Uff - Kunst und Kommerz ...
Fangen wir von hinten an: Da Vinci, Caravaggio, Breugel, Rembrand, Rubens - alle keine Künstler? Weil: sie arbeiteten auf Auftrag, im Mittelalter und davor war die Kirche der Hauptauftraggeber und ohne die ging es nicht. Jedenfalls, wenn der Künstler leben und gut leben wollte und wollte, dass seine Werke gezeigt werden. Also alle raus aus den Museen?
Zudem: Rembrand, Rubens und viele andere hatten Malerschulen. Sie waren weiter als andere, in der Behandlung des Lichts, in der Komposition, in verschiedenen Techniken und legten bei den Werken, die in ihren Manufakturen erstellt wurden, oft nur bei Details Hand an. Dadurch keine Kunst mehr - kann das weg?
Die schönen Portraits, die wir heute bewundern, waren alles Auftragsarbeiten. Die Auftraggeber wollten sich abgebildet sehen, auf der Höhe der künstlerischen Fertigkeiten. Oder die Künstler hatten Mäzene, bekamen ihren mehr oder weniger üppigen Salär von Fürsten, Monarchen, reichen Kunstverständigen. Ach so: Kommerz und kann weg? Der Künstler denkt auch an sich - wie schäbig?
Christo braucht für seine Art von Kunst Geldgeber. Bestreitet jemand, dass das Kunst ist, was er macht? Warhol war ein Künstler - oder doch nicht?
Es ist ein tricky Ding um die intrinsische Motivation von Künstler_innen. Schon deshalb, weil man eben nicht in den Kopf von den Leuten schauen kann und man sich deshalb füglich streiten kann, ab wann und zu welchen Anteilen es ihnen "nur noch" darum ging, Geld zu machen und sich zu vermarkten. Da werden dann munter die Töpfchen "Kunst" und "Kommerz" aufgestellt und die Erbsen mal in dieses, mal in jenes Schälchen geworfen. Wer hat was davon?
Es gibt, zumal im Abendland der Moderne und dann noch mal in Deutschland, die schönidealisierte Vorstellung vom armen Künstler, der um sich selbst bzw. der Kunst willen leben und schaffen soll und bei dem jeder Erfolg die häßliche Fratze des sich Anbiederns trägt. Van Gogh - so möchte man aus dieser Sicht die Künstler haben: arm, verzweifelt, mit sich und der Welt ringend, zu Lebzeiten arm, nach dem Tod aber dann erkannt und in die Hallen des Kunstolymp gehoben.
Die gibt es - aber ist das der Maßstab? Je verkannter, desto Künstler? Je ärmer, desto gut? Der Künstler gegen den Rest der Welt?
Die eigene Motivation oder Haltung des Künstlerisch Schaffenden halte ich gleichwohl nicht für unerheblich. Für ihn selbst. Warum mache ich etwas? Was will ich damit ausdrücken, bewegen? Wem diene ich mich an und was folgt daraus? Wo begebe ich mich in Abhängigkeiten - und die müssen beileibe nicht nur auf dem Gebiet des Kommerzes liegen. Anerkennung, Hall of Fame, ein Rädchen im Getriebe sein - all das spielt eine Rolle. Da erwarte ich, dass ein Künstler das auf dem Schirm hat - aber die Antworten, die er sich und der Welt gibt, sind seine. Man mag sie von Außen beurteilen wollen, und das tut man so, wie man alle Dinge und Vorgänge dieser Welt von sich aus beurteilt und man hat auch alles Recht dazu, was einen selbst angeht. Aber so zu tun als seien diese Beurteilungen "objektiv" ist eine völlig andere Sache, die weder einem selbst noch der Welt oder den schaffenden Menschen gerecht wird. Man mag doch die mögen und die andern nicht - ist doch okay. Aber wo kommt die Haltung her, über andere den Stab zu brechen? Am ehrlichsten finde ich da die Haltung: Kann ich was mit anfangen, sagt mir etwas, gibt mir etwas, spricht zu mir. Darum geht es. Unabhängig vom Marktwert, vom Ruhm.
Sehen wir Künstler als Menschen mit einem gewissen, spezifischen, kreativ-schöpferisch-kommunitiven Zugang zur Welt. Sehen wir ihn auch als Menschen, der leben will. Sehen wir ihn als Menschen, der die Welt begreifen und in ihr leben will, der sich behaupten, der schaffen will. Was, wenn er oder sie die Spielregeln, nach der die Welt auch funktioniert, begriffen hat und sie für seine Zwecke nutzt? Der es schafft, einen Mäzen von sich zu überzeugen. Der es schafft, seine Auftraggeber von seinen Intentionen zu überzeugen oder - was auch beileibe nicht selten ist - sie ihnen unterzuschieben. Viele Portraits zeugen auf den zweiten oder dritten Blick die Skepsis des Künstlers, viele Gemälde sind bei genauerem Blick sehr kritisch und unterlaufen die vordergründigen Absichten ihrer Auftraggeber. Ist das schäbig, muss das weg? Oder ist das die "höhere" Kunst - die Kunst des Lebens?
Ich sage nicht, dass die Motivation des künstlerisch Schaffenden unbedeutend ist. Aber sie ist bedeutend für den Kunstschaffenden selbst. Und sie ist eben hoch spekulativ, von Außen betrachtet. Für einen selbst als Konsumenten mag man ja sagen, dass einem diese empfundene Haltung die ausschlaggebende ist. Aber man soll nicht so tun, als messe man Kunst an dieser eigenen Elle und diese Elle für die Welt und den "objektiven" Maßstab für die Kunst halten.
x-Riff