Na da hast du dir aber einen gewaltigen Bären aufbinden lassen. Es gibt aktuell zwar Pulte, die sich nur global je Auxweg umschalten lassen, aber die meisten, auch die alten analogen, erlauben einem das weitgehend individuell je kanal und Auxwege umzuschalten.
Ich hab's denen ja auch nicht geglaubt. Ich hatte selbst schon ein paar Mischpulte unter den Händen gehabt. Ich hätte ihnen zeigen können, wie es geht. Das war sogar noch zu Zeiten, wo überwiegend analog gemischt wurde. Aber die haben drauf bestanden.
Aber selbst bei einem Setup wie dem deinen kann man sich überlegen wie man da sinnvolle Einzelsignale daraus macht, Klavier/E-Piano, Orgel, Solo Synths, Flächen, Streicher usw, die dann am FOH anliegen. Denn gerade bei diesem Setup ist eine Stereo Summe wie wenn du dem FOH Menschen beide Hände auf den Rücken bindest und ihm auch nioch die Ohren zustopfst, Der kann da fast gar nichts mehr machen wenn dein Soundangebot dann doch nicht sooo super funktioniert.
Das hätte dann einen programmierbaren, per MIDI Program Change fernsteuerbaren Matrixmischer mit einer entsprechenden Anzahl an Ausgängen benötigt, außerdem noch mehr Synths, um die Signale weiter aufteilen zu können. Wie gesagt, es war hochkomplex, und was ich gemacht habe, war bei einigen Songs wirklich schon knallhart am Rande der klassischen elektronischen Musik.
Hier das Ganze mal als tabellarische Matrix:
| Roland XP-80 (2 Ausgangspaare + Mono-Klick) | Roland XV-5080 (4 Ausgangspaare) | Kurzweil K2000RS (4 Ausgangspaare, davon maximal 1 mit FX) | Access Virus C (3 Ausgangspaare) | Korg MicroKorg (1 Ausgangspaar) | Synths in dieser Kategorie |
Piano | X (ersetzbar) | X (primär) | | | | 1–2 |
E-Piano | | X (Rhodes im Spezialfall) | X (Rhodes, DX7) | X | | 3 |
Orgel | X (ersetzbar) | X (primär) | | | | 1–2 |
Clavinet | | X | | | | 1 |
Streicher aller Art | X (akustisch) | X (akustisch, selten Synth) | X (akustisch, klass. Sampler, Stringmachine) | X (Synth, hier primär) | | 4 |
(Natur-)Bläser | X | X | X | | | 3 |
(Natur-)Flöte | | X | | | | 1 |
tonale Perkussivsounds | | X (akustisch) | | | X (elektronisch) | 2 |
sonstige klassische Sampler-Sounds (Fairlight, Emulator) | | | X | | | 1 |
Synthflächen | | | | X | | 1 |
Synth-Baß | | | | X | X | 2 |
Synth-Leads | | | | X | X | 2 |
Synth-Drones | | | | X | | 1 |
Kurze Synth-FX | | | | X | X | 2 |
Lange Synth-FX | | | | X | X | 2 |
Akustische Drums/Percussion | X | X | | | | 2 |
Synth-Drums (à la Simmons SDS V) | | | | X | | 1 |
Geräuschhafte Samples | | X | X | | | 2 |
Vocoder | | | | X | | 1 |
Externe Effekte (Reverb, Delay, Phaser) | | | | X | | 1 |
Kategorien für diesen Synth | 3–5 | 10 | 5 | 11 | 5 | |
Nun kann man natürlich sagen: "Ja, dann nimmst du für die-und-die Kategorie immer nur den-und-den Synth und den-und-den Synth eben nur für die-und-die Kategorie!"
Leichter gesagt als getan, wenn man klangliche Ansprüche an sich selbst hat. Teilweise waren einzelne Klangerzeuger unersetzliche Spezialisten für mehr Klangkategorien, als sie Ausgangspaare hatten – mal ganz davon abgesehen, daß das da oben 20 Kategorien sind, meine Synths aber insgesamt nur 14 Ausgangspaare hatten. (Doch, ich hätte auf Stereo bestanden. Zum einen wollte ich bitteschön die Position der einzelnen Sounds im Panorama selbst bestimmen. Zum anderen habe ich Stereoeffekte eingesetzt, z. B. Stereo-Chorus oder Stereo-Delay.)
Die K2000RS war als einzige für den Import externer Samples geeignet. Die mußte also zwingend die Kategorien "tonal gespielte spezielle Sample-Sounds" (George Duke – "Sweet Baby": Sitar à la Giorgio Moroder) und "geräuschhafte spezielle Sample-Sounds" (Chaka Khan - "I Feel For You", Intro: schwer definierbares Sample, das trotzdem nicht fehlen durfte). In der letzteren Kategorie brauchte ich aber auch – ausgerechnet im selben Song – entweder den XV-5080 oder die XP-80 für Platten-Scratchen. Die anderen drei Geräte konnten das nicht.
Gleichzeitig aber war die K2000RS aber auch mein einziger Synth, der ein überzeugendes DX7/FM-E-Piano (Kategorie E-Piano), überzeugende Solina/Stringmachine-Streicher (Kategorie Streicher) und zumindest annehmbare Fairlight-CMI/80er-Sampler-Streicher (auch Kategorie Streicher) bringen konnte. Und ich hatte darauf das am besten passende Rhodes (Kategorie E-Piano).
Für Streicher brauchte ich aber zwingend auch drei andere Synths: den Virus für beinahe alle Synth-Streicher im Stil der klassischen Polysynths von ca. 1978 bis 1986, den XV-5080, weil auf dem Orchesterstreicher am besten klangen und die XP-80 entlastet werden mußte, und die XP-80 auch für Orchesterstreicher, und zwar dann, wenn ich einzelne Sounds/Parts mitten im Song blitzschnell zu- oder abschalten können mußte (an der XP-80, meinem Hauptkeyboard, kam ich von der Tastatur zum Zu-/Abschalten und zurück zur Tastatur in weniger als einer halben Sekunde oder konnte gar ein paar Finger auf den Tasten lassen; runter ins Rack zum XV-5080 wäre der Weg viel zu weit gewesen).
XP-80, XV-5080 und K2000RS waren aber alle drei auch im Bereich akustischer Bläser absolut unersetzlich, die XP-80 wegen schnellen Umschaltens (siehe oben), der XV-5080, weil viele Sounds da am besten klangen, und die K2000RS, weil andere Sounds da am besten klangen oder woanders überhaupt nicht verfügbar waren.
Das heißt, wenn ich Bläser in einem Song hatte, war das oft nicht einfach ein einzelner Bläserpart. Gerade bei den völlig überzüchteten Songmonstern aus dem Earth, Wind & Fire-Album
I Am waren das auch mal
drei. Das Intro von "In The Stone" kam zu 70% von mir und zu 60% vom Sequencer. Die sechsarmige Dschungelgöttin Kali hätte das kaum ohne maschinelle Hilfe händisch spielen können. Da lagen übereinander:
- Trompeten + Saxophone in zwei Oktavlagen (händisch gespielt)
- Hörner (Sequencer)
- Baßposaune (Sequencer)
- Streicher (Sequencer) – eigentlich tiefe und hohe Streicher, die evtl. hätten separat gemischt werden müssen
- Percussion (Sequencer)
"Boogie Wonderland" hatte zwar kein 16taktiges Sequencer-Intro, aber eingeflogene Sequenzen und war noch ein Stück aufwendiger.
- dreistimmige Leadsynth-Figur (Sequenz)
- Saxophone (händisch gespielt)
- Trompeten (händisch gespielt)
- Streicher in manchmal einer, meistens zwei von drei Oktavlagen (händisch gespielt oder Sequenz)
- Glöckchen? (händisch gespielt)
- Kesselpauke (händisch gespielt)
Aber selbst "Play That Funky Music" von Wild Cherry hatte zwei separate Bläserparts. Technisch gesprochen eigentlich mehr, weil ich den Großteil der Strophen über Posaune, Tenorsaxophon, Altsaxophon und Trompete tatsächlich auf vier monophone Stimmen aufgeteilt habe. Aber sonst spielte alles außer Posaune unisono oder oktaviert.
Als Elektroniker fiel bei mir sehr viel Synth-Zeugs an. Flächen, Strings, Effektsounds, Drones, Drums und eine riesige Bandbreite an verschiedensten Leads, also nicht nur die üblichen Rick-Wright-/Manfred-Mann-am-Minimoog-Sachen. Für solche Sachen war der Virus prädestiniert, dem konnten XP-80, XV-5080, K2000RS nicht ansatzweise und häufig auch der MicroKorg nicht das Wasser reichen. Ich habe meine Analogsynth-Sounds ja beinahe alle from scratch selbstgebaut, teilweise mit wahnwitzigem Aufwand bis hin zu sich selbst modulierenden Hüllkurven, um deren Form zu verbiegen. Es gab aber wiederum einzelne Sounds, die der Virus von seinem Klangcharakter (seltener seiner an sich mächtigen Architektur) her nicht packte, die der MicroKorg sehr viel besser konnte. Trotzdem kam vom Virus irre viel in entsprechend vielen Kategorien.
Extrembeispiel wäre "Clouds Across The Moon" von der RAH Band:
- ein atonaler, liegender "Dauer-Hintergrundgeräusch beim interplanetaren Telefonieren"-Sound aus dem Virus
- ein mäandernder, modularsynthesizermäßiger Drone aus dem Virus, der nur mit dem Dauergeräusch zusammen zu hören ist (das Dauergeräusch später aber auch alleine)
- zwei verschieden hohe Piouu-Sounds aus dem Virus
- ein "So stellt man sich in den späten 70ern Computer vor"-Random-S&H-Sound aus dem Virus
- ein dreistimmiger Rechteck-"Tuut"-Sound aus dem Virus
- ein stark modulierter FX-Sound aus dem Virus
- recht hoch gestimmte Simmons-Toms aus dem Virus
- und je ein Synth-Lead aus dem Virus und aus dem MicroKorg – den Sound aus dem MicroKorg hätte der Virus nie im Leben auch nur annähernd so hinbekommen
Der Virus hat nur drei Stereoausgangspaare, hätte aber Sounds in mehreren Kategorien geliefert und für jede dieser Kategorien ein eigenes Ausgangspaar gebraucht. Noch dazu hättest du Synth Leads von zwei Synths bekommen. Aber jeden der beiden Sounds konnte der jeweils andere Synth nicht annähernd adäquat, und der MicroKorg ist obendrein monotimbral, kann also nur einen Sound zur Zeit. Hätte ich Hände und Tasten frei gehabt, wären noch drei weitere Sounds dazugekommen.
Übrigens: Was "adäquat" ist, das definiere, wenn, dann ich. Ich will selbst mit dem zufrieden sein, was meine Maschinen und ich produzieren. Das Publikum kann den Song feiern, der Rest der Band kann mit dem Song absolut happy sein, und mir kann das, was ich da abliefere, immer noch absolut peinlich sein, weil in meinen Augen immer noch völlig unzureichend.
Um meine Ansprüche mal zu skizzieren: Als ich "Back In Stride" von Maze vorbereitete und den Polyleadsound baute, habe ich bald die Krise gekriegt. Es war mir nämlich nicht möglich, den Sound nahe genug an den originalen Budget-Polysynth-Charakter (Juno-60? Juno-106? Polysix?) zu bekommen, weil das 24-dB/Oktave-Filter vom Virus ein zu aggressives, 90er-Jahre-technoides Resonanzverhalten hat. (Die anderen vier Synths wären noch weniger nah an den Sound gekommen.) Und dann hätte ich noch mehr Tastaturen und Hände gebraucht, um dann auch noch die Hammond und das Clavinet zu übernehmen. So blieb der Song immer unvollständig.
Bei "Get Lucky" von Daft Punk war ich heilfroh, daß das Stück in einem frühen Stadium wieder gestoppt wurde. Für den Vocoderpart in der Mitte hätte ich einen anderen, externen Vocoder gebraucht. Der des Virus hat nämlich den konzeptionellen Fehler, daß er einmal pro Stimme auftaucht. Wenn ich den Carrier sechsstimmig spielen will, habe ich sechs Vocoder. Damit wird der Gesamtsound ständig mit der Stimmanzahl leiser und lauter. Statt dessen hätte ich einen einzelnen Vocoder gebraucht, den ich gleichermaßen mit einem ein- oder auch sechsstimmigen Carrier hätte beschicken können. Eine Nebenfigur hätte ich außerdem vorher aufzeichnen/samplen und dann irgendwie songsynchron abspielen müssen. Gestoppt wurde das Stück, weil es bei uns aus irgendeinem Grunde nicht gegroovet hat. Für meine Probleme interessierte sich keine Sau.
"I Feel For You" war hochkomplex und streckenweise wahnsinnig schwierig zu spielen. Gleichzeitig war es für mich eine absolut inadäquate Krücke. Ich wollte die Parts aus der originalen Chaka-Khan-Version 1:1 replizieren, statt sie mit Versatzstücken aus einer Live-Version von Beverley Knight zu versehen, was nicht nur am Fehlen einer Melodica scheiterte (und daran, daß ich nicht Melodica spielen kann wie Stevie Wonder), sondern am Mangel an Tasten und teilweise auch wieder an Händen.
"Boogie Wonderland", mein mit Abstand aufwendigstes Stück ist übrigens auch nie so geworden, wie ich es gern gehabt hätte.
Erschwerend sei an dieser Stelle daran erinnert, daß wir nicht einen (mich), sondern
zwei Keyboarder hatten. Mein Kollege hat zwar keine so extremen Sound-Feuerwerke abgebrannt wie ich, war aber trotzdem quer durch die Kategorien unterwegs (Piano, E-Piano, Streicher, Bläser, Clavinet, akustische Percussion + Handclaps, ein bißchen Synth), auch wenn als Pianist sein Fokus auf dem akustischen Piano lag. Der hat allerdings nicht wie ich seine absoluten Lautstärken alle einzeln vorprogrammiert, sondern viel nach Gehör händisch geregelt.
Eine Fangfrage sei mir zuletzt gestattet: In "Treasure" von Bruno Mars habe ich "nur" vier Parts gespielt – ein Layer aus einem hohen glockigen Sound mit unterliegendem, dumpf gefilterten Sound; einen quäkig resonierenden Synthlead; einen scharfen, wenig gefilterten Saw-Sound für die Akkorde (für den Baßton hatte ich keine Hand mehr frei); die Piouu-Einwürfe. Vier Parts, alle vollsynthetisch, also eigentlich alle Synth. Wie hättest du die auf separate Wege aufgeteilt haben wollen? Von den neun Synth-Sounds in "Clouds Across The Moon" ganz zu schweigen?
Aber "Wie optimiere ich als Keyboarder komplexe Setups damit das auch gut im Livebetrieb verwendet werden kann ?" ist ein komplett anderes Thema as das in diesem Thread.
Das wird auch jeder anders handhaben, und so manch einer wird seinen Weg als den einzig richtigen ansehen und mit Nachdruck versuchen, alle, die davon abweichen, zu "bekehren".
Das Schlagzeug steht nicht immer links
Nein, am Mischpult Kanal für Kanal von links nach rechts.
Kanal 1: Bass.
Kanal 2: Snare.
Kanal 3: High Tom.
Kanal 4: Mid Tom.
Kanal 5: Floor Tom.
Kanal 6: Hi-Hat.
Kanal 7: Overhead L.
Kanal 8: Overhead R.
Martman