Modifikation am Tonestack des Blues DeVille
Inzwischen habe ich meinem Blues DeVille ein fablich angepasstes Tweedkleid verpasst. Nicht ganz so dunkel, wie bei meinem Blues Deluxe, sondern in Richtung des "Lacquered Tweed" meines Blues Juniors. Schaut selbst, ich habe dem DeVille den kleinen Blues Junior vornan gestellt:
An diversen Stellen schrieb ich es ja schon zum Blues DeVille: Etwas "verwöhnt" durch den Blues Junior und noch mehr durch den Blues Deluxe gefiel mir der Tonestack des Blues DeVille nicht.
Um genauer zu sein: ich fand die Wirkung des Treblereglers ziemlich scheußlich.
Dazu muß ich schreiben, dass ich den DeVille mit zugedrehtem Baßregler und mehr oder weniger aufgedrehtem Mittenregler spiele: Bedingt durch das MDF-Gehäuse neigt der Amp schnell zum Wummerig werden, er hat einen ziemlich voluminösen Baß.
Inweiweit das vom Hersteller so gewollt ist, sei einmal dahingestellt - mir gefiel es jedenfalls nicht, daher diese Reglerstellung. Außerdem kam hinzu, dass der Amp - auch das schrieb ich schon öfters - ziemlich behäbig ist. Beide seiner Brüder Blues Junor und auch der Blues Deluxe sind hier deutlich spritziger mit mehr Dynamik. Kann man mit leben, muss man aber nicht, wenn es besser geht.
Ist nun der Trebleregler zu, so passierte bei der beschriebenen Stellung der beiden übrigen Regler folgendes: Die Höhen sind weg (ok, nicht anders zu erwarten) und der mitten- und baßfrequente Anteil des Gitarrensignales ist da. Dreht man jetzt den Trebleregler auf, so nehmen die Höhen zu (ok), aber der Mitten- und Baßanteil wird völlig weggeblendet, so dass zum Schluß nur noch ein aus meiner Sicht, überspitzt formuliert, sehr glasiges "Telefonsignal" übrig ist! Dieses seltsame Verhalten zeigen weder Blues Junior, noch Blues Deluxe, noch andere Fender-Tonestacks, die ich kannte und kenne.
Defekt im System oder vom Hersteller so gewollt?
Die Bauelemente des Tonestacks habe ich überprüft und für ok befunden. Daran kann es also nicht liegen.
Am einfachsten ist es daher, wenn wir uns dazu einmal die Beschaltung der Vorstufen der beiden Brüder Blues Deluxe (Achtung: ich spreche grundsätzlich nur vom RI!) und Blues DeVille anschauen, denn der Blues Deluxe funktioniert hier nicht nur problemlos, sondern beide Vorstufen sind ja auch noch mehr oder weniger identisch beschaltet:
Sind sie das wirklich? Nein! Ich habe die wesentlichen Unterschiede farbig markiert.
1: R9 - der Deluxe hat 150 KOhm, der DeVille hat 270 KOhm
2: R8 - der Deluxe hat 220 KOhm, der DeVille hat 33 KOhm
3: R102 - der Deluxe hat 15 KOhm, der DeVille hat 12 KOhm.
What happens?
Die an den Eingang gelegte NF-Spannung von 4 mV wird in V1a verstärkt. Beim DeVille ist die Verstärkung der identisch beschalteten Stufe aufgrund ihrer höheren Betriebsspannung an X größer (Deluxe: +345 Volt, DeVille: +388 Volt). Somit liegt an der Anode von V1a beim DeVille 16 mV mehr NF-Spannung an (TP2). R9 und R52 bilden einen Spannungsteiler, dem dann der Volumeregler folgt. R9 ist beim DeVille aber 1,8x größer als beim Deluxe. Warum? Weiß kein Mensch. Dadurch wird jedenfalls die gerade mühsam in V1a verstärkte NF-Spannung runtergedrückt, so dass an TP4 nun 10 mV weniger zur Verfügung stehen als beim Deluxe.
*
Meinetwegen, kann man mit leben. V1b verstärkt wieder, ich hätte jetzt aufgrund der wiederum höheren Betriebsspannung an der Stufe bei TP5 beim DeVille etwas mehr NF-Spannung erwartet als beim Deluxe, aber sei's einfach mal drum.
Aber nun kommt der Hammer: R8 ist beim DeVille rund 6,7x kleiner wie beim Deluxe! Das Ergebnis ist geradezu verheerend und dazu schauen wir uns mal die Tonestack-Simulation an:
- alle Regler auf Mittelstellung
- gelbe Kurve: Blues Deluxe, Load = 220 kOhm
- orange Kurve: Blues DeVille, Load = 33 kOhm (zeigt das Bild)
Mit 33 kOhm sieht man im Bereich von 500 Hz – 1000 Hz eine etwa um 8,5 dB stärkere Absenkung der NF-Spannung gegenüber zum 220-kOhm-Load des Blues Deluxe und selbst bei 3 kHz sind es immer noch etwa 7,5 dB!
Das heißt, das Gitarrensignal wird gnadenlos runtergedrückt. Warum? Bilden R8, R7 und R102 nicht auch einen Spannungsteiler? Ja, aber nur im Drive-Kanal. Im Clean-Kanal ist R7 kurzgeschlossen. Es wirken hier als Spannungsteiler nur R8 und R102 (dessen Werteänderung kann man getrost vernachlässigen). Mit dem um etwa 6,7x kleineren Wert müsste eigentlich eine größere Spannung an TP7 liegen. Jaaaa, tut es aber nicht, denn der kleine Widerstand bedämpft so dermaßen den Tonestack, dass nicht nur die NF-Spannung wegsackt (was V2a mit ihrer höheren Betriebsspannung dann wieder mühsam verstärken muss) - nein, es wird auch noch der Frequenzgang der Regler völlig verbogen, wie die folgenden Bilder zeigen.
Zunächst ziehe ich als Vergleich wieder den Blues Deluxe heran. Und zwar ist der Bassregler stets zugedreht und der Mittenregler voll auf, entsprechend der oben beschriebenen Reglerstellung:
- rote Kurve: Höhen zu
- grüne Kurve: Höhen auf (zeigt das Bild).
=> Dreht man die Höhen auf, so wird der Bass- und Mittenbereich bis 900 Hz um maximal 6 dB abgesenkt und dann ab 900 Hz um ca. 11 dB angehoben. Alles gut, kennt man irgendwie.
Jetzt der Blues DeVille. Auch hier ist der Bassregler stets zugedreht und der Mittenregler voll auf:
- rote Kurve: Höhen zu
- grüne Kurve: Höhen auf (zeigt das Bild).
=> Dreht man den Höhenregler auf, so wird der gesamte Bass- und Mittenbereich sogar bis 3000 Hz um sage und schreibe ca. 14,5 dB (!) maximal abgesenkt und dann ab 3 kHz um ca. 10 dB angehoben.
Genau das ist das oben beschriebene, scheußliche Ergebnis: Mit dem kleineren Load wird der vormals bei beiden Amps ähnlich „lineare“ Frequenzbereich bei Aufdrehen des Höhenreglers beim DeVille im Vergleich zum Deluxe extrem verbogen. Beim DeVille wird ein viel größerer Frequenzbereich weggefiltert, so dass nur noch diese "Telefon-Höhen" übrig bleiben.
Ich frage mich, was man sich bei Fender bloß dabei gedacht hat.
Das gehört geändert. Wie? Ganz einfach: R8 mit seinen 33 KOhm fliegt raus und wird ersetzt mit einem Widerstand von 220 KOhm.
R8 sitzt im Amp auf der Platine hier:
Ich habe einfach seine beiden Beinchen abgeknipst. Nicht dicht über der Platine, sondern so, dass zwei Stummel übrig bleiben. An die habe ich den neuen Widerstand gelötet:
Schön nicht, aber selten.
What happens now:
Der Amp klingt jetzt deutlich besser und zwar genau in Richtung Blues Deluxe. Er klart regelrecht auf. Der Bass kommt schlanker, strammer und jetzt macht der Trebleregler das, was er machen soll: Höhen ein- und ausregeln und den Rest des Frequenzbereiches bleibt mehr oder weniger unangetastet! Das passt witzigerweise auch klasse zu der Eigenart der „harschen“, höhenlastigen Wiedergabe dieser Fender-AlNiCo-Speaker. Man kann nun nämlich das Ganze klanglich in den jetzt nicht mehr so überbetonten Höhen viel feinfühliger dosieren.
Und nicht nur das: Es scheint tatsächlich so, als ob der Amp insgesamt nicht mehr so behäbig, sondern dynamischer geworden ist – erklärbar, denn diese starke Pegelabsenkung, die wie eine regelrechte Bremse wirkt, ist jetzt weg.
Kleine Ursache, große Wirkung!
*Das ist gar nicht mal so blöd, denn der Volumeregler ist dadurch beim DeVille nämlich "handhabungssicherer" als der sinngemäß nur mit eine Pinzette zu bedienende Volumeregler des Deluxe. Es sei denn, man ändert am Deluxe den Verstärkungsfaktor - beschrieb ich
hier in #139. Die Prozedur ist beim DeVille nicht nötig, denn der Volumeregler wirkt dank der Dimensionierung von R9 bereits bedächtiger.