Im Thomann-Video sagte der Fender-Mann sinngemäß, dass die beiden Amps u.a. auch eine Art Machbarkeitsstudie für Fender sind, die die Frage beantworten soll, inwieweit Fender es schafft, die DNA ihrer alten Klassiker ins digitale Zeitalter zu überführen. Da wird's dann interessant, weil sich Fender damit an die Liga herantasten würde, in der die "großen Jungs" spielen ("groß" im Sinn von Können und Erfahrung). Bisher war man ja mit den Mustangs und deren Derivaten eher im Mittelfeld unterwegs.
Geht das Konzept auf? Keine Ahnung. Auf der einen Seite hat Roland mit den Blues-Cubes zumindest mal einen Achtungserfolg erzielt (und was genau bei diesen Amps Software- und was Transistor-Modelling ist, weiß keiner so wirklich), und man hört besonders in den englischsprachigen Foren immer wieder, ja, Modelling durchaus interessant, aber viel zu kompliziert. Fender macht also zwei Amps, die ihren Vorbildern gleichen, die Hälfte leichter sind, Attenuator und flexiblen Mischpultausgang eingebaut haben, ein paar 100 Euro/Dollar/Pfund günstiger sind, und außerdem keine regelmäßige Wartung und Röhrenpflege benötigen. Für Fender-Freunde, die nicht so sehr auf Röhren fixiert sind, dass sie nur noch mit den Augen hören, möglicherweise eine interessante Alternative bzw. Zweitanschaffung.
Andererseits stimmt es schon: Preis-Leistung (was hier heißt: Vielfalt, Routing- und Anschlussmöglichkeiten beachten!) war und ist das große Argument für Modeller. Die beiden Fender-Amps brechen mit dieser Tradition noch radikaler als die Blues-Cubes, bei denen die großen Modelle ja erweiterbar sind. Interessanterweise stand das bei den bisherigen YouTube-Kommentaren zu den Videos aber gar nicht so sehr im Vordergrund - es waren die strammen Preise, die für Erstaunen und Skepsis sorgten. Nun wäre Fender allerdings nicht der erste Hersteller, bei denen Geräte in dieser Größenordnung nicht ein paar Monate später um 25% fallen würden.
Man könnte auch mutmaßen, dass die Amps Teil einer Marketing-Strategie sind (man erinnere sich z.B. an Boss' kuriose Waza-Amp-Serie, der einige Zeit später überraschend die günstigen Katanas folgten), mit der Fender nach der Kritik an der Mustang-GT-Serie beweisen möchte, dass man sehr wohl "Modelling kann" und sich bei dem Thema sogar über das hinaus engagiert, was man heute so anbietet. Überhaupt finde ich das ein interessantes Phänomen: Obwohl insbesondere in Internet-Foren Modelling-Amps immer noch regelmäßig von einer mehr oder weniger großen, aber auf jeden Fall lautstarken Gruppierung, abgebügelt werden, lassen sich Hersteller wie Boss, Marshall, Vox, Fender u.a. nicht darin beirren, diese Technik auch weiterhin im Programm zu halten und regelmäßig zu verbessern. Bedarf scheint also doch vorhanden zu sein.
Ich finde es jedenfalls in erster Linie mal sehr spannend, was Fender da gerade macht. Ich weiß zwar nicht, ob dem Konzept ein Erfolg beschieden sein wird, aber frage mich z.B. beim Mooer G300, ob die Welt noch einen anderen Floorboarder braucht, der irgendwo im Dunstkreis zwischen 700 und 2000 Euro angesiedelt ist. Da tummeln sich schließlich schon Headrush, Line6, Boss, Kemper und Fractal mit zum Teil sehr unterschiedlichen Produktvarianten. Insofern hat Fender zumindest mal für Aufmerksamkeit gesorgt und möglicherweise liegt auch genau darin die Tone-Master-Strategie. Mal sehen, was sich in den nächsten Monaten so bei Fender tut.