sich, die Zeit zurück drehen zu können.
Die Tatsache, dass diese Casting-Shows alles nur banale Shows sind und die Zuschauer schon am nächsten Tag vergessen haben, was sie am Abend vorher gesehen haben, lasse ich nicht gelten. Erstens finde ich es schlimm, im Zweifel nur als bloßes "Heizmaterial" vor der gnadenlosen Kamera und einer möglicherweise noch gnadenloseren Jury zu stehen. Man muss sich nicht als peinlicher Akt und womöglich eben deshalb erst recht "gefundenes Fressen" von Bohlen und Co als deren Einnahmequelle zur Verfügung stellen.
Aber ich sehe es auch als Verantwortung der Musik selber gegenüber, an der Qualität der Interpretation zu feilen und auf das nötige Level zu bringen.
Leider ist es auch eine Tatsache, dass weite Teile der Zuhörerschaft heutzutage ebenfalls nicht hören, ob jemand die Töne trifft oder nicht. Aber auch das will ich nicht als Entschuldigung gelten lassen, ebensowenig, wie minderwertiges Fast-Food für überteuerte Preise in den Supermärkten an Leute ohne Geschmacksinn verkauft wird. So etwas kann nicht der Maßstab sein.
Wenn du, @MDN8T, an dem Ziel der Teilnahme an einer Casting-Show, festhalten möchtest (ein Ziel, das anzustreben ich durchaus in Frage stelle), dann lasse dir noch mindestens 1 Jahr Zeit. Nimm guten Unterricht, versuche, eine Band zu gründen, oder sich einer Band anzuschließen. Sammle Auftrittserfahrung, vor allem im Live-Kontakt mit echtem Publikum (immer noch das beste!) und arbeite an dir und deinem Singen. Mit so einem Hintergrund kann auch ein nur mittelmäßiger Auftritt bei einer solchen Casting-Show, bzw. ohne nennenswert weit dabei zu kommen, genug Publicity generieren, dass die Band schöne neue Gigs davon hat. Ansonsten droht, als ausgelutschter Show-Act im Mülleimer der Casting-Show-Geschichte zu landen.
Bei aller heftiger Kritik habe ich von dem Gehörten durchaus den Eindruck, wie andere hier auch schon, dass da ein gutes und interessantes Potential dahinter steckt.
Lernen kann sehr, sehr schön sein, vor allem, wenn es schöne Ergebnisse zeitigt!
Gruß, Jürgen