Moin Sinisterium,
ich finde Deine Threads sehr spannend. Ich bin selbst zwar kein Autist, aber kann Deine möglicherweise neurodivers bedingte Akribie ganz gut nachvollziehen.
Leider entgleisen Deine Threads immer. Das liegt wohl daran, dass jeder, der mit gutgemeinten Ratschlägen kommt, die aber, zumindest meiner Beobachtung nach, am Kern des Problems vorbeigehen, von Dir mit einer ehrlichen Antwort rechnen muss. Das wird auch neurodivers bedingt sein, schätze ich. Wenn ich Dir also Quatsch erzähle und Du mir sagst, dass es Quatsch ist, dann habe ich kein Problem damit, das auch anzuerkennen. Zumindest ist Dein neuster Thread von Vester auch wieder geschlossen worden. Ist vielleicht auch sinnvoll, weil es sich sowieso im Kreis dreht.
Ich habe mich in den letzten Jahren hier nur selten blicken lassen und auch nur selten Tipps abgegeben. Ich habe eigentlich alle Tipps, die ich geben könnte, schon irgendwo einmal geschrieben und ich hasse wiederkäuen. Aber im Augenblick kann ich nicht Gitarre spielen, weil mir mein Rücken einen Strich durch die Rechnung macht... von daher, wenn irgendwer von mir jetzt gerade frische DannZeigDochErstmalWasDuKannst-Videos verlangt: Kann ich nicht mit dienen, leider.
Zu diesem Thread: Ganz weit vorn hast Du geschrieben, dass Deine rechte Hand Probleme macht. Ok, Du bist erlernter Rechtshänder, las ich, und von Natur aus aber beidhändig veranlagt. Ist also die Anschlagshand bei Dir.
Ziemlich weit vorn, schon auf der ersten Seite dieses Threads, hat Dir jemand den meiner Meinung nach entscheidenden Tipp gegeben:
https://www.musiker-board.de/thread...espielen-neu-orientieren.753464/#post-9722254
Wir hatten hier so einige Profis im Board, ein spezieller ist mir besonders haften geblieben, er fiel mir wegen seiner präzisen Analysen auf, aber auch ist er regelmäßig aus Foren geflogen, weil... tja... unsere Welt ist, wie sie ist. Wir sind jedenfalls Facebook-Freunde und ich kann sagen, dass er auf professionellem Level spielt. Nicht unbedingt flashy mit dem heißestem Scheiß aus der Shred-Kiste, aber er hat MESSERSCHARFES TIMING.
Jedenfalls vertrat und vertritt er den Spielansatz des konsequenten Alternate Pickings. Das ist ziemlich old school, war gängige Lehre bis in die 1980er Jahre und macht trotzdem auch heute noch Sinn. Den ganzen Mist wie Tapping, Sweeping, Economy, Legato und haste nicht gesehen vergiß erstmal. Zuerst konsequent und korrektes Alternate Picking und zwar in Time. In Time. IN TIME!
Das ist schwerer als es niedergeschrieben ist. Und erst recht schwerer, als es gelesen ist. Ich habe mal ein Interview mit Peter Weihe gelesen, der darüber philosophierte, auf welche Schwierigkeiten man im Mikrotiming so stößt, wenn man mal genauer hinschaut. Wenn Du eine Saite greifst und sie nur minimal verschiebst, dann veränderst Du den Anschlagszeitpunkt und somit den Groove. Und Du konterkarierst vielleicht sogar Deine Selbstwahrnehmung, denn jeder Musiker muss aufpassen, dass er sich auch wirklich selbst hört und nicht von seiner Erwartung hereingelegt wird, was darin resultiert, dass man ganz schön überrascht werden kann. Vielleicht führt Dein Autismus ja dazu, dass Deine Selbstwahrnehmung objektiver als im Durchschnitt ist. Will sagen: Wenn Du den Eindruck hast, es ist scheiße, dann ist es vielleicht wirklich so, gemessen am angestrebtem Ergebnis.
Was The Final Countdown angeht und die Diskussion, ob economy oder alternate picking: Ich war immer der Meinung, dass es nach alternate picking klingt. Ich war schon erwachsen als die Nummer herauskam und dachte direkt, dass Yngwie aber einen schlechten Tage gehabt haben muss... (dass Norum und Malmsteen sich tatsächlich kannten, las ich dann erst später in der Bravo meine kleinen Schwester) Economy Picking klingt gleichförmiger. Aber genau sagen wird uns das niemand können, denn es existieren keine Videoaufnahmen aus dem Studio und live habe ich den Eindruck, dass auch John Norum sehr zu kämpfen hat mit der Arpeggio-Passage. Ich habe es mit Alternate Picking probiert, aber es ist wirklich, wirklich sauschwer. Das kommt daher, dass das Gehirn bestrebt, möglich effizient abzuspeichen. Und einen Bewegungsablauf zu lernen ist ihm lieber, als die gleichen Töne mit zwei verschiedenen Bewegungsabläufen, die dann auch noch in Synkopen koordiniert werden müssen, dauerhaft in seine Synapsen zu brennen.
Was hierbei helfen kann, wenn man sein Maximum an Neuroplastizität überschritten hat, sind Balanceübungen. Oder anders gesagt: Wenn man älter als 25 Jahre ist und in Memory gegen jeden kleinen Sandkastenscheißer verliert, dann sollte man sich dieses Video von Justin Sandercoe ansehen
View: https://youtu.be/1xY1VS5-rqQ?si=R-IEh2Y2ZRFfQi_6
Ich habe es probiert, ich verliere schon seit längerer Zeit jedes Memorybattle gegen X-beliebige Dreikäsehochs als hier das durchschnittliche Alter sämtlicher User ist und kann sagen, ja, ich habe mir mit dieser Hilfe Skalen draufgeschafft, die ich nie brauchte und sie sitzen bombenfest in meinem Gedächtnis.
Zum Thema, wie man etwas übt. Das ist ein großes Thema und es gibt einige gute Ansätze. Aber keiner davon ist einfach langsam anzufangen und das Tempo graduell zu steigern. Das wäre ja aucg zu schön. Klassische Musiker wissen es schon seit langem, ich spiele in einer Prog-Band mit einem klassischem Violinisten und der gab mir einige Tipps. Z.B. den, mit Rhythmusformeln zu arbeiten. Das funktioniert am besten bei Sachen, die längere 16tel-Ketten sind, und geht so:
s= sechzehntel, a=achtel
Angenommen, Dein Material sieht so aus
sssssssss...
Du teilst es dann in zwei Hälften und veränderst den Rhythmus. In der ersten Hälfte spielst Du Achtel-Sechzehntel, also
asasasas...
In der zweiten Hälfte machst Du es andersherum, also Sechzehntel-Achtel
sasasasa...
Letzlich machst Du aus dem binären Rhythmus einen ternären, und achtest aber darauf, dass Du die Anschlagsrichtung peinlich genau einhältst.
Das ist eine Möglichkeit, schnelle Passagen zu lernen
. Hier sind noch andere beschrieben. Die Website ist leider weg. Aber die Waybackmachine hat sie noch... Dort ist eine komplizierte Form der Arbeit mit Rhythmusformeln beschrieben.
Das Final-Countdown-Solo würde ich aber anders lernen: Und zwar in Vierteln, also die komplette Arpeggiopassage in msuikalische Viertel aufteilen, so dass Du jede rhythmische Permutation einzeln lernst. Vielleicht mit upspeeden, wenn Du die Geläufigkeit und die musikalische Vorstellungskraft noch nicht hast. Aber keines falls die komplette Passage bereits am Anfang an einem Dtück lernen. Ich habe es zumindest bis zum Tempo 116 relativ gut gelernt, die letzten beiden BPM sind aber schwierig. Ob es nur für mich so ist oder allgemein, das kann ich nicht sagen. Das Teil hat ja 32tel, das wäre dann vergleichbar mit 16tel bei Tempo 236, was schon eine echte Hausnummer ist. Nix für Anfänger. Auch das Hells Bells-Solo ist trickier als es aussieht... zumindest, wenn man es exakt machen will. Irgendwo sah ich gutes YT-Video hierzu. Ich habe das Solo aber nie gelernt, obwohl es der Anlass dafür war, dass ich überhaup zur Gitarre griff. Alter, das war 1980...
Zur Frage, ob Du Solo- oder Rhythmusgitarre lernen sollst. Mach Dir einmal Gedanken, wo genau der Unterschied liegt. Das Mindset ist ein anderes. Als Rhythmusgitarrist übernimmst Du rhythmische Verantwortung. Andere verlassen sich auf Dich. Also Sologitarrist übernimmst Du aber auch rhythmische Verantwortung. Du bist Dir dessen vielleicht nur nicht bewusst, aber eine lebendige Band wird Dir folgen. Es sei denn, es sind Honks, die nicht zuhören und an keiner Kommunikation im musikalischen Sinn interessiert. Aber worauf ich hinaus will: Sowohl als Rhythmus- als auch als Sologitarrist kommst Du um rhythmische Verantwortung nicht herum, wenn Du Teil der Musik sein willst und Dich selbst als Teil der Musik erleben willst. Wenn Dein Rhythmus nicht stimmt, dann fliegst Du aus der Kurve, oder wie De selbst es sagst "auseinander". Deshalb habe ich auf den Kollegen in diesem Thread
https://www.musiker-board.de/thread...respielen-neu-orientieren.753464/post-9722254 verwiesen. Nichts anderes sagt er. Aber es leider etwas zu knapp formuliert, als dass Du konkreten Nährwert daraus ziehen könntest.
Zum Thema rechte Hand, Alternate Picking als Grundlage auch und gerade im Solo schreibe ich vielleicht später etwas. Wie gesagt, ich kann momentan selbst nicht spielen wegen Rückens, musste Gigs absagen, bin krankgeschrieben und habe Zeit.
Grüße Thomas