Nachdem ich die letzten ~40 Beiträge hier (bzw. im alten Thread) gelesen habe, will ich auch mal was dazubeitragen.
ACB ist letzten Endes virtuell-analoge, subtraktive Synthese. Das ist keine bahnbrechende Neuerung, sondern über mehrere Stufen eine Weiterentwicklung der selben Synthese-Art, die Mitte der 90er vom Nord Lead und Konsorten popularisiert wurde.
Nur dass in diesen 20 Jahren durchaus noch mehr modellierte Details dazugekommen sind, die dazu beitragen, dass ein einfacher Sägezahn mit schließendem Filter sich inzwischen eher nach einem analogen Vorbild anhört als in den 90ern.
Das ist keine Entwicklung, die alleine Roland durchgemacht hat, das haben andere Hersteller von Software und Hardware ebenfalls geschafft.
Manchmal wird sogar direkt mit dem analogen Vorbild geworben, einige VA-Synths haben nominell einen "Ladder-Filter", der mit 24db Flankensteilheit LowPass und Resonanz mal mehr, mal weniger gelungen als Moog-Filter durchgeht. Das selbe gibt es gelegentlich auch in 18db Flankensteilheit als "Acid", mit einer ähnlichen Streuung an Originaltreue zur TB-303. Der KingKorg hat sogar mehrere gemodelte Filter für Moog, OB, Prophet-5 und andere Klassiker.
Aber bei all diesen Synths beschränkt sich die Emulation von Originalen dann nur auf den Filter, nicht auf den Rest und ist damit daher immer noch ein gutes Stück vom Original entfernt.
Geräte, die neben dem Filter noch auf andere Eigenheiten der Originale achten, gibt es nur recht wenige:
- Der Kronos hat Emulationen von Polysix und MS-20 an Bord und geht vielleicht am ehesten in die Richtung der aktuellen ACB-/Plugout-Synths, allerdings gibt es diese Emulationen nur als Plug-Ins in der Legacy Collection oder als relativ teures Komplett-Paket mit dem Rest des Kronos. Hardware-Standalone-Versionen gibt es davon nicht.
- Der Solaris ist klanglich definitiv ganz weit oben, allerdings ist die Verfügbarkeit deutlich geringer und der Preis von 3600€ mehr als doppelt so hoch wie das aktuell teuerste ACB-Gerät.
- Die Creamwares überzeugen im Direkt-Vergleich durchaus, sind aber 10 Jahre alt und werden nicht mehr hergestellt.
- Ein ähnliches Schicksal teilt das neuere, aber ebenfalls eingestellte Arturia Origin, quasi ein VST-Player mit Bedienoberfläche für Arturias Software-Klone (über deren Originaltreue man wieder streiten kann).
Dazu kommt, dass sich andere Emulationen recht häufig auf alle möglichen Synths konzentrieren, aber viele Roland-Klassiker außen vorlassen. Minimoog-Klone gibt es wie Sand am Meer, aber Klone von Jupiter-8, Juno-106 und SH-101 schon deutlich weniger. Erst recht nicht in Hardware, dort beschränkt man sich im Grund nur auf die TB-303.
Insofern mag das Konzept der ACB-Synths nicht neu sein, aber als modellierte, originalgetreue (dazu gleich mehr) Hardware-Synths mit Direktzugriff haben sie dennoch eine Ausnahmestellung auf dem aktuellen Synth-Markt.
Die Aufschrift ACB an sich ist kein hinreichendes Kriterium für einen restlos überzeugenden, vom Original kaum unterscheidbaren Klang. Es beschreibt einfach nur eine gemeinsame Engine, die in mehreren aktuellen Roland-Synths eingebaut ist und die größtenteils nicht eigenständig klingen, sondern die verschiedenen Bauteile älterer Synthesizer simulieren will.
Bei 808, 909, System-100, SH-1, Promars, Juno-106, JX-3P und mit Abstrichen Jupiter-8 hat das teilweise ziemlich gut geklappt, bei gut programmierten Sounds muss man bei einem A/B-Vergleich schon genauer hinschauen, was nun Original und Vorbild ist. Andere Sounds wiederum lassen sich laut manchen Vergleichen nicht wirklich nachbauen, so dass der Unterschied größer ist.
Dann wiederum gibt es aber auch ACB-Geräte, bei denen das Original in den bisherigen Demos deutlich anders klingt. TB-303 und VP-330 beispielsweise wurden nach aktuellem Stand eher etwas vernachlässigt, wobei ich da noch ein paar Demos abwarten würde. Beim VP-03 würde ich vermuten, dass die subtraktiv ausgerichtete ACB-Engine zur Emulation von Oktavteiler-Technik weniger geeignet ist. Das würde auch erklären, warum der Sound recht nahe an anderen VAs dran ist, die entsprechende String/Chor-Patches haben. Was die TB-303 angeht, fällt die Erklärung natürlich weg, da werde ich nicht spekulieren.
Die Klangqualität von ACB über alle Geräte hinweg eindeutig zu beurteilen, scheint mir allerdings der falsche Weg. Bei manchen Geräten haben die Entwickler eben bessere Ergebnisse erzielt als bei anderen. Das liegt womöglich mehr an der Programmierung als an der Engine selbst. ACB hat das Potential, ziemlich gut zu klingen. Aber auch das Potential, weniger gut zu klingen. Ähnlich wie bei der Roland-Tochterfirma Boss, deren ältere COSM-Technologie gewissermaßen ein Vorgänger von ACB ist und bei manchen Effekten eben besser und bei manchen schlechter klingt.
In den gelungenen Fällen finde ich allerdings, dass die ACB-Synths durchaus besser klingen als so mancher andere aktuelle VA-Synth. Aber das soll jeder für sich selbst entscheiden.
Sicherlich kann man diskutieren, ob aktuelle VSTs nicht schon gleich gut oder besser klingen. Im Falle der Plug-Outs, die es auch als Plug-Ins gibt, ist der Vergleich zwischen Hardware und Software sogar recht trivial.
Aber die ACB-Synths versuchen sich vor allem daran, als unkomplizierte Standalone-Geräte zu funktionieren, die man einfach anschaltet und spielt. Gerade TR-8, System-1, System-1M und nun vermutlich auch System-8 sind Geräte, die es meines Erachtens schaffen, die Bedienung durch viele Regler und Fader möglichst intuitiv zu gestalten, so dass man die Geräte nach einiger Zeit fast schon blind bedienen kann. Das ist bei modernen Synths keine Selbstverständlichkeit, viele würden mit verschachtelten Menüs ohne ihr Display oder gar einen Editor ziemlich umständlich zu programmieren sein.
Bei Plug-Ins kommt man ohne Maus und Bildschirm nicht weit. Selbst mit programmierbaren Controllern hat man selten Direktzugriff auf alle wichtigen Parameter. So oder so braucht man für das Starten des Synths immer noch Computer, Bildschirm, Interface und Eingabegeräte, verkabelt und angeschaltet. Das mag bei einer Studio-Produktion nicht weiter stören, aber fürs spontane Jammen zuhause, im Proberaum und Live hat ein reiner Hardware-Synth durch seine Einfachheit und Robustheit immer noch seine Vorteile.
Kurz zusammengefasst: sind die ACB-Synths etwas bahnbrechend Neues? Nein. Aber sie bieten:
- überwiegend intuitive Bedienbarkeit mit viel Direktzugriff
- ein auf einzelne Geräte spezialisiertes Modelling-Konzept, das aktuell von keinem anderen Hersteller in dem Marktsegment angeboten wird
- einen Sound, der sich vor der aktuellen VA-Synth-Konkurrenz nicht verstecken braucht
- die Möglichkeit, den eher selten emulierten Sound eines Roland-Vintage-Synth ohne Software zu spielen
- ein relativ gutes Preis/Leistungs-Verhältnis
Wären ein, zwei dieser Punkte nicht erfüllt, hätten die Synths sicherlich weitaus mehr Kritik abbekommen. Aber so finde ich, dass Roland viel richtig gemacht hat und dass man die meisten Geräte, die ACB verwenden, durchaus als gelungen betrachten kann.