Du kennst die Struktur der GX-1? Die ist nämlich wichtig zu kennen, um sie zu emulieren.
Mit "nach Ohr und dann wie beim Minimoog", wie man das normalerweise macht, gewinnt man bei der GX-1 keinen Blumentopf, deshalb. Das Ding ist subtraktiv, ja, aber da hören die Gemeinsamkeiten mit amerikanischen Analogsynthesizern schon wieder auf. Und weil praktisch alles, was da draußen an Hardware-VAs rumschwirrt, und fast alles an VA-Softsynths nach Moog, Oberheim und SCI gebaut ist, wirst du eine GX-1 nur mit einem Software-Modularsynth anständig emulieren können und auch das nur mit gigantischem Aufwand.
Also die Struktur: Am Anfang hast du nicht etwa zwei, drei VCOs mit umschaltbarer Wellenform, die vorm Filter gemischt werden. Du hast einen (1) VCO. Der gibt aber vier Waveforms gleichzeitig (also in perfektem Gleichtakt, das läßt sich folglich nicht mit mehreren Oszillatoren emulieren) plus Rauschen aus, die im Endeffekt vorm Mischer zu sieben Signalen werden:
- Sägezahn → Schalter
- Sägezahn → statisches Bandpaßfilter (12 dB/Oktave) ohne Resonanz → Schalter
- Puls (mit eigenem PWM-LFO wahrscheinlich pro Stimme) → Schalter
- Puls (mit eigenem PWM-LFO wahrscheinlich pro Stimme) → statisches Hochpaßfilter (12 dB/Oktave) ohne Resonanz → Regler
- Dreieck → Regler
- Sinus → Regler
- Rauschen (nicht sicher, ob weiß oder rosa; bei der separaten Synthsektion des Solomanuals ist die Farbe regelbar) → Regler
Jetzt kommen wir zu den Filtern. Ja, zwei in Reihe wie beim CS80. Erst kommt ein Hochpaßfilter, dann ein Tiefpaßfilter, beide mit 12 dB/Oktave und resonanzfähig. Cutoff und Resonanz sind für beide Filter jeweils separat einstellbar.
Übrigens hat kein einziges Filter in der GX-1 klanglich irgendwelche Gemeinsamkeiten mit dem des Oberheim SEM. Das sind ganz eigene Filter, die auch ziemlich eigene Verzerrungen produzieren. Wahrscheinlich wird man da mit Waveshapers und/oder Filter-Feedback arbeiten müssen, um 12-dB-Filter, die entweder generisch oder mal wieder dem Oberheim SEM nachempfunden sind, auf diesen Sound zu bringen. Selbst die Filter des CS80 klingen nicht wie die Filter der GX-1. Der SY1 käme nah dran.
Die Filter fangen an bei 25 Hz – beide, auch das Hochpaß – und gehen bis zehn Oktaven darüber, also 25.600 Hz. Die GX-1 gibt tatsächlich ein Audiosignal bis deutlich in den Ultraschallbereich aus.
Außerdem steht Filter Keyfollow bei der GX-1 fest auf 100%, die Filter spielen also immer tonal mit.
Nächster Fallstrick: die Filterhüllkurve. Auf acht Stimmen kommen nämlich nicht etwa sechzehn davon (je eine pro Filter und Stimme). Auch nicht acht (je eine pro Stimme für beide Filter). Nein, es gibt für alle acht Stimmen nur eine einzige gemeinsame Filterhüllkurve. An dieser Stelle (und möglicherweise nur an dieser) ist die GX-1 paraphon. Es dürfte schwierig bis unmöglich werden, das mit modularen Softsynths zu emulieren (ich weiß nicht, ob Reaktor das kann), aber es ist ein essentieller Bestandteil des Sound der GX-1.
Dann kommt auch noch hinzu, daß es keinen Env-Amount-Regler gibt. Es ist eine IL/AL/ADR-Hüllkurve. Die ist von der Form her mit ADSR identisch. Aber Sustain ist immer null, und der Anfangs- und Endwert, der bei ADSR null ist, ist einstellbar, ebenso wie der Wert, der am Ende der Attack-Phase erreicht wird. Damit entfällt Env Amount. Das heißt aber auch, daß die Hüllkurve immer alle 16 Filter gleich stark moduliert.
Wie gehabt kommt jetzt der VCA mit polyphonen Verstärkerhüllkurven (ADSR, weil keine regelbare Intensität nötig ist).
Noch etwas zu den Hüllkurven, was in diesem konkreten Fall ignoriert werden kann: Das sind die schnellsten Hüllkurven, die je in einem Polysynth eingebaut wurden. Die gehen los mit einer Millisekunde Attackzeit und je einer Millisekunde Decay und Release. Und weil die Hüllkurven hier noch echtanalog und nicht gerastert sind, ist im Prinzip bis zum Maximum jeder Wert drin.
Nächster Knaller: Oberes und unteres Manual haben zwei Tones, also
das ganze gerade Geschilderte zweimal parallel. Die Tonhöhen sind einstellbar. Zunächst mal kann man sie harmonisch gerastert einstellen, allerdings nur jeweils in einer Auswahl von sechs Stimmungen zwischen 16' und 2'. Und dann gibt's eine Funktion namens "Wave Motion" (ja, genau, wie die Wave Motion Gun in
Space Battleship Yamato), mittels derer Tone 2 stufenlos verstimmt werden kann.
Jetzt lassen sich beide Tones zusätzlich noch von außerhalb bearbeiten: Es gibt je eine Zufallsfunktion für Tonhöhe, Cutoff beider Filter und Lautstärke, die bei Tastenanschlag ausgelöst wird. Außerdem gibt's einen zusätzlichen LFO pro Manual, "Sub Oscillator" genannt, mit sechs Wellenformen und denselben drei Modulationszielen. Beides wirkt jeweils für alle acht Stimmen beider Tones gemeinsam.
Am Ende hat man auf acht Stimmen zwei Oszillatoren, acht Filter, neun Hüllkurven und wahrscheinlich 17 LFOs.
Was auch zum Klang der GX-1 beiträgt, sind die Lautsprecherkabinette. Yamaha TX II, eigens für die GX-1 entwickelte, achteckige, 141 Kilo schwere Ungetüme mit Röhrenverstärkung (!), von denen eine GX-1 normalerweise zwei hat. Das verlinkte Video ist mit dem Smartphone aufgenommen worden, also über die Kabinette gespielt. Und auch Benny Andersson hat die GX-1 nie über Line ins Pult geschickt (die GX-1 hat keine Line-Buchse, sondern nur neunpolige Kabinettstecker wie die für Leslies), sondern die Kabinette abmikrofoniert.
Spätestens jetzt sollte klar sein, daß man "nach Ohr" und mit einem Synth mit typisch amerikanischer Struktur hier nicht weit kommen wird – zur klanglichen Replika erst recht nicht.
Martman