Ich versuche mal ein paar Erfahrungen aus meiner Zeit als Gitarrenlehrer beizusteuern, die auf dem Umgang mit älteren Schülern beruhen:
- viele "ältere" Personen haben ein gewisses Selbstbildnis und sie mögen es nicht, wenn das angegriffen wird. Das kann in viele verschiedene Richtungen gehen, z.B. "ich bin schon xyz Jahre alt, ich kann das nicht mehr lernen", oder auch "ich kann xyz spielen, aber zyx nicht". Dabei können diese Selbsteinschätzungen meilenweit von der Realität entfernt sein. Ich habe Schüler gehabt, die haben mir zum Einstieg ein Lied vorgespielt, dass sie "konnten", wo der Rhythmus nicht durchgehend war, Griffe unsauber etc. Viele dieser Leute spielen für sich im privaten Hinterzimmer und haben weder einen Vergleich mit anderen, noch haben sie eine Messlatte für "gut" oder "schlecht".
Das führt dazu, dass solche Unterhaltungen, wie diese hier, immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen sind. Viele Ausdrücke hier wie "ich beherrsche" usw bedeuten vermutlich für alle Anwesenden komplett unterschiedliche Dinge. Jeder hat hier unterschiedliche Standards.
Worauf ich hinaus möchte ist: Onkel Donald ist jetzt vielleicht gerade aus seiner kleinen Echokammer herausgeholt worden und merkt, dass da noch eine ganze Welt existiert mit Dinger, die er nicht kennt: Musiktheorie, Skalenspiel, andere Anschlagsmuster und und und.. das kann frustrieren. Muss es aber nicht. Niemand kann wirklich alles spielen, irgendwann muss man sich auf bestimmte Dinge konzentrieren. Es ist aber auch ganz schön zunächst einmal den Blick über den Tellerrand hinaus zu werfen. Es mag sein, dass dein Lehrer das gerade versucht. Du hast bisher nur Akkorde gespielt, jetzt auf einmal sollst du Solieren, alles neu, alles ungewohnt, klappt nicht sofort --> Frust --> Ablehnung.
Meine Empfehlung: probier dich aus. Aber wenn du feststellst, dass etwas nicht dein Ding ist: sag es dem Lehrer. Ein guter Lehrer wird sich immer dem Schüler anpassen. Er mag ihn ab und zu mit neuen Dingen herausfordern, aber es hat absolut keinen Sinn jemanden monatelang mit Skalen zu quälen, wenn derjenige sein Akkordspiel aufmöbeln will.
- Perspektive: Viele ältere Menschen haben einen bestimmten Blickwinkel auf Dinge und brauchen manchmal einen Anstoß um zu erkennen, dass es auch noch andere Ansätze gibt.
Ich möchte das an einem Beispiel festmachen. (Vorwarnung: mag am Anfang ein wenig weh tun, aber ich hoffe du verstehst hinterher worauf ich hinauswill und es öffnet dir ein wenig die Augen:
Schau dir deine Version an, und die von Roland Kaiser
Der größte Unterschied ist:
Deine Version ist todlangweilig. Das Lied wäre kein Hit gewesen, wenn es so gespielt worden wäre, wie du es machst. Der Plattenverlag hätte das Band in die Tonne gekloppt und sich wen anders gesucht.
Ich weiß ist böse und ein unfairer Vergleich.
Woran liegt das, dass deine Version so öde ist?
1) Andere Besetzung. Du hast nur eine Gitarre, der Roland ne ganze Band
2) Gestaltung. Du hast dir absolut keinerlei Gedanken gemacht, wie das Stück funktioniert.
(und ich wette mit dir, dass das bei den anderen 100 Stücken, die du "kannst", ganz genauso ist)
Was du machst ist Folgendes:
Stück nehmen, Akkorde raussuchen, irgendeinen Rhythmus nehmen, den du gut kannst, spielen und dazu singen.
Das hat mit Musik machen relativ wenig zu tun. Es ist ein Schema F, dass du einfach immer anwendest, das irgendwie zum Ziel führt, aber du hinterfragst dich nie selbst in deinem Tun. Dir fehlt die kritische Perspektive.
Zu erkennen: "Hey, das ist noch nicht gut! Warum? Und wie kann ich es besser machen?"
Beim letzten Punkt möchte ich dir nun etwas helfen, also kommen wir zum konstruktiver Teil:
Deine Methode mit "ich nehme einen Rhythmus" ist Murks. Vergiss das bitte ab sofort in 99% aller Stücke. Das resultiert in ermüdender Langeweile für den Zuschauer und in einschläferndem Gesang deinerseits.
Schauen wir noch einmal in Rolands Version:
Was passiert da, dass das Stück nicht langweilig ist? Es sind ja dieselben Akkorde.
1) Es gibt unterschiedliche Teile. Strophen, Refrains. Diese Teile unterschieden sich!!! Da kommen im Refrain Background-Sänger dazu, das Schlagzeug spielt anders, er singt lauter.
2) Diese Teile sind verbunden durch Übergänge. Ein Schlagzeug Fill-In, ein reiner Instrumentalteil etc..
3) Es gibt Höhepunkte. Vor allem gesanglicher Art. Es gibt Phrasierung.
4) Es gibt klangliche Gestaltung, einen Gestus, sowohl im Gesang, als auch in der Begleitung. Am Anfang ist das Stück eher intim, weich, reduziert. Im Refrain teilweise verzweifelt, traurig, vielleicht sogar ein wenig anklagend.
Hast du dir mal den Text genauer angeguckt? Der Typ wird verlassen, weil er egozentrisch war und sie nun keine Lust mehr hat, sich das von ihm bieten zu lassen, weil sie sich einsam vorkam. Und was macht er? Er will, dass sie nochmal mit ihm schläft, in der Hoffnung, dass sie dann dadurch bei ihm bleibt, weil das seine Art ist, sich bei ihr zu entschuldigen. Nach dem Motto "Hey, sorry Mädel, ich war blöde, das tut mir leid, aber wenn du schon gehst, lass vorher nochmal vögeln, vielleicht merkst du ja dann, was ich fürn toller Kerl bin und bleibst noch und wenn nicht, hab ich ne schöne Erinnerung an dich"..
Wie auch immer die Geschichte ausgeht: Da ist ein gewisses Spannungspotential in der Story: Verzeiht sie ihm, oder nicht? Wie ehrlich ist seine Entschuldigung? Und da sind Tonnen an Emotionen drin. Hey, der Typ wird gerade verlassen!
Bei dir klingt das wie ein Schlaflied. Wo sind Frust, Hoffnung, Begierde, Zweisamkeit, Intimität, Überzeugungsversuch, Bitte, Klage etc?
Ganz konkret, was du an dem Stück alles verbessern kannst:
1) Überlege dir, wo die Höhepunkte sind und gestalte sie entsprechend: Werde lauter, spiele Rhythmen mit kürzeren Noten (man nennt das das Aktionstempo erhöhen).
2) Gestalte die Teile des Stückes unterschiedlich. Ein Refrain muss sich immer von der Strophe unterscheiden. Man muss erkennen, dass das der Refrain ist! Andere Rhythmen, anderer Sound, andere Lautstärke etc..
3) Übergänge. Vergessen viele, ist aber total wichtig. Leite die Teile entsprechend ein. Ja, du hast kein Schlagzeug, das ein Fill-In spielen kann. Du musst das alles selbst auf der Gitarre machen.
4) Klang. Selbst wenn du die gleichen Akkorde spielst: Experimentiere mit verschiedenen Klängen. Weiter vorne am Griffbrett anschlagen klingt weicher. Weiter am Steg anschlagen klingt härter und heller. (Hier konkret bei dem Stück: Der Anfang soll ja intim sein, da passt der weiche Klang gut. Suche solche Verbindungen!)
5) Gesang. Bei dir ist das monoton. Hör dir Roland an, was er mit seiner Stimme macht, wie er manchmal warm und weich singt, manchmal hell und klar, laut und leise, kraftvoll und zurückgenommen. Benutze ruhig das ganze Spektrum.
6) Haltung: Wenn ich dein Video sehe, sehe ich einen in sich gekehrten Menschen. Konzentriert auf das was er tut, der die Umwelt nicht wahr nimmt. Du hast da nen Boxsack hängen, ich nehme mal an, dass der nicht zum kuscheln da ist, sondern, dass du da auch mal gut rein-dreschst. Wieso bist du so zaghaft an der Gitarre? Pump da mal etwas Energie rein, lass dich gehen, öffne dich, schrei mal, hau mal ordentlich in die Saiten, lache, weine. Pack deine Emotionen mal in die Musik. Egal ob du dann aus dem Rhythmus kommst oder nen schiefen Ton singst. Sei mal bewusst extrem, einfach zum Ausprobieren!
7) (Technisches, was jetzt nicht nur für das Stück gilt
- Deine linke Hand arbeitet bei den Akkordwechseln viel zu viel. Dieses Nacheinander-Aufsetzen solltest du abstellen. Dadurch wird es immer unsauber, und du limitierst letztlich extrem deine Geschwindigkeit. Wechsel geht immer in drei Schritten: 1. Alle Finger gleichzeitig hochheben. 2. In der Luft neu sortieren. 3. Alle Finger gleichzeitig absetzen. Übe das in Zeitlupe. Ja, du wirst dir Anfangs wie ein Idiot vorkommen, weil das nicht klappt. Nimm dir die Zeit. Je eher du das machst, desto mehr Zeit sparst du dir später. Und wirklich ganz bewusst, ultralangsam üben. 10 Sekunden für einen Wechsel sind vollkommen okay. Die Geschwindigkeit kommt später von alleine. Lehrerspruch: "Wer schnell spielen will, muss langsam üben" Je kontrollierter du Dinge tust, desto exakter werden sie und desto schneller kannst du sie später spielen. Ist wie beim Sport: Die Übungen lieber 5x langsam und sauber ausführen, als 20x schlampig. (hier liegt mMn auch ein Teil deines Frustes: du übst zwar viel, aber es kommt wenig bei rum. Das liegt meist daran, dass man nicht effektiv übt. Die Zeit spielt weniger eine Rolle, als dass man bewusst kontrolliert, was man gerade übt.)
- Deine Anschlagstechnik rechts ist auch relativ schlampig. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten anzuschlagen: Aus dem Ellbogen heraus, oder aus dem Handgelenk heraus. Du machst eine wilde Mischung aus beidem. Das ist nicht sonderlich präzise oder effektiv. Du triffst die Saiten dadurch auch unterschiedlich stark, weil du so ne Drehbewegung mit reinbekommst. Versuche mal bewusst das Handgelenk stillzuhalten und mit dem Plektrum immer nah an den Saiten zu bleiben und möglichst parallel dazu anzuschlagen. Auch hier wieder: du limitierst dich hier letztlich selbst, vor allem was Geschwindigkeit, Präzision und Dinge wie Abdämpfen und perkussive Techniken angeht.
So, ich glaube das reicht erstmal zum drüber Nachdenken ;-)
Hoffe das hilft dir ein wenig und erweitert deinen Horizont.
Mein Generaltipp: hinterfrage dich immer kritisch. Selbstreflexion ist eine sehr unterschätzte Fähigkeit. Und zwar nicht in so Kategorien wie "das war gut", oder "das war schlecht", sondern wirklich ganz konkret: "wieso klingt das nicht so wie das andere?", "was kann ich verändern?".. etc.. letztlich besteht Musik nur aus einer Handvoll verschiedener Parameter. Die kann man im Blick haben und sich so verbessern