Moin in die Runde!
Spannendes Thema, da möchte ich gerne ein bißchen Senf dazu tun.
Als erstes mein Motto:
"Man lernt ein Instrument zu spielen, indem man das Instrument spielt."
Nun ein paar "Kapitel". Der praktischste Hinweis als erstes:
Üben:
Mir hat es sehr viel gebracht, meine Instrumente griff- bzw. spielbereit unterzubringen, auch wenn ich dann vielleicht einmal mehr abstauben muss. Seitdem mache ich immer mal wieder ein paar Minuten nebenher etwas, und wenn ich mir die Ukulele greife und mal 5 min das neulich auswendig gelernte Blues-Muster rekapituliere. Falls das morgens passiert, bleibt es dann natürlich bei ein paar Minuten, abends kann es sich auswachsen
Eine ganz wichtige Sache: 3 x 10 min üben bringt mehr als 30 min am Stück! In der Zwischenzeit arbeitet der Kopf, und man macht mehr Fortschritte. Ich spiele auch Kirchenorgel (mit 47 Jahren angefangen), und leider neigen viele Liturgen dazu, einem die Lieder für Sonntag erst ziemlich spät mitzuteilen, Donnerstag ist oft das früheste. Im schlimmsten Fall muss man 5 Lieder spielen, die man noch nicht kennt. In so einem Fall mache ich viele kleine Übungseinheiten, z. B. morgens, mittags, abends.
Bei der Gitarre und ähnlichen Instrumenten gibt es natürlich eine Ausnahme: als absoluter Anfänger muss man erst einmal sehr regelmäßig üben, bis die Hornhaut da ist, das kann auch mal ziemlich wehtun
aber auch hier gilt: ein paar Minuten täglich sind durchaus ausreichend, das täglich ist in diesem Fall wichtig.
Spielen in einer Band:
Wenn man sich für viele Musikstile interessiert, findet man oft Möglichkeiten, an die man nicht so denkt. Ich spiele z. B. Akkordeon
beim Shanty-Chor, und da ist Alter überhaupt kein Hinderungsgrund, ganz im Gegenteil, viele finden erst spät die Zeit dafür. Wir haben eine coole Band aus 4 Akkordeons, 2 Gitarren, Bass und Schlagzeug. 2 Akkordeonspielys und der Bassist sind 70-80 Jahre alt. Die Schlagzeugerin ist jetzt zu uns gestoßen, weil sie jetzt in der Rente mal Zeit für so was regelmäßiges hat (spielt allerdings schon ihr Leben lang). Da wir nur einen Bassisten haben, habe ich letztes Jahr mit Bass begonnen, um ihn ggf. mal vertreten zu können.
Mein musikalischer Lebenslauf:
Nicht klassisch, nicht erstklassig ... deshalb nenne ich mich Dilettantin, ich spiele aus Spaß an der Freude. Ich weiß, dass ich einiges technisch gesehen nicht erreichen kann, aber ich weiß auch, dass ich ein paar Sachen so mache wie kaum jemand anderes, was eben aus meiner persönlichen Geschichte resultiert, z. B. spiele ich ab und zu Wiener Walzer oder Santiano auf der Kirchenorgel.
Von der Vorschule bis zur 4. Klasse musste ich Blockflöte lernen (meine Mutter hat mir nichts anderes erlaubt) .... ich weiß, es kann auch ein schönes Instrument sein, aber ich würde sie nie wieder anfassen wollen ... grusel. Was hat es mir gebracht? Das wichtigste: ich habe Noten gelesen, bevor ich Buchstaben konnte. Und eine gewisse Fingerfertigkeit.
Zu Hause habe ich kaum Musik kennengelernt, es war immer stumm um mich herum. Als John Lennon 1980 starb und wir Beatles in der Schule im Musikunterricht durchnahmen, was das wie ein Erweckungserlebnis.
Daher wollte ich natürlich E-Gitarre lernen. Ich bekam eine Kaufhaus-Gitarre und einen VHS-Kurs. Da diese Gitarre schon im dritten Bund nicht mehr bundrein war und sich nicht richtig stimmen ließ, gab es dann eine Ostertag-Konzertgitarre, nach dem VHS-Kurs dann Musikschule für klassische Gitarre
da ich den Unterricht mit einer deutlich langsameren Freundin gemeinsam machte, kam ich erst voran, als sie aufhörte. Und dann gab´s endlich mal was tolles: spanische Gitarre! Olé! Leider hörte mein Lehrer kurz danach auf, der neue konnte wieder nur Klassik, und ich hatte die Nase gestrichen voll ... das war´s dann erst mal mit Gitarre, da war ich wohl so 15 Jahre alt.
Mit 18 Jahren entdeckte ich das Akkordeon, fand einen tollen Lehrer und ein tolles Akkordeon, und stieß mit 26 Jahren zum Shanty-Chor, wo ich dann 10 Jahre blieb und dann aus Zeitgründen erst einmal aufhörte. Das war 2005. Letztes Jahr habe ich wieder angefangen, weil die Sehnsucht doch groß war, es war genau richtig und hat mir einen totalen Kick gebracht.
Zwischen 2005 und 2021 habe ich mit dem Akkordeon eher wenig gemacht, drei Theater-Projekte z. B. Die Gitarre lockte ein wenig, ich fing ein Western-Buch an und tauschte die Ostertag gegen eine einfache Epiphone Westerngitarre. Da merkte ich dann erst, wie bescheiden die Ostertag zu spielen war, viele Schwierigkeiten beim Greifen hingen an dieser Gitarre und waren mit einem Mal wie weggeblasen! Mit dem Buch habe ich überhaupt erst mit Plektrum spielen gelernt, aber es reichte noch nicht, um den Knoten platzen zu lassen.
Dafür habe ich 2016 die Kirchenorgel entdeckt und mir das meiste selbst beigebracht. Dank einer elektronischen Kirchenorgel zu Hause habe ich mir mit 6 Monaten Übungszeit die Toccata d-moll von Bach beigebracht, was so ein Traum von mir war
. Auswendig übrigens, eine Freundin, die Klavierlehrerin ist, sagte: Große Stücke spielt man am besten auswendig. Das hat etwas für sich, man steigt ganz anders ein, man kann es sich nicht merken, wenn man nicht die Struktur des Stückes durchschaut. Nur mal so eine kleine Anregung
Es gibt in der Toccata beispielsweise eine "prestissimo"-Stelle, die ist echt übel. Aber ich habe mir gedacht, "prestissimo" heißt ja nicht "irrsinnig schnell", sondern "schnellstmöglich", also mein persönliches schnellstmöglich. Im Laufe der Zeit wurde es immer schneller, und ich habe von Anfang an die Anweisung eingehalten
Letztes Jahr ist dann der Knoten richtig geplatzt, meine Freundin brachte mich auf die Ukulele (nachdem sie mit Gitarre nicht klar kam, ist sie jetzt mit Ukulele mega-glücklich), der Shanty-Chor brachte mich auf den Bass, dann kam ich natürlich wieder auf die Gitarre als verbindendes Element, habe den Fingerfux als Video-Lehrer entdeckt und den Travis-Picking-Kurs gebucht. Natürlich kam dann auch die GAS-Attacke, mittlerweile sind es 4 Gitarren, 2 Bässe und 6 Ukulelen
Kurz und gut: ich bin jetzt 53 Jahre alt, und noch nie hat mir Musik so viel Spaß gemacht wie jetzt ... ich bin auch an einem Punkt, wo das Sammelsurium diverser einzelner Kenntnisse sich allmählich zu einem größeren Ganzen formt und ein Instrument das nächste inspiriert.
Ich kann nur raten: wer Bock auf Musik und Instrument hat, einfach machen, nicht hinterfragen, ob man zu alt oder zu unbegabt ist. Ohne Vorkenntnisse halte ich zumindest ein paar Lektionen Live-Unterricht für sehr empfehlenswert, um sich keine Anfängerfehler anzugewöhnen. Und wenn man denkt, irgendwie ist so eine Gitarre doch ziemlich groß und hat mehr Saiten als man Finger hat: da kann ich die Ukulele sehr empfehlen!