Hallo Uli,
ich bedanke mich für deine, mir in dieser Form noch von keiner Firma dieser Größe bekannte, Offenheit!
Ich nutze einige alte Behringer-Geräte (MDX2000, PEQ305, PEQ2000, EX3100, irgendein kleines Eurodesk Mischpult) immer wieder und hatte auch schon mit vielen anderen Behringer-Geräten die Ehre und denke, dass man bezüglich der Qualität absolut nicht meckern kann. Ich zumindest kann es nicht, und ich meckere echt viel.
Natürlich baut auch ihr ab und zu mal Mist, aber das ist menschlich. Und wenn ich mir ansehe, was bei anderen Firmen in Sachen Schaltungsdesign, Geräteaufbau und Usability schief geht, dann seid ihr im Vergleich echt vorbildlich. Ich kenne keinen anderen Hersteller, der mit eurer Spanne an Produkten und eurem Preis/Leistungs-Verhältnis und der Fülle an Funktionen, die die meisten Produkte haben, vergleichbar wäre.
Dennoch stellen sich natürlich auch mir einige - größtenteils sehr technische - Fragen, die hier teilweise schon angesprochen wurden:
Carl, erlaube mir zum Schluss einen kleinen Hinweis, was Du aber sicher schon weisst. Rackgeraete sollten mit ausreichender Lueftung (Abstand zwischen den Geraeten etc.) versehen sein, da diese sonst ueberhitzen. LCD Displays reagieren stark auf Waerme und der Kontrast veraendert sich im gleichen Masse. Dies ist kein Defekt sondern eine Eigenheit von LCD-Displays. Wir haben zwar NTC's (Temperatursensoren) im Geraet, diese koennen aber nur in einem bestimmten Rahmen gegensteuern.
Meiner Meinung nach sollten Geräte, die man übereinander in ein Rack schrauben kann, auch übereinandergeschraubt funktionieren. Daher sind Konstrukte, die die Luft von unten nach oben durchblasen oder die passiv gekühlt sind und bei solchem "Stacking" überhitzen, für mich von der Konstruktion her fragwürdig.
Natürlich kann man Luft lassen, aber dann hat ein 1 HE Gerät schnell mal 1,5HE oder 2 HE, was das ganze Rack größer macht. Und das ist - besonders im Livebetrieb - wortwörtlich einfach nicht tragbar.
Hohe Betriebstemperaturen schaden ja nicht nur der Ablesbarkeit des LCD, sondern verkürzen auch die Lebensdauer der meisten anderen Bauteile durch erhöhte thermische Belastung.
Die Ober-/Unterseite eines Rackgerätes ist daher zur Kühlung tabu und man sollte entweder die Frontplatte oder die Rückseite oder die Seitenteile (siehe PEQ305 usw
) dafür nutzen oder gleich aktiv kühlen. Wenn ihr also ein Gerät baut, das bezüglich der Funktionen super ist, aber diesen "Konstruktionsfehler" hat, dann schießt ihr euch damit selbst ins Knie, weil Leute wie ich sich denken "Haben die darüber nicht nachgedacht?" und das Gerät dann selbsttätig umbauen und die anderen regen sich entweder über die Fehlfunktionen / optischen Mängel auf, schicken das Gerät zurück oder machen sonstwas damit. Auf jeden Fall führt sowas zu schlechter Mundpropaganda, die man vermeiden kann
Zu der "Infimum" - Funktion ein paar Gedanken meinerseits:
Ich moechte noch auf ein Thema eingehen, was oft uebersehen wird. Es gibt wie bei allen verstaerkenden Elementen auch bei Roehren einen statischen und dynamischen Arbeitspunkt. Statisch bedeutet wenn die Roehre im Ruhezustand bzw. bei statischem Signal gemessen wird und dynamisch, wenn dies bei sich veraenderndem Musiksignal geschieht.
Der "Bias" wird in der Regel bei einem erwaermten Amp ohne angelegtem Signal eingestellt was genau genommen ein Kompromiss ist. Um bei der Motor-Analogie zu bleiben, hiesse dies, die Zuendung der einzelnen Zylinder dann einzustellen, wenn der Motor im Stand laeuft. Dass dies nachgeregelt werden muss, wenn der Motor Leistung abgibt ist ja bekannt und wird heute durch intelligente Zuendungen erzielt, die laufend messen und nachregeln.
Richtigerweise sollte dieses Nachregeln auch bei Roehrenamps unter dynamischer Last geschehen, da nur so die wirkliche Leistungsabgabe einer jeden Roehre festgestellt werden kann. Dies zeigt wie unzureichend manuelle Bias-Einstellungen grundsaetzlich sind.
Ihr koennt dies einfach feststellen, wenn ihr die Ruehestroeme der Roehren im Abstand von nur einigen Stunden messt. Die Resultate sind eindrucksvoll, denn die Messwerte weichen dramatisch ab. Wie ich frueher schon erwaehnte, veraendern sich die Parameter von Roehren extrem, gerade in der ersten Zeit da noch verbleibendender Sauerstoffgehalt in der neuen Roehre verbrannt wird. Spaeter entstehen Undichtigkeiten durch die hitzebedingte Bruechigkeit des Roehrensockels und der Stellen wo die Anschlussdraehte durchs Glas fuehren. Diese Sauerstoffdiffusion verkuerzt die Lebensdauer und ist einer der Hauptgruende fuer den Tod der Roehre.
Allerdings wird dieser negative Effekt vor allem dann verstaerkt, wenn die Roehre ungleichmaessig hoch belastet wird und sich so noch staerker erhitzt.
Das "Matchen" und die manuelle Bias-Einstellung sind daher sehr rudimentaer und dies ist der Grund, warum wir die Infinium-Schaltung entwickelt haben, die konstant misst und nachregelt. Der optimale Arbeitspunkt und die gleichmaessige Belastung jeder Roehre fuehrt zu einer eheblichen Verlaengerung der Lebensdauer.
Wir haben festgestellt, dass Roehren dadurch bis zu 20 mal laenger leben, was viel Geld spart, aber auch die Sorgen reduziert, auf der Buehne ohne funtionierenden Amp dazustehen. Ich hoffe, dies war nicht zu technisch.
Das, was du hier bezüglich Matching ansprichst, ist eine Geschichte, die ich seit Jahren predige. Technisch gesehen ist es ja so, dass eine Mehrgitterröhre (hier: Pentode bzw BPT ala 6L6GC, EL34...) genau betrachtet einen KennRAUM (NICHT KENNLINIE!) hat, der fünfdimensional (bzw siebendimensional...) ist. Leider berücksichtigt man das alles bei konventionellen Betrachtungen nicht, das heißt man stellt einfach einen Strom an einem Punkt im KennRAUM ein und was die Röhre sonst macht, das weiß man nicht. Und das führt zu ungleichmäßiger Lastverteilung, höheren Verzerrungen, Sättigungseffekten in Übertragern usw...
Du willst mit deinen Aussagen zur Infimum-Technologie also sagen, dass euer Verstärker nicht nur den Ruhestrom ohne Ansteuerung für jede Röhre einzeln einstellt, sondern dazu noch jeder Röhre im Röhrensatz der Endstufe des Verstärkers die gleiche Arbeits-Kennlinie aufzwängt (das entspricht deinem "dynamischen Arbeitspunkt"?), um eine gleichmäßige Verlustleistungsverteilung zu erreichen?
Wenn ich also jetzt (im einfachsten Fall, 50W Amp) zwei EL34 von zwei verschiedenen Herstellern, die verschiedene Schirmgitterströme bei gleichem Anodenstrom haben, in den Amp stecke, dann werde ich nachher bei beiden Röhren den gleichen Ruhestrom und den gleichen mittleren Strom bei Aussteuerung vorfinden?
Mich würde auch interessieren, auf welche Lebensdauer sich die "20 mal so lange" Aussage bezieht und mit welchen Betriebsparametern und welchen Röhrentypen das ermittelt wurde.
Die übliche Problematik bei Gitarrenverstärkern ist, dass die Röhren generell außerhalb ihrer Spezifikationen betrieben werden. Stellt eure Schaltung sicher, dass die Röhren jederzeit (!) vor Überlastungen geschützt sind?
Sind eure Gitarrenverstärker gegen Leerlauf, Kurzschluss und Fehlanpassungen geschützt?
Ich bitte um Verzeihung für meine bohrenden Fragen, aber ich habe inzwischen so viele schlechte Verstärkerdesigns und angebliche Neuerungen gesehen, dass ich da generell skeptisch bin. Wenn Behringer es schafft, als erste Firma etwas auf den Markt zu bringen, das wirklich diese ganzen Probleme löst, dann bin ich sicher der erste, der die Geräte empfiehlt. Ich werde dieses System aber auf jeden Fall genauer (messtechnisch) betrachten, falls es mir mal unter die Finger kommt
Wir haben vor einiger Zeit die Entscheidung getroffen, Netzteile unserer Produkte von herkoemmlichen Transformatoren soweit wie moeglich auf Schaltnetzteile umzustellen und auch vorwiegend nur noch Class-D Endstufen einzusetzen. Der Energieausnutzung von Class-AB Endstufen in Verbindung mit herkoemmlichen Transformatoren liegt bei lediglich 20-30% (80% der Energie geht also in Waerme auf) wohingegen bei einer digitalen Loesung die Effizienz bei rund 80-85% liegt. Dies ist eine erhebliche Stromeinsparung, die sich in der Stromrechnung widerspiegelt aber auch der Umwelt zugutekommt (Carbon Footprint).
Könnte es eventuell sein, dass diese Umstellung nicht zuletzt an den hohen Kupferpreisen liegt? Es ist ja inzwischen Mode, in alle Geräte Schaltnetzteile einzubauen und das mit höherer Effizienz zu begründen, aber gleichzeitig ist es so, dass diese Schaltnetzteile gegenüber Spikes, HF, Feuchtigkeit usw. deutlich intoleranter sind als ein Netzteil mit einem konventionellen Trafo plus Linearregelung, was sich besonders "on tour" gerne mal durch Ausfälle äußert.
Der Gewichtsvorteil ist selbstverständlich jedem klar und besonders bei Endstufen ist das ein klares Argument für die Schaltnetzteile, aber ich frage mich: Hat sich die MTBF eurer Geräte seit Einführung der Schaltnetzteile verbessert, wenn man mal hypothetisch eine konventionelle "Class AB + Ringkern" - Endstufe mit einer "Class D + Schaltnetzteil" - Endstufe vergleicht?
Ich hoffe, dass ich dir mit diesen - sehr technischen - Fragen nicht zuviel Stress generiere. Ich weiß, ich bin unmöglich
MfG Stephan