Wenn er jetzt nur zu Testzwecken vielleicht 100 Instrumente bauen würde mit allen möglichen Hölzern jeweils 10 mit identischem Holz , und natürlich alle mit gleicher Hardware. Und sich ein gutes Blindtestdesign ausdenkt.
Dann könnte er fundierte Aussagen über Holzklang machen.
Ähnliches liest man zu dem Thema ja immer wieder, und es klingt ja soo rational (und führt aus den von Dir genannten Gründen dazu, dass es keiner probiert), aber ich möchte das mal hinterfragen.
Denn so simpel funktioniert das menschliche Gehirn nicht, weil es Informationen viel komplexer verarbeitet als ein Computer.
Erfahrungswissen bildet sich ganz anders heraus. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen widerstrebt, sich in diese Welt des Ungefähren zu begeben, aber gerade Instrumentenbau hat viel mit einem
Gefühl für die Dinge zu tun, mit denen einer arbeitet. Das ist ähnlich wie ein Koch, der keine Daten über den Schärfegrad einer Chilisorte und keine Feinwaage für die Dosierung braucht, um ein Gericht abzuschmecken. Er entwickelt wie viele Handwerker ein Erfahrungswissen, dass er keineswegs immer in Worte fassen kann.
Das heißt aber nicht, dass er in seinem Kopf keine Vorstellung davon hat, welche Komponente sich beim Bau wie auswirkt. Man muss nicht lauter
gleiche Gitarren bauen, sondern im Gegenteil möglichst viele verschiedene, damit sich dieses Erfahrungswissen herausbildet.
Ich bin kein Chefkoch und kein Instrumentenbauer, sondern nur ein jahrzehntelanger Bastler - aber ich bin bei einer Gitarre inzwischen auch ziemlich treffsicher mit meinen Annahmen, was ich verändern muss, um bestimmte Dinge zu erreichen - und an die Grenzen, die die Substanz hergibt.
Viele neigen dazu, die Messtechnik immer und überall als den Quell aller objektiven Wahrheiten anzusehen. Ich kann diesen Ansatz aus Sicht eines Ingenieurs oder Physikers nachvollziehen, weil es für viele aus diesem Bereich die Art und Weise ist, wie die ganze Welt für sie erklärbar sein muss. Rein wissenschaftlich ist der Ansatz aber schon deshalb fragwürdig, weil Messtechnik nie vollkommen ist:
1.
Es fängt schon damit an, dass man erstmal wissen muss, welche Parameter entscheidend sind. Jede Vergleichsmessung eines neu zu beurteilenden Phänomens beruht ja erstmal nur auf einer
Annahme, nämlich dass der Wert, den man misst, überhaupt
relevant ist. Ist er es tatsächlich nicht, hat der Vergleich dieses Parameters keinerlei Aussagekraft. Eine Gleichheit von Werten ist dann nur ein Scheinbeweis. Keiner konnte mir bisher sagen, welche physikalischen Messwerte einen "warmen Sound" ausmachen.
2.
Im streng naturwissenschaftlichen Sinne ist der Beweis gar nicht führbar, dass zwei Hölzer sich
nicht unterscheiden. Man nennt so etwas auch
probatio diabolica, weil es logisch unmöglich ist, die
Nichtexistenz potentiell entscheidender weiterer Parameter nachzuweisen. Ist das Ereignis auch nur halbwegs komplex, wie z.B. ein Gitarrensound, wächst die Zahl der in Frage kommenden Parameter schon ins Uferlose.
3.
Als nächstes muss die Messtechnik existieren, die jeden einzelnen dieser Parameter mit der nötigen Genauigkeit erfassen kann. (Trotzdem gelang es römischen Baumeistern auch ohne Lasertechnik - selbst über Hügel und Täler hinweg - Aquädukte zu bauen, deren Gefälle über kilometerlange Strecken so exakt waren, dass der Wasserdruck überall genau richtig war. Ohne Erfahrung und Bauchgefühl wären sie aufgeschmissen gewesen.) Die Genauigkeit ist immer endlich, sodass auch hier nie eine endgültige Aussage getroffen werden kann. Was derzeit nicht gemessen werden kann, kann man noch lange nicht als irrelevant voraussetzen.
4.
Zu guter Letzt verfälscht jede Messung das gemessene Ergebnis selbst (und das muss man nicht mal bis auf die Unschärfeannahmen der Quantenphysik herunterbrechen), weil sie Einfluss auf das beobachtete Ereignis nimmt.
Physik ist keine Religion. Sie kann keine letzten Wahrheiten bieten, sondern nur den stets unvollkommen bleibenden Versuch, die Wirklichkeit zu verstehen und zu beschreiben.
Ich frage mich schon, warum es eigentlich so schwer zu akzeptieren ist, dass manche Leute einfach Ahnung von ihrem Handwerk haben, und das dann zu
in der Praxis nutzbaren Ergebnissen führt. Muss wirklich alles und jeder unter Generalverdacht gestellt werden?
Ich stelle dem meinen eigenen Schluss entgegen: Eine fundierte Aussage über Holzklang kann machen, wer sich lange damit beschäftigt und praktische Erfahrung gesammelt hat.
Gruß, bagotrix