Dann würden Schwingungen auch von Luft oder Holz in Eisen gehn, das geht aber physikalisch ganz, ganz schlecht.
Tun sie aber. So entsteht ja auch Feedback.
Ich finde ja, Deine Ausgangsfrage ist durchaus berechtigt, schließlich gibt es genug Leute, die zB die Ausfräsung an der Kopfplatte für eine Schwächung halten, die auch klangliche Auswirkungen haben kann. Dass auch unterschiedliche Hälse aus grundsätzlich gleichen Materialien eine Gitarre klanglich total verändern können, habe ich schon oft erlebt. Nur vorhersagen kann man das oft nur schwer, und ich würde mich auch nicht trauen, allen Konstruktionsdetails eines Strat-Halses bestimmte klangliche Iegenschaften zuzusprechen.
Ohnehin habe ich den Eindruck, dass auch die Tone-Sucher in ihrer Vorstellung von Schwingungsphysik öfter mal daneben liegen. Schwingende Systeme sind z.B. nicht einfach zu begreifen als ein Art "Leitung", in der sich eine Schwingung ausbreitet, irgendwo hinläuft und unterwegs mehr oder weniger aufgehalten wird. Das fängt schon damit an, dass eine Schwingung per Definition kein punktuelles Ereignis ist, sondern über einen Zeitraum hinweg definiert wird. Jeder Schwingungsvorgang wird intern wieder von anderen Bauteilen aufgenommen, reflektiert , trifft auf dem "Rückweg" auf nachfolgende Teile des gesamten Schallereignisses - man kennt das ja auch von den dabei entstehenden Resonanzen in einer Box. Gleiche Lautsprecher klingen anders, wenn die Box kleiner oder größer ist, also der Laufweg sich ändert, die Form, das Material der Außenwände... Nicht anders ist es innerhalb der Gitarre.
Spalte und Unterlegen (shimming) sind suboptimal. Schallwellen gehen von Holz in Luft, dann zurück ins Holz gehts an der Stelle gar nicht mehr (von weichen zu hartem Material ist wie Schall auf Holzwand, d.h. grosse Reflektion und Auslöschungen, schnelles Tonabsterben.)
So einfach ist das eben nicht. Die Frage ist nämlich aufgrund der angesprochenen komplexen Vorgänge eher, ob die gesamte Gitarre harmonisch schwingt. Jedes Material hat ja auch Eigenresonanzen, und die verändern sich wieder, wenn man sie auf ein anderes schraubt, weil es dann eben nicht mehr unabhängig schwingen kann. Ein vom Umfang her kleiner Ansatzpunkt aus dem richtigen Material, mit der richtigen Vorspannung usw. kann durchaus weniger Schwingungsenergie verschlingen (bzw. in nicht nutzbare Form umwandeln, Energie verschwindet ja nicht) als eine große, dämpfende Kontaktfläche. Du könntest also durchaus Hals und Auflage durch Unterlegscheiben um die Halsschrauben trennen, und die Gitarre muss deswegen keineswegs schlechter oder kürzer klingen.
Denk mal an eine PRS mit schwebendem Tremolo, bei der der ganze Kontakt der Saite korpusseitig quasi nur aus winzige Punkten an den 6 Schrauben sowie über die Federn zu den zwei Holzschrauben der Federkralle besteht. Ich wüsste nicht, dass PRS für ein mieses Sustain bekannt wären.
Selbst Strats können ein besseres Sustain haben als manche Gitarre mit durchgehendem Hals, alles eine Frage der Harmonie aller Teile.
Ich vergleiche es eher mit dem Stimmen einer Glocke: es gibt dünne und dicke Stellen, und es wird abgedreht und herumgeschliffen, bis sich ein harmonisches Bild ergibt. Ich bezweifle, dass man Schönklang bzw. guten Sound in physikalische Formen packen kann. Kann man den Inhalt der Musik ja letztlich auch nicht.
Um den weiten Schwenk wieder zur Ausgangsfrage zu lenken: ich sehe es schon auch so, dass Dinge wie eine Verlegung des Trussrod-Ankers oder dessen Größe Auswirkungen haben, ja haben müssen. Nur halte ich die nicht wirklich für vorhersagbar. Anders ist es schon mit der grundsätzlichen Auswahl des Trussrods - das simple Vintage-Teil mit Vorspannung lässt den Hals schon anders klingen als die dickere Schiene eines modernen mit zwei Richtungen. Mehr Metallanteil, statische Festigkeit vs. Gegenspannung.
Charvel baut in die Pro Mods sogar noch zusätzlich Carbonstäbe ein. Mein Soundeindruck beim Tausch eines Halses war: da änderte sich gar nichts. Auch insgesamt neigen diese Gitarren eher zu einem (im positiven sinne) neutralen Sound ohne viel von dem, was man gerne "holzig" nennt. Ganz anders bei der Strat, wo zwei Ahornhälse mit Rosewood und klassischem Halsstab total unterschiedliche Resultate brachten, ganz zu schweigen vom Ahorn-Einteiler. Mein Fazit wäre von daher eher: die Grundkonstruktion ändert den Klang, Kleinigkeiten wie die Lage der Einstellschraube eher nicht so viel, und das Holz des einzelnen Halses hat bei einem Vintage-Konstrukt mehr Einfluss als bei modernen, schon konstruktiv versteiften Hälsen.
Gruß, bagotrix