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Gast286649
Guest
@DerZauberer Vielen Dank für deinen Eingangspost der mich auch nach 6 Jahren zum Grübeln gebracht hat!!! (Den ‚Gefällt mir Button’ gab ich dir in diesem Sommer; danach gings ans forschen und lesen).
Und nach fast sechsmonatiger „Arbeit“ mit Büchern und die wahren Schätze aus YouTube komme ich zu dem Schluss: Der Blues ist für mich entmystifiziert!! Und das ist auch gut so und bin dankbar dafür.
Das Interesse am Blues bekam ich mit der Aufnahme von AC/DCs ‚The Jack‘. Sehr Klischeehaft, ich weiß. Von da an ging ich etwas Rückwärts, allerdings nur bis BB King und hielt ihn und das was er machte für den ultimativen Blues. 8 Jahre lang….
Dann habe ich diesen Thread hier gefunden. Daraufhin habe ich mir erstmal das Buch ‚Vom Mississippi zum Mainstream‘ von Elijah Wald besorgt (in Folge immer MZM genannt). Das Buch war ein Tipp aus dem Board. Danke dafür.
Der Stein kam ins Rollen. Ich schmiss alles über Bord, was ich vom Blues zu wissen glaubte und fing bei Minstrels-Shows in den ~1870er Jahren an, Ragtime und den Field Hollers.
Das sind für MICH die Grundpfeiler des Blues. (Ohne Zweifel gibt es noch afrikanische oder hawaiianische Einflüsse; Stichwort: Slide. Aber wie bereits hier erwähnt gab es keinen Gitarristen der aus Mali verschleppt wurde und im Delta den Blues erfand).
Wenn ich das richtig verstanden habe, war zu dieser Zeit das, was wir heute als Blues(-Musik) bezeichnen, noch namenlos. Man möge mich bitte korrigieren.
Erst als ein gewisses Musiker-Pärchen namens Rainey and Rainey (Ma Rainey und ihr Ehemann) Teil eines Wanderzirkusses war und ihr Programm „Assassinators of the Blues“ hieß, kam das Wort auf.
Für mich ein Aha-Effekt! Nicht ihre Musik nannte sich Blues, sondern sie wollten mit ihrer Musik den Blues vertreiben. Die Leute sollten an diesem Abend fröhlich sein, tanzen und an schöne Dinge denken.
Ma Rainey hatte außerdem ein einfühlsames Lied im Repertoire; von einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde. Ma nannte es „That’s the Blues“. Das Lied war beliebt und immer wenn die Leute den „Blues“ von ihr verlangten, spielte sie dieses Lied… kein anderes. (beides MZM, Seite 39).
Und wenn Ma Rainey dann weitergezogen ist, spielten die Leute ihre Songs nach, fingen an zu variieren etc. Fortan war Ma Rainey die „Mother of the Blues“. (Sandra Lieb, A study of Ma Rainey).
Es gibt noch andere Theorien wie der Blues zu seinem Namen kam, aber erstens will ich hier kein Buch schreiben und zweitens ist das für mich das schlüssigste.
Unweigerlich bin ich auf Robert Johnsson gekommen…. Ein guter Musiker und begnadeter Gitarrenspieler. Ich bin auch Mr. Clapton und den Rolling Stones sehr, sehr dankbar dafür, dass sie sein Erbe aufgegriffen haben.
Ich habe mir alle Aufnahmen von Robert angehört (sind ja nicht so viele). Aus den Augen (Ohren) eines in den 1930ern lebenden Musikhörer betrachtet, ist er nichts besonderes. (Bevor der Aufschrei kommt, bitte den Satz noch mal lesen).
Ich habe mir Aufnahmen von Charley Patton, Lonnie Johnsson und Blind Lemon Jefferson angehört (u.v.m.), die ich um Längen besser finde. Im Plattenladen hätte ich auch eher zu ihren Scheiben gegriffen, als zu Roberts. (Was sich ja auch an den Verkaufszahlen ablesen lässt).
Leroy Carr möchte ich gesondert erwähnen. Dank dieser Recherche bin ich zu einem echten Fan von ihm geworden. Danke nochmal an den Zauberer! Das ganze Kratzen und Rauschen hat mich nicht im geringsten gestört, sondern mich erfreut.
Wo wir schon mal bei Aufnahmen sind: Race Records. Es wurde irgendwo im Thread erwähnt, dass es Aufnahmen schwarzer Musiker für ein schwarzes Publikum waren. Stimmt, allerdings ist das sehr harmlos ausgedrückt. Das Thema Race Records ist mir nämlich sehr sauer aufgestoßen.
Weiße, schwarze, Asiaten, indigene Menschen unterscheidet nur eins: Ihr Aussehen. Der (Musik)-geschmack ist doch bei allen Unterschiedlich.
Prinzipiell lief es so: Als schwarzer Musiker hattest du gar keine andere Chance als Blues aufzunehmen. In den Plattenstudios hieß es: „Du bist schwarz, du spielst Blues.“ Ganz egal was für Vorlieben der Musiker hatte.
Es gibt nicht eine einzige Platte von bsp. einem schwarzen Streichquartett oder schwarzen Countrymusiker, obwohl es solche Leute gab (MZM, S.84).
Um so kurioser ist, dass sich heute die verbliebenen Race Records in den Händen von meist weißen Sammlern befinden und für horrende Summen verkauft werden.
Wie stehe ich jetzt zum Blues?
Meine Reise in die Blues Vergangenheit ist noch nicht zu Ende. Walds Buch habe ich durchgelesen und lese es nun zum zweiten Mal. Dieses Mal etwas aufmerksamer als beim ersten Mal.
Der Blues ist für mich freundlich und nicht melancholisch. Der Blues hat einen Anzug an und keine Klamotten mit Löchern.
Genau wie in jeder anderen Musikart kann der Blues traurig sein muss er aber nicht.
Wenn das jemand anders sieht ist das sein gutes Recht.
Ich verstehe jetzt, warum es Lieder wie ‚Caledonia‘ gibt. Die Leute wollten eben nicht die traurigen, leidvollen Geschichten hören, dass hatten sie im Alltag genug. Sie wollten lachen und tanzen.
BB King höre ich immer noch gerne. Aber seine Musik würde ich jetzt eher als „Freie Improvisation über ein Bluesschema“ bezeichnen. Und ganz nebenbei: Auch zu seinen Konzerten ging man hin um sich zu amüsieren.
Das war mein „Senf“ dazu.
Noch ein TV-Tipp:
Ma Raineys Black Bottom auf Netflix. Toll recherchiert!
In der Anfangsszene ist authentisch zu sehen, wie so eine Show damals aussah. Aufmachung, Kleidung und Stimmung der Leute. Diese Szene ist prämiert worden (Oscar für bestes Kostümdesign 2020). Außerdem gut gezeigt, wie hinterfuchsig die Plattenindustrie war (ist?).
Achtung: Es handelt sich um eine Theaterverfilmung: viele und lange Dialoge.
Im übrigen bin ich für jeden weitern Input dankbar.
Und nach fast sechsmonatiger „Arbeit“ mit Büchern und die wahren Schätze aus YouTube komme ich zu dem Schluss: Der Blues ist für mich entmystifiziert!! Und das ist auch gut so und bin dankbar dafür.
Das Interesse am Blues bekam ich mit der Aufnahme von AC/DCs ‚The Jack‘. Sehr Klischeehaft, ich weiß. Von da an ging ich etwas Rückwärts, allerdings nur bis BB King und hielt ihn und das was er machte für den ultimativen Blues. 8 Jahre lang….
Dann habe ich diesen Thread hier gefunden. Daraufhin habe ich mir erstmal das Buch ‚Vom Mississippi zum Mainstream‘ von Elijah Wald besorgt (in Folge immer MZM genannt). Das Buch war ein Tipp aus dem Board. Danke dafür.
Der Stein kam ins Rollen. Ich schmiss alles über Bord, was ich vom Blues zu wissen glaubte und fing bei Minstrels-Shows in den ~1870er Jahren an, Ragtime und den Field Hollers.
Das sind für MICH die Grundpfeiler des Blues. (Ohne Zweifel gibt es noch afrikanische oder hawaiianische Einflüsse; Stichwort: Slide. Aber wie bereits hier erwähnt gab es keinen Gitarristen der aus Mali verschleppt wurde und im Delta den Blues erfand).
Wenn ich das richtig verstanden habe, war zu dieser Zeit das, was wir heute als Blues(-Musik) bezeichnen, noch namenlos. Man möge mich bitte korrigieren.
Erst als ein gewisses Musiker-Pärchen namens Rainey and Rainey (Ma Rainey und ihr Ehemann) Teil eines Wanderzirkusses war und ihr Programm „Assassinators of the Blues“ hieß, kam das Wort auf.
Für mich ein Aha-Effekt! Nicht ihre Musik nannte sich Blues, sondern sie wollten mit ihrer Musik den Blues vertreiben. Die Leute sollten an diesem Abend fröhlich sein, tanzen und an schöne Dinge denken.
Ma Rainey hatte außerdem ein einfühlsames Lied im Repertoire; von einer Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde. Ma nannte es „That’s the Blues“. Das Lied war beliebt und immer wenn die Leute den „Blues“ von ihr verlangten, spielte sie dieses Lied… kein anderes. (beides MZM, Seite 39).
Und wenn Ma Rainey dann weitergezogen ist, spielten die Leute ihre Songs nach, fingen an zu variieren etc. Fortan war Ma Rainey die „Mother of the Blues“. (Sandra Lieb, A study of Ma Rainey).
Es gibt noch andere Theorien wie der Blues zu seinem Namen kam, aber erstens will ich hier kein Buch schreiben und zweitens ist das für mich das schlüssigste.
Unweigerlich bin ich auf Robert Johnsson gekommen…. Ein guter Musiker und begnadeter Gitarrenspieler. Ich bin auch Mr. Clapton und den Rolling Stones sehr, sehr dankbar dafür, dass sie sein Erbe aufgegriffen haben.
Ich habe mir alle Aufnahmen von Robert angehört (sind ja nicht so viele). Aus den Augen (Ohren) eines in den 1930ern lebenden Musikhörer betrachtet, ist er nichts besonderes. (Bevor der Aufschrei kommt, bitte den Satz noch mal lesen).
Ich habe mir Aufnahmen von Charley Patton, Lonnie Johnsson und Blind Lemon Jefferson angehört (u.v.m.), die ich um Längen besser finde. Im Plattenladen hätte ich auch eher zu ihren Scheiben gegriffen, als zu Roberts. (Was sich ja auch an den Verkaufszahlen ablesen lässt).
Leroy Carr möchte ich gesondert erwähnen. Dank dieser Recherche bin ich zu einem echten Fan von ihm geworden. Danke nochmal an den Zauberer! Das ganze Kratzen und Rauschen hat mich nicht im geringsten gestört, sondern mich erfreut.
Wo wir schon mal bei Aufnahmen sind: Race Records. Es wurde irgendwo im Thread erwähnt, dass es Aufnahmen schwarzer Musiker für ein schwarzes Publikum waren. Stimmt, allerdings ist das sehr harmlos ausgedrückt. Das Thema Race Records ist mir nämlich sehr sauer aufgestoßen.
Weiße, schwarze, Asiaten, indigene Menschen unterscheidet nur eins: Ihr Aussehen. Der (Musik)-geschmack ist doch bei allen Unterschiedlich.
Prinzipiell lief es so: Als schwarzer Musiker hattest du gar keine andere Chance als Blues aufzunehmen. In den Plattenstudios hieß es: „Du bist schwarz, du spielst Blues.“ Ganz egal was für Vorlieben der Musiker hatte.
Es gibt nicht eine einzige Platte von bsp. einem schwarzen Streichquartett oder schwarzen Countrymusiker, obwohl es solche Leute gab (MZM, S.84).
Um so kurioser ist, dass sich heute die verbliebenen Race Records in den Händen von meist weißen Sammlern befinden und für horrende Summen verkauft werden.
Wie stehe ich jetzt zum Blues?
Meine Reise in die Blues Vergangenheit ist noch nicht zu Ende. Walds Buch habe ich durchgelesen und lese es nun zum zweiten Mal. Dieses Mal etwas aufmerksamer als beim ersten Mal.
Der Blues ist für mich freundlich und nicht melancholisch. Der Blues hat einen Anzug an und keine Klamotten mit Löchern.
Genau wie in jeder anderen Musikart kann der Blues traurig sein muss er aber nicht.
Wenn das jemand anders sieht ist das sein gutes Recht.
Ich verstehe jetzt, warum es Lieder wie ‚Caledonia‘ gibt. Die Leute wollten eben nicht die traurigen, leidvollen Geschichten hören, dass hatten sie im Alltag genug. Sie wollten lachen und tanzen.
BB King höre ich immer noch gerne. Aber seine Musik würde ich jetzt eher als „Freie Improvisation über ein Bluesschema“ bezeichnen. Und ganz nebenbei: Auch zu seinen Konzerten ging man hin um sich zu amüsieren.
Das war mein „Senf“ dazu.
Noch ein TV-Tipp:
Ma Raineys Black Bottom auf Netflix. Toll recherchiert!
In der Anfangsszene ist authentisch zu sehen, wie so eine Show damals aussah. Aufmachung, Kleidung und Stimmung der Leute. Diese Szene ist prämiert worden (Oscar für bestes Kostümdesign 2020). Außerdem gut gezeigt, wie hinterfuchsig die Plattenindustrie war (ist?).
Achtung: Es handelt sich um eine Theaterverfilmung: viele und lange Dialoge.
Im übrigen bin ich für jeden weitern Input dankbar.