Wenn es euch als Eltern total gegen den Strich geht, weil zu laut, zu schief, zu irgendwas
Das kann natürlich passieren aber hier sehe ich auch die Eltern in der Verantwortung zum Wohl des Kindes zu entscheiden. Klar ist das in der Theorie einfach gesagt. Aber im Gegensatz zu Kindern, sollten Erwachsene in der Lage sein, da entsprechende Abwägungen vorzunehmen und dann nicht rein nach Befindlichkeiten zu entscheiden. Es gibt natürlich Fakten die dann gegen ein bestimmtes Instrument sprechen (Erkrankungen von Familienmitgliedern, prekäre Wohnsituationen...). Nur ein "Mir gefällt das Instrument nicht" sollte nicht die Grundlage sein, einem Kind ein Instrument zu verbieten.
Aber viele Kinder dürfen das Wunschinstrument schon mit 5-6 Jahren spielen und hören nach ein paar Jahren auf, ohne das Instrument brauchbar spielen zu können.
Den Wunsch sollte man ernst nehmen, nicht aber an die Erwartung koppeln, das Kind müsse das Instrument erlernen und viele Jahre dabei bleiben
Wahrscheinlich lässt sich das auf viele Hobbybereiche (und auch bis ins Berufliche) übertragen. Die wenigsten werden Fußballprofis. Auch Interessen ändern sich einfach im Laufe des Lebens. Ich denke nur, dass die Kindheit und Jugend einfach die Zeit ist viele Dinge auszuprobieren. Den Sportverein, Pfadpfinder, Musikinstrument/e, Chor etc. Man kann ja nur wissen ob man Spaß und längerfristiges Interesse an einer Tätigkeit hat, wenn man sie auch mal ausprobieren konnte. Deswegen auch wieder der Rat ein Instrument zu mieten und nicht gleich unnötig viel Geld zu investieren. Ich erinnere mich noch an eine Freundin aus dem Reitverein. Der Großvater hatte den Reitunterricht finanziert, die Ausrüstung, zusätzliche Kurse bei namenhaften Lehrern etc. Die Freundin wollte einfach nur reiten und Spaß haben. Der Großvater hatte sich da jedoch in den Kopf gesetzt, dass das eine Investition in eine professionelle Karriere sein soll. Sie ist dann später nur noch von Turnier zu Turnier getingelt und hatte das worum es ihr eigentlich ging komplett verloren: Freude und Spaß. Unterstützen und Fördern ist gut und richtig aber großen Druck und eine hohe Erwartungshaltung aufzubauen, kann eigentlich nur zu Enttäuschungen führen. Von daher ist es richtig davon auszugehen, dass das Interesse an Musik und/oder einem bestimmte Instrument auch wieder verschwinden kann.
Ich persönlich halte nicht viel von Musikschulen, so lange man es nicht professionell benötigt. Ich gehe doch nicht fix zweimal die Woche eine Stunde zu einem Lehrer der sein Programm durchzieht wenn ich selbst nicht den Bedarf habe.
Für Erwachsene oder ältere Jugendliche ist das bestimmt sinnvoller sich dann Unterricht zu nehmen, wenn man selbst an einer Stelle nicht weiterkommt. Bei Kinder spielt aber denke ich auch einfach der Faktor Struktur mit rein. Die wenigsten Kinder werden sich mit der Blockflöte und einem Buch zuhause ins Zimmer setzten und eigenständig ein Instrument erlernen. Da braucht es glaube ich deutlich mehr Input und Anleitung von Außen.
Gibt es eigentlich noch die klassische musikalische Grundausbildung an den Musikschulen? Da ging es dann grundlegend um Notenlesen, Tonleitern und Rhythmik. Als Einstiegsinstrument wurde da die Blockflöte genutzt. Bei mir war das damals die Voraussetzung um überhaupt in den Instrumentalunterricht der städt. Musikschule wechseln zu dürfen. Am Ende der Grundausbildung durfte man dann beim Sommerkonzert der Musikschule mitspielen. Man bekam also musikalische Grundkenntnisse vermittelt, hat schonmal vor Publikum gespielt und war selbst Besucher eines Konzertes. Das waren auf jeden Fall schomal einige Möglichkeiten das generelle Interesse am Musizieren auszuloten. Im Anschluss an das Konzert fand auch noch direkt das Instrumentenkarussel statt. Das hat dann auch eigentlich Jeder genutzt, weil man eh schon vor Ort war und die Motivation hoch wegen dem kurz vorher erfahrenen Erfolgserlebnis beim Konzert.
uns geht es eher um die Freude, die Musikalität an sich, das Instrumente bereichern, klüger machen, für Mathe helfen
Die letzten beiden Punkte klingen sehr nach Musik als Mittel zur Optimierung. Musizieren trainiert bestimmte Areale im Gehirn und dabei bestimmte Fähigkeiten u.a. motorische. Aber das Musik klüger macht und dann auch noch bei "Mathe helfen" soll, ist glaube ich etwas zu viel erwartet. Vielleicht bin ich da einer der wenigen Einzelfälle, aber die Querflöte hat mich nicht vor einer 5 in Mathe bewahrt. Eine Mitschülerin ist wegen Mathe und Physik sitzen geblieben. Sie spielte Klavier und Querflöte. Nicht repräsentativ, klar. Musik erweitert den Horizont und man wird "klüger" im Sinne von weiterem Wissen. In diesem Fall Wissen über musikalische Grundlagen, Komponisten, spezielleres Wissen zum jeweiligen Instrument etc. Aber, dass man klüger im Sinne höherer Intelligenz wird, ist eher nicht anzunehmen. Hierzu gab es 2020 auch eine Metastudie die zeigt, dass es keine Korrelation zwischen Musik und "Intelligenz" bei Kindern gibt.
Sala, G., Gobet, F.: Kognitive und akademische Vorteile von Musiktraining mit Kindern: Eine Mehrebenen-Meta-Analyse
Zusammenfassung:
Es wird immer wieder behauptet, dass sich Musiktraining positiv auf die kognitiven Fähigkeiten und akademischen Leistungen (Lesen, Schreiben und Mathematik) von Kindern auswirkt. Diese Behauptung stützt sich auf die Annahme, dass die Beschäftigung mit intellektuell anspruchsvollen Aktivitäten bestimmte bereichsübergreifende kognitive Fähigkeiten oder sogar die allgemeine Intelligenz fördert. Die vorliegende meta-analytische Übersichtsarbeit (N = 6.984, k = 254, m = 54) zeigt, dass diese Annahme falsch ist. Sobald für die Qualität des Studiendesigns kontrolliert wird, ist der Gesamteffekt von Musiktrainingsprogrammen null (g¯¯¯ ≈ 0) und sehr konsistent über die Studien hinweg (τ2 ≈ 0). Ergebnisse von Bayes'schen Analysen, die Verteilungsannahmen (informative Priors) verwenden, die aus früheren Untersuchungen zum kognitiven Training abgeleitet wurden, bestätigen diese Schlussfolgerungen. Kleine statistisch signifikante Gesamteffekte ergeben sich nur in den Studien, die keine zufällige Zuteilung der Teilnehmer vornehmen und nicht-aktive Kontrollen verwenden (g¯¯¯ ≈ 0,200, p < .001). Interessanterweise ist Musiktraining unabhängig von der Art der Ergebnismessung (z.B. verbal, nonverbal, geschwindigkeitsbezogen, etc.), dem Alter der Teilnehmer und der Dauer des Trainings unwirksam. Darüber hinaus stellen wir fest, dass über die Meta-Analyse experimenteller Studien hinaus eine beträchtliche Menge an Querschnittsevidenz darauf hinweist, dass die Beschäftigung mit Musik keinen Einfluss auf die nicht-musikalischen kognitiven Fähigkeiten oder die akademischen Leistungen von Menschen hat. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Optimismus der Forscher in Bezug auf den Nutzen des Musiktrainings empirisch nicht gerechtfertigt ist und auf einer Fehlinterpretation der empirischen Daten und möglicherweise auf einem "confirmation bias" beruht.
Quelle zum vollständigen Artikel (Englisch):
Sala, G., Gobet, F. Cognitive and academic benefits of music training with children: A multilevel meta-analysis.
Mem Cogn 48, 1429–1441 (2020).
https://doi.org/10.3758/s13421-020-01060-2
Freude, Musikalität und Bereicherung durch ein Musikinstrument sind denke ich aber schon mehr als genug Pro-Argumente. Es muss doch nicht immer alles auf Leistung und Optimierung ausgerichtet sein. Wenn ihr es eurem Sohn ermöglichen könnt, dann macht es. Auch ihn weitgehends eigenständig ein Instrument auswählen zu lassen ist doch ein Lernprozess. Eigene Entscheidungen treffen. Eine wie ich finde sehr wertvolle Kompetenz in vielen Lebenslagen. Und vielleicht auch die Erkenntnis, das man sich auch mal "falsch" entscheiden und sich in einigen Fällen auch nochmal anders entscheiden kann. Um die finanziellen Investitionen gering zu halten gab es hier ja schon viele wertvolle Tipps (Musikvereine, Instrumentenmiete...). Beim Unterricht in den (städtischen) Musikschulen sollte man auch bei den Kosten nochmal beachten, dass für das Mitspielen in den Ensembles/Orchestern in der Regel keine weiteren zusätzlichen Gebühren anfallen. Unterricht kostet dann genauso 60 € wie Unterricht + Ensemble. Vielleicht ist das auch ein Punkt, der mit in die Überlegungen einfließen kann.