Musik"theorie" lernen ohne jemanden, der einen zumindest ein wenig unterweist, halte ich für schwierig. Das ist auch das Manko mehr oder weniger aller Bücher, da viele recht bald stecken bleiben, da sich kaum eines zum Selbststudium eignet. Meiner Erfahrung nach lohnen sich die Bücher erst dann, wenn man in den absoluten Basics einigermaßen sicher ist.
Wie schon mehrfach gesagt, gehört unbedingt auch Praxis dazu, also die Kenntnis seiner favorisierten Musik, indem man sie (soweit technisch machbar) selber spielen kann (muss aber ohnehin nicht ´perfekt´ sein). Theorie, die sich nicht auf die Praxis bezieht, ist eine leere Hülse nahezu ohne Wert.
@Barely, deine Akkordfolge "D-Moll --> "A-Dur 1. Umkehrung --> F-Dur 2. Umkehrung -->E7 1. Umkehrung" wurde ja schon funktionsharmonisch analysiert als:
t - D (als Sextakkord) - tP (als Quartsextakkord) - DD7 (in Worten: Tonika - Dominante - Tonikaparallele - Doppeldominantseptakkord).
Insofern keine sonderlich ungewöhnliche Akkordfolge, eher schon ziemlich konventionell.
ABER (1): da die Doppeldominante nicht wie üblich über die Dominante in die Tonika weiterführt, bzw. die Dominante als harmonisches Zwischenglied vor der Wiederholung fehlt, ´schwebt´ die Folge etwas unschlüssig (sogar im Wortsinn) in der Luft. Du möchtest, dass die Folge nach dem DD7 sofort wieder in die (Moll-)Tonika springt. Das ist nicht verboten, es gibt auch keine Regel in irgendeiner Harmonielehre, die derartiges untersagen würde. Harmonielehre ist ja auch keine Art "Musik-Bürgerliches Gesetzbuch".
ABER (2): Die guten - weil Praxis-bezogenen - Harmonielehren listen gewisse Regeln auf, die aus der existierenden Musik
abgeleitet wurden, und zwar aus Musik, die sich als klanglich gut , schlüssig und ausgewogen erwiesen hat. Das Ganze muss dazu aber immer noch im historischen und stilistischen Kontext betrachtet werden. Was für Bach-Choräle gilt, muss und wird nicht im gleichen Maße gültig sein für/im Pop, Blues usw.
Insofern lohnt es sich durchaus, sich mit der Musiktheorie seines bevorzugten Genres zu beschäftigen, insbesondere, wenn man Komponieren möchte.
Ob und wie sich deine Harmoniefolge in der Praxis behaupten kann, obwohl sie wie beschrieben gegen gewisse Konventionen verstößt, kann sich nur in der Praxis erweisen. Dazu gehört auf jeden Fall irgend eine Art von Melodie, sei sie notiert fixiert oder improvisiert. Wenn du irgendwann das Gefühl bekommst, dass sie sich nicht behaupten kann, weil sie zu unschlüssig, zu langweilig oder was auch immer ist, dann kann dir die "Theorie" weiter helfen, weil sie dir gewisse etablierte Konventionen aufzeigt, die sich als ´gut funktionierend´ erwiesen haben.
Ich würde deine Folge wegen des offenen Schlusses eher als eine Art "schwebende Harmoniefolge" bezeichnen [das ist
kein etablierter Fachbegriff], vielleicht auch als eine Art "erweiterte Pendelharmonik" [in dieser Wortkombination auch kein Fachbegriff]. Die Folge pendelt, obwohl in sich konventionell angelegt, unschlüssig in sich selbst zurück.
Kann funktionieren, kann auch etwas meditatives haben - muss aber nicht.
Ein Buch, das die grundlegendsten Basics meiner Erfahrung nach sehr systematisch und anschaulich bringt und durchaus auch dem Selbststudium entgegen kommt ist dieses:
https://www.dux-verlag.de/autoren/c...iklehre-und-grundlagen-der-harmonielehre.html
Ich benutze es als Einstiegslektüre in meinen Theoriekursen an der Musikschule.
Noch ein Nachtrag zu den Moll-Skalen:
Die Aufteilung in "natürlich", "harmonisch" und "melodisch" ist eine rein akademische. Im Sinne einer übersichtlichen Systematik mag das zwar akzeptabel sein, aber es ist musikhistorisch praxisfern.
Die "natürliche" Moll-Skala gehört historisch in die Zeit der modalen Muisk (Stichwort "Äolisch"), also mehr oder weniger ins Mittelalter bis etwa zur Frührenaissance. Spätestens seit dem Frühbarock enthalten Kompositionen in Moll nicht nehr nur die kleine Septe, sondern auch die große Septe und dazu die große Sexte um bei aufwärts gehenden Melodielinien den Hiatus zwischen kleiner Sexte und großer Septe zu vermeiden (den ja die "harmonische" Moll-Skala bringt).
Diether de la Motte plädiert daher in seiner Harmonielehre, die Mollskala so zu vervollständigen, dass sie alle in den Stücken ab dem Frühbarock vorkommenden Leitertöne auflistet. Also Prime, Sekunde, kl. Terz, Quarte, Quinte, kl. Sexte, gr. Sexte, kl. Septime, gr. Septime.
D-Moll hätte demnach die fiolgende Töne als Skala: D, E, F, G, A, Be, H, C, Cis.
Ich habe es zwar früher auch anders gelernt und zähle wegen der Systematik auch im Einsteigerbereich der Kurse auch erst mal die drei Varianten auf, ergänze jedoch später zu der vervollständigten Version. Denn spätestens bei der Analyse einer x-beliebigen simplen Moll-Barockarie kommt man sonst schon ins Straucheln, und die Schüler fragen sich "wo kommt denn jetzt das Cis her, das ist doch in der Skala gar nicht enthalten?".