War mir gar nicht bewusst, dass Du Estill zugeneigt bist, obwohl ich schon lange dachte, dass das was für dich sein müsste. Hier im Forum beziehst Du Dich ja meist auf TVS und CVT. Und bei TVS finde ich schon, dass sich das an einigen Stellen von EVTS entfernt, auch wenn Lunte selbst lange danach ausgebildet wurde.
Ich würde aber nicht den Fehler begehen, und die Voice Qualities in EVTS als derart fix wie die Modes in CVT ansehen. Die Voice Qualities bei EVTS verstehen sich als Beispiele wie die Kombination bestimmter Figures zu bestimmten Gesangsstilen führt, aber die sind nicht starr und es heißt nicht, dass es keine Variationen oder Abweichungen gibt. EVTS sagt nicht: "Mach das nur so, sonst ist es kein Belting."
Ich bin halt TVS zugeneigt ;-) Und zumindest die Begriffe Twang, Belt und Falsett werden da im Sinne von Estill benutzt. Wobei Twang etwas sloppy eben auch synonym für AES-Konstriktion verwendet wird. Aber das kommt bei den eigentlichen Estill-Leuten genauso vor (und bei CVT ist es sogar die Grunddefinition). Natürlich fängt Rob in vielen Bereichen an von EVTS abzuweichen, aber die "vocal modes" Falsett, Twang und Belt sind immer noch gleich definiert. Er hat nur den vocal mode "quack" noch dazu erfunden, der für einen ganz extremen Twang steht, der zum echten Singen praktisch nicht geeignet ist, zum Üben aber hilfreich.
Und die Grenzen sind natürlich fließend. Sind sie ja im Grunde überall. Alleine CVT hat sich da etwa anders positioniert mit der Behauptung, es gebe "dead zones" zwischen den Modi, die nicht funktionieren als Koordination. Aber wie schon gesagt scheint sich herauszustellen, dass gerade der Edge-Modus sich sehr fließend mit den anderen Modi verbinden lässt, ohne größere "dead zones" dazwischen.
Ich persönlich ziehe die Grenze zwischen Belt und Twang halt da, wo der Kehlkopf tiltet und der Stimmsitz damit nach hinten rutscht, weil das (für mich) ein relativ gut wahrnehmbarer Vorgang ist (sowohl klanglich als auch sensorisch). Aber eine exakte Grenze objektiv festzulegen finde ich schwierig. Man könnte die Grenze auch (so wie du denke ich) beim Übergang von Voll- in Randstimme ziehen, was aber bedeuten würde, dass der Twang-Modus immer randstimmig ist und das ist er in der Tiefe z.B. nicht. Man könnte die Grenze auch über die Menge an AES-Konstriktion ziehen, aber laut Estill sind die Vorgägen Tilt und AES-Konstriktion ohnehin physiologisch gekoppelt, d.h. starker Twang geht auch nur bei starkem Tilt (umgekehrt geht starker Tilt aber ohne starken Twang, das macht den Falsett-Modus aus). Deshalb sagt man auch oft, dass der Twang-Modus den gleichen Stimmsitz/die gleiche Resonanz hat wie das Falsett (wegen des starken Tilt), aber eben viel mehr Stimmlippenschluss und Metall (wegen der AES-Konstriktion).
Ein weiteres Argument die Grenze da zu ziehen (ist für mich) die bewusste Entscheidung beim Singen. Für mich ist es eine bewusste (oft stilistische) Entscheidung, ob ich den Stimmsitz nach hinten lasse in die Kopfstimme oder ob ich vorne bleibe für einen Belt. Der Atemdruck kommt aber eher intuitiv mit der Lautstärke, d.h. die Entscheidung, ob ich innerhalb der Kopfstimme voll- oder randstimmig singe, ist eher eine unbewusste oder indirekte, die sich nach der Lautstärke richtet. Für mich ist es dann eben Kopfstimme/Twang/Fake-Belt. Ob da die Voll- oder Randstimme drunterliegt, ist mir relativ egal. Ab einer bestimmten Tonhöhe geht dann ja eh nur noch Randstimme.
Alles halt schwierig und sobald man versucht irgendwas exakt abzugrenzen findet man natürlich sofort jemanden, der anderer Meinung ist