Ich hab den EVH 5150 auch lange mit dem Marshall JVM direkt verglichen:
Der EVH 5150 1x12 Combo klingt m.E. besser als der der 50W Head, wenn man den Attenuator benutzt (der tatsächlich funktio
niert und da wirklich Sinn macht).
Klanglich liegt der sehr nahe am EVH Stealth. Der normale 100Watter klingt wieder etwas anders (u.a. weniger Gain).
Positiv anzumerken ist beim 1x12er Combo der Schub, den er im Low End Bereich entwickelt. Da macht sich die geschlossene Kammer bezahlt, wobei ich meine Bedenken hatte, dass das Volumen ausreichend ist. Passt aber und klingt nicht topfig.
Und ich muss zugeben, dass der EVH Celestion Speaker echt gelungen ist. Gefällt mir!
Der blaue Kanal ist der Hammer! Macht wirklich viel Spaß, den zu spielen, ein tighter Metalsound, trotz viel Gain und Kompression noch relativ transparent. Das "federt" schön und Gefrickel in den oberen Lagen geht sehr leicht von der Hand.
Negativ anzumerken ist erstmal der Clean Kanal, den Petri schon ganz treffend als "steril" beschrieben hat. Unangenehme Höhen, schneidendes Anzerren. Man kann ihn zwar so einstellen, dass es "ok" klingt, wird aber mit dieser Einstellung am blauen Kanal
keine Freude haben. Überhaupt muss man hier sehen, dass der EVH ein Zweikanaler und kein Dreikanaler ist. Der Clean "Kanal" ist im Grunde nur eine kleine Zugabe, die so gut es ging, realisiert wurde. Priorität hatten laut Howard Kaplan der blaue und der rote Kanal, an dem durfte nach Vorgaben von Ed nichts mehr geändert werden. Das ist auch der Grund, warum es diese Lautstärkesprünge zwischen Grün und Blau gibt, die eine praxisbezogene Anwendung erschweren. Gleicht man das an - was sich einfach modden lässt, leidet entweder der Sound des blauen Kanals darunter, oder Clean klingt noch harscher und noch verzerrter.
Der rote Kanal ist meiner Meinung nach total over-the-Top. Viel, viel, viel zu viel Gain, da gebe ich Petri Recht und ich habs auch schon vor einiger Zeit an anderer Stelle hier im Forum geschrieben - ab 12 Uhr einfach nur noch unbrauchbar. Ein Sound, der auch mit dem, was für mich eine schöne Röhrenamp-Heavy-Zerre ausmacht, nichts mehr zu tun hat. Extrem hoher "Ear Fatigue" Faktor ist hier gegeben. Klar, es ist erstmal beeindruckend, wie viel Gain da möglich ist und auch mit dem roten Kanal kann man erstmal Spaß haben. Es war für mich aber bereits nach wenigen Stunden einfach nur noch nervig, diese völlig übertriebene Kompression - von der Schaltung her ist das auch ein Irrsinn, wie viele Gainstages da aneinandergehängt wurden mit einem Rauf und Runter des Pegels... klanglich fühlte ich mich an ein (mit Halbleitern aufgebautes) Distortion Pedal erinnert.
Fazit: Blau super, Grün und Rot meh. Trotz vermeintlicher drei Kanäle für mich ein One-Trick-Pony.
Nun zum Marshall JVM.
Den 410er kennt man ja, überall steht er herum, überall wird er gespielt. Session macht seit langem all die Gitarrendemos mit dem Amp, sollte also schon bekannt sein, wie flexibel der ist.
2 Kanäle reichen mir, also finde ich den 205 und 215C Combo interessanter.
Der JVM215C Combo ist im Vergleich zum EVH5150 1x12 Combo wesentlich (!) kleiner und kompakter und natürlich auch leichter - was ich auch sehr gut finde, da hier der Gedanke ums "kleine Besteck" auch wirklich umgesetzt wurde.
Den Druck wie der EVH liefert die Kiste nicht, dennoch ertönt es noch erstaunlich satt und gar nicht topfig. Allerdings kann ich mit dem Celestion K100 absolut nichts anfangen. Eklige Höhen und aufgeblasene Bässe. Kann man ja tauschen.
Positiv anzumerken ist auf jeden Fall die Bedienung, die Aufteilung der beiden Kanäle und deren Gainstufen. Hier ist praktisch nichts dabei, das völlig nutzlos wäre.
Der Clean (1Kanal Grün) klingt für meinen Geschmack um Welten (ja hier sage ich das mal so) besser als beim EVH. Ebenso alles, was vom leicht Angezerrten bis in Hardrock Zerrbereiche geht. Man hat einfach den typischen Marshall Roar, es schmatzt, der Grit ist da, es klingt charakterstark. Der EQ ist wirklich voll umfänglich verwendbar, man muss nicht wie beim EVH extrem auf die Höhen aufpassen. Die Mitten stehen breitbandiger im Raum. Reaktion aufs Volume Poti ist auch besser als beim EVH. Dafür vermisst man diesen "spongy" Hi-Gain Sound, dieses Federn und "Ballern" im Low End Bereich. Dreht man Gain weiter auf in Hoffnung, diesen Sound zu erhalten, fängt der Amp an, etwas "fartige" und matschige Zerre zu erzeugen. Das ist nicht so schön. Hier fehlt einfach der "Draht".
Was eben negativ anzumerken ist: Bei mehr Gain unsaubere Zerre, Matschen, inkl. erhöhter Nebengeräuschentwicklung.
Santiago Alvarez wollte ganz offensichtlich allen, die in Vergangenheit Marshalls gemoddet haben, um mehr Gain zu erhalten, den Wind aus den Segeln nehmen - und ist dabei meiner Meinung nach einfach übers Ziel hinausgeschossen.
Grundsätzlich ist der JVM aber absolut genial aufgebaut. Ich mag das Design sehr, die Möglichkeiten, völlig unkompliziert das Frontboard und die Platine ausbauen zu können, ohne irgendetwas ablöten zu müssen. Die Qualität der Platinen ist sehr gut, man kann sich da nach Belieben austoben und modden, was das Herz begehrt. Selbstverständlich habe ich das auch schon getan und muss sagen, dass man mit ein paar kleinen Änderungen in der Schaltung aus eine gut klingenden Amp einen sehr gut klingenden Amp machen kann. Meiner Meinung nach in Summe all der Sounds und Features der beste Marshall aller Zeiten! Ich habe lange gebraucht, um das zu erkennen, weil ich leider immer wieder auf schlecht gebiaste oder gar kaputte Exemplare gestoßen bin und auch nicht wusste, wie viel besser der Amp mit kleinen Mods klingt. Natürlich steht auch jedem, der das selbst machen kann, der Königsweg offen - ein Kompletttausch der Caps: Klar, der Wert macht mehr aus. Konsens ist auch im JVM Forum, dass es sich nicht lohnt, die Bauteile eines neuen Amps zu tauschen, wenn es nicht aufgrund Alterungsprozessen nötig ist. Ich habe mittlerweile mehrere grundverschiedene Konfigurationen ausprobiert mit diversen Caps (z.B. ein Mix aus MKT1813 und Sozo oder ein Mix aus Mallory 150 und CDE DME - siehe Fotos) und kann nur sagen, dass es absolut erstaunlich ist, was dann mit dem Amp und dem Sound passiert.
Für mich ist der JVM ganz klar der bessere Amp - obwohl ich wie gesagt den blauen Kanal des EVH wirklich gut finde!