Da hast Du aber nochmal Glück gehabt, den wollte ich Dir gerade um die Ohren hauen
Ja, das war so ein Ding. Wenn ich nicht so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, das Thema gedanklich zu verarbeiten, hätte ich viel früher auf JGW kommen sollen - hab' ich doch eine Compilation aus seiner frühen Blues-Zeit im Regal stehen (da muss ich demnächst wieder mal in Ruhe reinhören). Er hat ja später diesen, wie kann man das sagen, immer noch recht blues-verwurzelten Funk gespielt - und das waren die Sachen, die ich schon seit meiner Jugendzeit durch einen Funk-begeisterten Freund kennen gelernt habe (und mittlerweile auch sehr mag).
Zum Thema Distortion: nebst aufgerissenen amps und zerschlitzten Lautsprechern gab es noch einen anderen Vorfall. So weit ich mich erinnere war die "erste" Aufnahme mit distortion in den 40ern, bei der Gitarrenaufnahme fing ein Mischpult durch einen defekt plötzlich an zu clippen an und man hat sich dann entschieden die Aufnahme so zu belassen. Weiss aber nicht mehr genau wann und welcher Künstler/song.
In
diesem Artikel wird folgendes erwähnt:
Gibson’s 1962 Maestro FZ-1 Fuzz-Tone, partly inspired by another accident
, a faulty mixing board connection that distorted Grady Martin’s bass solo in the Marty Robbins’ 1961 country tune "Don’t Worry" [...]
Meinst du das vielleicht?
Vielleicht noch ganz allgemein: Ich glaube mittlerweile auch, wie es einige der geschätzten Teilnehmer schon geschrieben haben und worauf die hier verlinkten Beiträge auch hindeuten, dass die "Story of Distortion" a) erheblich älter ist als man es oft hört und b) sich langsam und Stück für Stück entwickelt hat. Aber ganz ehrlich: Ich hatte keine Ahnung davon, dass es die schwarzen Blueser waren, die eine derart breite "(over)driving
force" dargestellt haben. Wer auch immer wen wann und wie beeinflusst hat - die Blues-Leute waren definitiv die wahren Pioniere. Und mir ist, das glaube ich zumindest, auch klar geworden, wieso: Ich denke wirklich, wie ich es schon mal geschrieben habe, dass Mundharmonika und/oder Saxophon so was wie die frühen Inspirationen für Gitarristen waren, irgendwie an einen ebenso rauen und durchsetzungsfähigen Sound zu kommen. Ob man dazu durch Zufall kam oder nicht, mir ist wichtig zu wissen, dass zumindest einige Gitarristen das
wirklich wollten und eine Vision davon im Kopf hatten, dass eine E-Gitarre anders klingen können sollte als z. B. das, was man im Big-Band-Jazz oder Country oder wer-weiß-wo benötigte und schätzte.
Was ich mittlerweile bezweifle, ist das oft gehörte Narrativ, dass man verzerrte Gitarren allgemein als Makel empfand. Sicher, es gab und gibt Musikrichtungen (bis heute), in denen man clean spielen möchte oder sogar muss, weil die Verzerrung stört. Und, ja, möglicherweise waren eben genau diese Musikrichtungen sehr populär, so dass man sich an verzerrten Gitarren logischerweise oftmals störte. Aber ... sobald es mit dem Rock 'n' Roll (übrigens ist das die "offizielle" Duden-Schreibweise, extra nochmal nachgesehen
) mal so richtig wild wurde ... ich glaube da nicht an einen Mangel an Wollen, sondern eher, dass anfangs viele Gitarristen schlicht nicht wussten, wie man Verzerrung a) verlässlich und handhabbar produzieren und b) beherrschen und einsetzen konnte.
Zum Beispiel gab es in den 1960ern ja eine Menge an Psychedelic-Rock mit zum Teil schon ganz wüsten Fuzz-Orgien. Aber wenn ich mal so nachdenke, hört man in vielen Songs diese strikte Trennung zwischen relativ cleanen Parts (oft offene Akkorde oder Barrés) und dann für kurze Licks oder Leads gnadenlos heavy ge-fuzz-t. Kann es sein, dass sich darin so eine Art Entwicklungs- und/oder Experimentierprozess widerspiegelt, bis dann bereits 1968 so dreckige Sounds wie hier ...
... zu hören waren? Für mich qualifiziert sich diese Klang-Eruption auch heute noch als ausgesprochen "hart" und verzerrt ... in seiner brachialen Rohheit sogar härter als so manche hochglanz-polierte Schwermetall-Sounds aus modernen High-Gain-Amps, die mich oft relativ kalt lassen.