Einen SY77 hab ich auch auf Lager
Anders als der im Nachbarthread besprochene D-50 hat der SY keine "eingebaute analog-Assoziation" - soll heissen, sein Grundcharakter begünstigt solche Sound imho nicht so sehr.
Auf dem Papier sind zwar ohne Ende Zutaten vorhanden, um warme Klänge zu erzeugen: Layermöglichkeiten, üppige Filter- und Modulationsmöglichkeiten.
Aber in der Praxis gelingen dicke Polysynths, warme Flächen und Bläser auf einem D-50 erstmal überzeugender, während der SY halt wie ein ROMpler von 1990 klingt. Er kann sich weder bei klassischen Synth-Sounds noch bei Natur/Romplersounds von den technisch viel simpleren Korg-Geräten (01/W) und Rolands (D-70, JD-800, JV-80) positiv abheben.
Die wirkliche Stärke ist, daß es eigentlich ein erweiterter DX7 mit Effekten und ein paar Samples ist. Und das bedeutet, daß er seinen ROMpler-Zeitgenossen einige wichtige und interessante Klangeigenschaften voraus hat: die rohe brachialgewalt der Sinusoperatoren, die abgrundtiefe Bässe, massive Mitten oder klare, synthetisch schimmernde Höhen mühelos hinbekommen. Die unerreichte, stufenlose Dynamik der FM, der "Snappy" Impact der DX-Hüllkurven. Die Rolands, Korgs, Ensoniqs & co hatten vergleichbares nur in Form weniger statischer Preset-Waveforms im Gepäck.
Die stärkeren der SY-Rom-Sounds sind die, die eigentlich zu 75% auch mit einem DX7 machbar wären, dessen Plastiksound aber durch eine Samplekomponente erweitert wurden und zusätzlich vom Effektprozessor und den umfangreichen Stereo-fähigkeiten des SY profitieren.
Etwas überschätzt wurden und werden m.E. die im Vergleich zum DX erweiterten FM-Fähigkeiten: schön, er also ein paar weitere Operatorwellenformen, aber dieses Feature scheint bei den mir bekannten SY-Sounds selten zur Anwendung zu kommen. Sicherlich helfen sie in speziellen Fällen, Operatoren einzusparen oder zusätzliche Farben einzubringen, aber insgesamt ist dieses schon von den früheren 4OP-FM-Synths bekannte Feature wenig revolutionäres bewirkt zu haben. "Aktive" AFM-Programmierer werden das besser bewerten können - ich erzähl hier eher als Beobachter, der halt ein paar SY-Sounds auf seinem 77er durchprobiert hat
Auch die Variante "Sample moduliert FM" hört sich spannender an, als sie ist: in der Regel produziert eine solche Interaktion nämlich eher noisiges Chaos als wohltönende, innovative Sounds (das kann man auf einem modernen Nord Wave übrigens viel intuitiver und spassiger erforschen).
Natursamples, Klänge mit Schwebungen und geräuschhaftem Anteil erzeugen in der FM in erster Linie Rauheit und Verzerrungen; der klare, direkte Sound, den man mit FM verbindet kommt ja gerade daher, daß dort astreine, saubere Sinuswellen interagieren - und keine Röchelchöre, Streicherpads, Noissamples und sonstiges diffuses Zeug.
Natürlich kann man das (wohldosiert!) gewinnbringend Einsetzen, aber es tut sich keine atemberaubende, neue Welt auf - im Sinne von neues Klanggenre und so.
Ist eher eine weitere Option, um inharmonische Anteile zu erzeugen.
Ich würde sagen, letztlich hat sich beim SY der damit verbundene Traum der vollkommen neuen "Über-FM" nicht ganz erfüllt: er hat den schon komplexen DX noch komplizierter gemacht (kein neuer Bedienansatz, stattdessen Parametermenge verdoppelt) und ist in eine Zeit geboren, in der samplebasierte Romplersounds interessanter waren als synthetische Klangforschung.
Der SY bedeutet nicht so sehr "interaktion von FM und subtrativer Klangerzeugung", sondern eher ein banales Nebeneinander & Layern der beiden Welten.
Was aber auch nicht schlecht ist!