Ich, weiblich, klicke mich nach längerer Inaktivität hier im Board heute mal wieder durch die neuen Threads und bin jetzt hier gelandet. Jetzt habe ich die 27 Seiten quergelesen und bin über eine ganze Reihe Beiträge schockiert, fassungslos und regelrecht angeekelt. Bei mir ziehen sich sexistische Sprüche und Diskriminierung aber auch (sexuelle) Übergriffe durch Männer durch mein gesamtes Leben. Eigentlich äußere ich mich zu diesem Thema nicht mehr. Einfach weil ich die Anfeindungen und Diffamierungen die da in der Regel drauf folgen einfach nicht mehr aushalten will. Aber da hier bisher nur wenige Frauen an der Diskussion beteiligt gewesen sind, werde ich meine Sicht jetzt doch noch darstellen.
Musik ist für mich ein Hobby, ich kann daher zu Vorkommnissen im professionellen Bereich nur wenig beitragen. Aber auch im Hobbybereich wird man immer wieder mit Stereotypen konfrontiert. Das mag nicht immer bewusst geschehen, aber deswegen kann man es noch lange nicht übersehen und als gegeben hinnehmen. Ich erinnere mich noch gut an Diskussionen im weiteren Bekanntenkreis, ob Frauen als Sängerinnen in Metalbands mitwirken sollten. Da gab es bei den Männern in der Diskussionskonstellation die überwiegende Meinung, dass dadurch die Musikrichtung verweichlicht werden würde. Frauenstimmen würden einfach nicht dazu passen und wären doch eher im seichten Pop aufgehoben. Auf die Anmerkung, dass ja dann die kräftigen Männerstimmen nach dieser Logik in der Popmusik nichts zu suchen hätten, wurde wegwischend („Das ist ja was ganz anderes“), teils sogar aggressiv reagiert. Auch bei Auswahl von Musikinstrumenten ist mir immer wieder aufgefallen, dass Mädchen gerne von Eltern aber auch Lehrkräften in ihrer Wahl stark behindert werden. Ich habe schon öfter Aussagen gehört wie „Das ist doch aber nichts für Mädchen. Guck doch mal die Flöte ist doch so schön.“ oder ähnliches. Mädchen werden immer noch dazu erzogen leise, lieb, unauffällig und brav zu sein. Sie sollen sich nicht in den Mittelpunkt stellen und auf andere Rücksicht nehmen. Das passiert im Elternhaus und in den Schulen. Gegenteiliges Verhalten wird bei Mädchen bestraft und bei Jungs oft gelobt oder eben mit „So sind Jungs halt“ entschuldigt. Es fängt also hier schon an mit dem Setzen unterschiedlicher Maßstäbe. Aktuell sehe ich diese Ungleichbehandlung und auch Geringschätzung wieder im Musikkontext. Ich bin ehrenamtlich in der Kirchenmusik unterwegs. In der Band sind alles nur Frauen vertreten. Die meistens Ü50/Ü60. Viele Besucher bedanken sich für die Musik. Aber es fallen immer wieder Männer auf, die Sprüche äußern wie „Ach, da haben sich die Mädchen ja heute wieder bemüht“ oder „Hübsch sehen die Damen heute aus“. Ich frage mich da, wie diese Männer reagieren würden, wenn man auf ihre Leistungen so reagiert. Auffallend ist auch, dass bei allen musikalischen Aktivitäten, die eher wenig wahrgenommen werden, selten Männer mitwirken. So bald aber mehr öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen anstehen, drängen sich einige Männer plötzlich in den Mittelpunkt. Hier kommt dann wieder die klassische Rollenverteilung zu Tage, Frauen im Hintergrund und Männer im Vordergrund. Dabei haben die eigentlichen Leistungen kaum Bedeutung.
Außerdem glaube ich immer daran, dass jeder Mensch, der die entsprechende Leistung und das Engagement einbringt, unabhängig vom Geschlecht das gleiche erreichen kann, egal, ob im musikalischen, im politischen oder wirtschaftlichem Bereich.
Glauben kann man viel, aber es entspricht nicht unbedingt der Realität. Ein Beispiel aus meinem Leben. Ich habe mich auf eine neue Arbeitsstelle beworben und war bereit dafür mehrere hundert km umzuziehen. Beim Vorstellungsgespräch saßen mir dann die beiden Vorgesetzten (männlich) gegenüber. Als erstes stellte man meine Gehaltsvorstellung als lächerlich dar. Ich (bereits mehrere Jahre Berufserfahrung und sehr gute Arbeitszeugnisse) müsse doch erstmal in der Praxis beweisen, dass ich das Geld überhaupt wert bin. Danach wurde mir dann noch präsentiert, dass ich als Frau keinen unbefristeten Arbeitsvertrag erwarten kann. Damit ich nicht auf die Idee komme schwanger zu werden. Die Stelle wurde mir tatsächlich zu den Konditionen angeboten. Ich habe abgelehnt und später eine andere Stelle angenommen. Die war für mich fachlich aber weniger gut und hat mich entsprechend ausgebremst.
Jetzt ist aber bekannt, dass sich Mädchen - neben anderen Gründen - auch lieber auf Berufe einlassen, wo nicht so viele Männer arbeiten, weil sie befürchten, sonst diskriminiert zu werden. Hast Du das noch nie erlebt?
Und auch hier: Siehe oben! Wo sollen die Frauen in den technischen Berufen herkommen, wenn sie für unfähig gehalten werden (gehalten hat hier einen doppelten Sinn)?
Ganz genau das ist ein massives Problem. Ich habe einige Monate in einem metallverarbeitenden Betrieb gearbeitet. Genauer gesagt im Bereich KTL- und Pulverbeschichtungen (Hoffe das ist technisch genug). Dumme Sprüche waren eigentlich an der Tagesordnung. Dazu kamen aber noch andere Faktoren. Teil meines Jobs war es den Mitarbeitern an den Lackierlinien Anweisungen zu geben. Ich war die einzige Frau in der Abteilung und hatte noch einen männlichen Kollegen mit ähnlichen Aufgaben. Meine Anweisungen wurden grundsätzlich ignoriert, die vom männlichen Kollegen immer genau umgesetzt. Der Chef hat mich dann jedes Mal dafür verantwortlich gemacht, wenn die Badparameter fehlerhaft waren. Ich habe dann irgendwann gekündigt. In anderen Jobs ist es auch schon vorgekommen, dass mir männliche Kollegen Werkzeuge aus der Hand gerissen haben, mit den Worten „Lass das mal besser einen Mann machen“. Ständig schlecht bezahlt werden, nur befristete Verträge bekommen, nicht ernst genommen werden… Ich hatte irgendwann keine Lust mehr und bin ins Büro gewechselt. Die Arbeit macht mir aber keinen Spaß. Dann kamen noch die Auswirkungen der Pandemie dazu. Jetzt studiere ich nochmal und wechsel ins Lehramt. Nicht dass es falsch rüber kommt, es spielten da noch andere Faktoren rein, aber das Verhalten der männlichen Kollegen und Vorgesetzten hatte keine unerhebliche Rolle. Wie gesagt, ich bin nicht im professionellen Musikbereich unterwegs. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dort in den männerdominierten Bereichen oft ähnlich agiert wird. Und da muss man dann eigentlich auch ansetzen. Eine Quote bietet vielleicht erstmal überhaupt die Möglichkeit in den Bereich zu kommen. Wenn jedoch die Bedingungen so schlecht und nicht zumutbar sind (Mobbing, Diskriminierung etc.) dann wird dort keine Frau lange bleiben. Ein wichtiger Schritt ist auf jeden Fall den Missstand immer wieder anzuprangern.
"Mann WILL das Frau gleichberechtigt wird" - Frau kommt bei der ganzen Thematik aber nicht wirklich vor.
Dann spreche ich doch mal als Frau: „Frau WILL das Frau gleichberechtigt wird“.
Erfolg ja bitte, aber nichts anderes dafür aufgeben. (Familie, Kinder ...)
Erfolg ja bitte, aber nichts anderes dafür aufgeben. (Familie, Kinder ...)
Leider macht das dann auch den feinen aber entscheidenden Unterschied. Familie und Kinder haben für Frauen einen höheren Stellenwert als für viele Männer.
Und die nächsten Vorurteile. Wenn Familie und Kinder für Männer keinen hohen Stellenwert haben, wieso muss ich mir als (ungewollt) kinderlose Frau dann immer wieder, vorallem auch von Männern, anhören ich wäre eine „egoistische, karrieregeile Emanze“? Und das nur, weil ich keine Kinder habe. Gerne dann noch mit der Forderung garniert, dass Leuten wir mir später keine Rente gezahlt und auch keine Pflegearbeit für mich geleistet werden sollte. Mit meiner Kinderlosigkeit würde ich der Gesellschaft schaden. Ja was denn nun? Soll ich jetzt für einen guten Beruf und finanzielle Absicherung auf Kinder verzichten oder Kinder für die Rente produzieren? Wie man es macht, ist es falsch.
Daran zeigen sich doch die Probleme. Man macht es Frauen in männerdominierten Arbeitsbereichen, wie der Musikbranche, schwer Fuß zu fassen. Frauen sollen sich zwischen Arbeit und Familie entscheiden. Männer müssen das aber nicht. Jedenfalls habe ich noch keine ernsthaften Diskussionen dazu gehört. Die meisten Männer gehen einfach selbstverständlich davon aus, dass ihnen von den Frauen der Rücken freigehalten wird. Sie machen Karriere, die Frau kümmert sich um Küche und Kinder. Wieso ist das umgekehrt nicht auch selbstverständlich? Dann kommt oft noch eine respektlose Behandlung dazu. Es fehlen Strukturen für die Frauen, damit sie überhaupt Berufe ausüben können, die Überstunden oder Dienstreisen erfordern. Es müssen in der Arbeitswelt endlich auch die Bedürfnisse der Frauen berücksichtigt werden. Und es muss in den Köpfen ankommen, dass Frauen genauso viel wert und nicht weniger begabt oder unbegabt sind wie Männer. Aber genau daran scheitert es.