Jetzt mischt sich mal ein Soziologe ein [Klugscheiß an]:
Wenn das, um das es geht, Analyse heißt, dann geht es zu Recht um unterschiedliche Ebenen:
a) persönliche - da wird seit einigen Posts drauf rumgeritten und hat auch seine Berechtigung. Persönlich mag man nur die Musik gut finden und die Musiker oder das "Ganze Drumherum" eben nicht oder man mag gerade die Fraktion gut finden und die andere saublöd. Alles unbenommen. Ist jedoch der geringste Teil einer Analyse.
b) musikalisch - da geht es einerseits um Abgrenzung gegenüber anderen Richtungen und andererseits um Differenzierungen innerhalb dieser Richtung und drittens um eine bestimmte Entwicklung der Musik. Auf der rein musikalischen Ebene wäre das eine Beschreibung bestimmter Stilelemente etc. Natürlich wird man immer finden, dass die Abgrenzung irgendwann schwierig wird, da es an den Rändern sozusagen ausfranst, weil es Mischtypen gibt oder Überlagerungen. Der Sinn dessen ist, einen Kern auszumachen, das, was unverzichtbar ist, damit es eben BM ist. So ähnlich wie es Kernelemente von Reggae, Ska, Funk, Blues, Jazz etc. gibt - und weitere Elemente eher umstritten sind oder nicht auf alle zutreffen.
c) gesellschaftlich - ideologisch - Weltbild. Musik und Musikstile schweben nicht im luftleeren Raum. Sie dienen der Identifizierung und der Differenz: Wir sind (bewußt) anders durch... und weil... Auch hier hat man durchaus das Problem der Eindeutigkeit. Aber man wird wohl nicht bestreiten, dass beispielsweise Hippi/Flower-Power, Punk, Reggae etc. zumindest ein bestimmtes Lebensgefühl transportiert oder sogar - zumindest zeitweise - bedeutet (im Sinne von: steht für ein bestimmtes Lebensgefühl). Musik, unter Umständen Texte und/oder "Leitfiguren" (Bob Marley, Bob Dylan, Kobain) sind der Ausdruck einer bestimmten Haltung oder Lebensweise (zum Teil wehren sich diese Leitbilder dagegen, manchmal erfolgreich, manchmal nicht - zum Teil genießen sie es).
Dies generell zu leugnen ist - egal wie man persönlich (siehe a) dazu steht - im Sinne einer Analyse wenig fruchtbar. Aber natürlich gibt es auch hier innerhalb der Musikrichtung Gegenbeispiele, Figuren an den Rändern, unterschiedliche Fraktionen und vor allem Entwicklungen. Wurde der Punk dadurch verwässert, dass er Erfolg hatte und nun Leute auf den Zug springen, die sich aufgerissene Edeljeans für Schweinekohle kaufen, um sich das Lebensgefühl, Punk zu sein, zu gönnen?
Dass genau dies passiert (und zwar mit geradezu beklemmender Vorhersagbarkeit) ist eben genau der Ausdruck dafür, dass irgendwas an diesem Lebensgefühl attraktiv ist, damit zur Mode wird und damit "untrue". Gerade extreme Positionen üben diesen Reiz aus und geraten in diese Sogwirkung - bis unter Umständen die ehemaligen Urgesteine sich davon lossagen, weil es nicht mehr "ihr Ding" ist.
d) Warencharakter und Kommerz. Das wäre die ökonomische Ebene. Die läßt sich in der Regel gut nachweisen - anhand von Verkaufszahlen, MTV- und Chart-Tauglichkeit, bis der erste BM-song für den Verkauf von irgendwas dient und Bravo-kompatibel wird. Ablesbar ist dies auch über einen Wechsel von kleinen underground-labeln zu Majors, zum Promoten von Gruppen und Stars, mit den Versuchen der Majors, Epigonen zu klonen, um sie gut vertreiben zu können und daran ihr Scherflein zu verdienen.
All das wäre Bestandteil einer Analyse, die über eine reine musikalische Analyse hinausgeht.
Natürlich kann und soll man darüber streiten. Das kann sehr fruchtbar sein und die Konturen dessen schärfer heraustreten lassen, was BM (heute) ist und bedeutet.
Eine reine Auseinandersetzung über: den mag ich, den mag ich nicht - Ideologie ist mir egal - untrue ist eh doof bringt allerdings in der Regel wenig.
[Klugscheiß off]
x-Riff