Moin!
Ich habe lange überlegt, ob ich hier noch etwas dazu schreiben sollte oder es doch einfach lassen sollte. Gegen derart viel Polemik kommt man schlecht an. Ich finde diesen Thread absolut berechtigt. Vielleicht hätte ich nicht einen solch provozierenden Titel zu meinem Thread schreiben sollten, sondern eine neutralere Version schreiben. Das habe ich nun davon. Ich wollte nie jemanden als Menschen zweiter Klasse oder als Idioten diffamieren. Ich sah meinen Thread von Beginn an nie als einen Kampf zwischen Röhren und Transtoren, denn ich wollte nur mit den Gerüchten die in Köpfen vieler wohnt aufräumen, um zu zeigen woraus der Sound aus dem Amp stammt. Wenn man einen Thread sachlich aufziehen möchte, hilft es einfach nicht stets Antworten auf Gefühlsebene zu erhalten, die oft am Thema vorbei gehen. Zudem habe ich persönlich nicht angefangen über Modeller zu reden. Meine Erkenntnisse bezogen sich rein auf analoge Schaltkreise.
Ich werde nie der "Ketzer" sein, als der ich hier und im anderen Thread teilweise abgestempelt werde/wurde. Ich lasse jedem sein Spielzeug und ich liebte selber viele Röhren. Um es erneut zu wiederholen: Ich habe mir einst sogar einen Rack-Wah in reinster Röhrenschaltung aus Lust an der Freude gebaut. Der klingt nicht anders als jeder andere in Halbleiter-Technik gebaute Wah auch. Ich bin selber mit einem JTM45 groß geworden, da mein Gitarrenlehrer einen solchen auf seiner 1960TV stehen hatte. Er klang immer großartig damit und ist mit diesem Setup auch getourt. Allerdings hatte ich bis heute auch viele schlecht klingende gehört. Das kann viele Gründe haben: Box passt nicht, schlechte Raumakustik, Bias falsch eingestellt, Defekte, Bauteildrifts, Toleranzen, usw... Aber nur weil die meisten Marshalls die ich vor mir hatte absoluter Dreck waren, heißt es noch lange nicht, dass dies schlechte Amps sind. Das ist wie mit einem PC: Der Fehler sitzt meist 30cm vor dem Bildschirm. Wenn man sein Schätzchen nicht wartet und es misshandelt, dann wird es irgendwann anfangen zu zicken. Mir käme niemals die Idee von einem Beispiel auf die gesammte Technik zu schließen. Es gibt von allem Herstellern und in jeder Bauart Geräte die sehr schlecht, als auch sehr gut sind. Zudem ist noch der persönliche Geschmack maßgebend.
Wenn jemand seine Gitarre kauft, weil sie blau ist und dies auch sagt, finde ich es gut und es war seine entscheidung. Nur zu behaupten, sie klänge gut, weil sie blau ist, ist einfach nicht wirklich nahe an der Wahrheit. Das liegt sehr nah. Bei anderen Sachen verhält es sich ähnlich, allerdings sind die nicht derart einfach. Daher versuche ich seit jeher zu ergründen woher der Klang stammt. Ich habe dies versucht sehr kurz in meinem Thread zu thematisieren. Allerdings sind die wenigsten darauf wirklich eingegangen und mein Wunsch nach dem Versuch hat sich bis auf eine Ausnahme auch niemand getraut. Schade...
Um zum eigentlichen Thema zu kommen, möchte ich sagen, dass die Röhre zuerst da war. Und bevor der erste Transitor auf dem Markt gelang, gab es schon Helden der Musik die mit ihrem elektrischen Sound. Dieser Sound war dann hip und viele versuchten ihn zu kopieren. Das ist irgendwo bei jedem neuen Star der Fall. Daher sind die Amps oder Gitarrenmodelle oder andere Geräte je nach Erfolg der Nutzer demenstsprechend bei allen anderen Beliebt. Weil eine Band in den 90ern der Hit war, sind die Sachen, die sie aufgrund von anfänglichem Geldmangel in den 70ern und 80ern billigst aufgrund derer Unbeliebtheit gebraucht kaufen konnten bis heute plötzlich teure und rare Sammlerstücke. Das bekannteste Beispiel dürfte hierbei Nirvana sein. Daher ist der "Röhrensound" unserer Idole ja auch Ziel von allen. Ohne Santana hätten wir heute keine PRS. Das ist einfach so.
Es gibt ja auch nicht den "Röhrensound" per se, sondern so viele wie Sand am Meer und wenn man ehrlich ist gefallen uns die meisten Amps nicht. Sonst wäre alles mit einer Röhre drin plötzlich auf magischer Weise total toll und unübertrefflich gut. Das ist aber nicht so. Da sollten wir uns alle einig darauf sein.
Obwohl HiFi nicht unser gebiet hier ist, muss ich zugeben, habe ich ja einen ähnlichen Vergleich mit einem Röhren-CD-Player gemacht. Da habe ich die Stärken der Röhre auch erwähnt und dennoch bin ich scheinbar in diesem Forum als Röhrenhasser abgestempelt worden. Schade... Zu dem hier aufgeführten Vergleich mit der Creek Anlage kann ich nicht viel sagen, da ich das Equipment und das Setup nicht kenne. Ich kann mir gut vorstellen, dass da gewaltige Unterschied warnehmbar sind. Heutzutage sind alle Amps im HiFi Bereich eh gesoundet, da sonst alles identisch klingen würde. Das wollen die Hersteller nicht, daher traut sich auch dort kaum jemand linereares anzubieten. Nur wenige haben einen beeindruckenden Messschrieb. Auch der Impedanzverlauf zwischen Endstufe und Lautsprecher macht hier einen hohen Einfluss aus. Und da wären wir nun bei den Punkten, worauf es beim Sound ankommt:
Netzteil:
Von mir wurde ebenfalls beschrieben, dass der oftmals bei hoher Leistung empfundene Sag einen hohen Einfluss auf das Spielgefühl und den Klangcharakter ausmacht. Allerdings ist dies keine Eigenschaft der Röhre, sondern des unterdimensionierten und unstabileren Netzteils. Diese Schwäche hat hier positiven Einfluss auf den Sound. Die meisten technischen Schwächen sind für den Sound zuträglich. Hier ist es eins der wenigen Beispiele. Ein solches Netzteil ist aber auch mit einem normalen Brückengleichrichter aufzubauen. Man kann da sogar noch weiter gehen und die Netzteileigenschaften vom Eingangssignal regeln lassen. Viele Fuzzpedalnutzer nutzen leer gespielte Batterien, um diesen Effekt an ihrem Pedal zu haben oder undervolten ihre Pedale absichtlich. Dies funktioniert also auf beiden Seiten.
Übertrager:
Ja, der Übertrager wurde hier und bei mir erwähnt und es ist auch alles richtig so. Allerdings hat dieser Teil doch nichts mit der Röhre per se zu tun. Er ist meist Teil des Röhrenverstärkers, allerdings gibt es sehr wohl eisenlose Verträter dieser Gattung. Um den Effekt ebenfalls wie ich auszuprobieren kann man gerne einen möglichst günstigen ELA-Übertrager kaufen und diesen an eine Transistor-Endstufe hängen. Allerdings muss man bei der gewählten Leistung bedenken, dass die dortigen 100W zum Beispiel auf 100V ausgelegt sind, sondass maximal 1A fließen darf. Wenn man dann selber 100W aus der Endstufe lockt und die Spannung nur bei 60V liegt, ist der Strom zu hoch und der Übertrager kann abrauchen. Man muss dies allerdings nicht nach der Endstufe integrieren. Genauso gut kann man einen Übertrager in der Vorstufe im Signalweg haben.
Bei Geofex gibt es einen sehr interessanten Artikel zu diesem Thema. Zwar geht es da hauptsächlich um Wahs, allerdings ist der Teil der Faselspule äußerst empfehlenswert zu lesen, da er beschreibt wie die Eisensättigung den Klang prägt. Hierzu kann man wie dort auch demonstriert einen Übertrager mit einem Eingang und zwei Ausgängen her nehmen und an den zweiten Ausgang eine regelbare Gleichspannung anlegen, um die Sättigung des Eisens zu steuern.
Klirr:
Dies ist die einzige Thematik die mit der Röhre an sich zu tun hat. Auch wenn ich den Herrn Zollner nicht mag und er die meisten Thesen von ihm selber ad absurdum geführt wurden, da er nicht einmal seine Versuche genau genug beschreibt, um sie wiederholen zu können, hat er in diesem Fall recht. Das Klirrverhalten der Röhre erzeugt einen angenehmeren Klang. Allerdings ist dies vom gewohnten Hörverhalten abhängig. Das ist so ähnlich wie die MP3 bei Jugendlichen besser klingt als hochauflösende Dateiformate. Man darf nicht vergessen, dass man hierbei - sei es Modellere oder analog - seit langem sehr nah am "Röhrenideal" ist. Die Differenzen sind so subtil wie der Einfluss von verschiedenen Kondensatoren im Signal. Hierzu habe ich auch schon mal im Forum Messergebnisse präsentiert. Also ja: Die Unterschiede sind da und messbar. Aber: Unterschiede von einigen Promille unterstelle ich jedem nicht in der Lage zu sein heraus zu hören.
Die Bauteiltoleranzen und umgebene Schaltung haben einfach einen wesentlich höheren Einfluss. Hierbei zweifle ich auch stark das "pysikalisch nicht Mögliche" an.
PTP vs. SMT:
Alle Vor-/ als auch Nachteile der verschiedenen Herstellkungsarten seien dahin gestellt. Ich möchte auf diese auch nicht eingehen. Allerdings möchte ich unterstreichen, dass dies ebenfalls nichts mit Röhre zu tun hat. Ibanez hat ja auch einen Tube Screamer auf dem Markt, der PTP verdrahtet ist. Ob ich jetzt eine Röhre oder einen Transitor sockel ist hierbei egal. Bei gleichem Layout der Schaltung ändert sich nichts am Sound. Und es gibt genug Röhrenamps mit SMT.
Ich habe selber oft das Problem, dass meine Airwire-Schaltung auf dem Breadboard wesentlich besser klang als die fertig bestückte Platine. Dann musste ich natürlich wieder ans Reissbrett und schauen welche parasitäre Effekte nun den besseren Klang verursachten.
Bias, Feedback, Klirrfaktor und alle anderen genannten Schlagworte sind auch bei Halbleitern umsetzbar. Man kann künstlich den inneren Widerstand erhöhen oder durch eine andere dotierung niedriger gestalten. Halbleiter gibt es wie Sand am Meer und alle haben sie durch ihre Konstruktion andere Eigenschaften. Über Sinn und Unsinn hierbei muss ich nicht eingehen. Es ist technisch einfach möglich. Punkt. Es sind wesentlich mehr Analogien vorhanden, als man oftmals wahrhaben möchte.
@Telefunky bringt es in diesem und im anderen Thread jedes mal auf den Punkt. Von ihm fühlte ich mich bisher auch von allen am meisten Verstanden. Ich will keine Hetze veranstalten. Ich will keine Technik schlecht reden. Ich möchte einfach nur mit dem Mythos Röhre aufräumen und auf die einzelnen Aspekte eines guten Verstärkers mit einem guten Design eingehen. In der Historie der Amps waren die meisten guten Sachen eher ein Zufallsprodukt. Man hat viel experimentiert und teilweise mussten sogar für den richtigen Sound die Pappen zerschnitten werden. Heute kann man gezielter auf die Wünsche eingehen. Da liegt das Problem eher darin seine Wünsche derart konkret zu formulieren, dass man diese auch technisch umsetzen kann. Diese ganzen Wortklaubereien führen hierbei auf beiden oder allen drei (inkl. Modeller) Seiten zu nichts.
Die bereits beschriebenen Telefunken-Geräte der V und W Serien sind ein gutes Beispiel für Transistortechnik, die alle Vorteile im Klang durch die Vorbilder der Röhrenschaltungen erhielt. Dort sind auch alle klangformenden Vertreter enthalten. Das einzige was fehlt ist eine Röhre und dennoch ist der heiss begehrte Vintage-Faktor sehr groß. Dies kann man auch genausogut daher in der Gitarrenfraktion mit übernehmen und davon profitieren.
Da es ein breit beschrieenes Thema ist, möchte ich noch einen Aspekt zu den Modellern los werden. Ich bin ein großer Fan dieser Geräte, auch wenn sie für mein Empfinden noch keine Zerre fahren können, die ich als solche akzeptiere. Alles andere ist allerdings wunderbar umgesetzt. Man hat schicke digitale Raumeffekte, Emulationen, Simulationen und Filter. Die IR-Karte zur Boxensimulation habe ich erst vor kurzen richtig kennen gelernt und finde die einfach nur toll, auch wenn ich das Meiste hierbei direkt in Simulink umsetze. Also wäre mein Setup mit Modeller immer mit einer analogen Zerre verbunden.
Ich kann die ganzen schlechten Eindrücke und Erfahrungen mit Modellern nachvollziehen. Jedoch habe ich das Gefühl, dass hierbei oft Äpfel mit Birnen verglichen werden. Wenn ich meine Sounds per Software fahre und dabei nur meine Kopfhörer habe, kann das Erlebte niemals an einen ausgefahrenen Amp reichen. Genauso ist es, wenn man seine PC-lautsprecher oder lineare Monitore nutzt. Man muss schon an eine PA gehen oder andere Lautsprechen nutzen, die niedrighubige und stark aufgehängt Pappen haben. Es ist sonst ein unfairer Vergleich, wenn der Amp an einer 4x12er hängt und der Modeller nur die 6" LS von Feinkost Albrecht spendiert bekommt. Da sollte man idealerweise schon die gleichen 12" Pappen nehmen. Die bewegte Luft ist einfach eine andere und die Reaktion von weich aufgehängten Pappen kommt immer verspätet, egal ob man etwas Digitales oder rein Analoges dran hat.
Die Anekdote mit dem Wasserkocher finde ich daher auch witzig, da sie ungemein passt. Mein Küchen-Heinzel (Ich muss bald umziehen.) hat mir aufgrund der Effizienz abgeraten Wasserkocher zu verwenden, da mit einem Induktionsherd das Wasser wohl schneller kocht als im Kocher. So schließt sich der Kreis irgendwie. Es ist genauso wie mit dem Auto. Früher E-Motor, dann kamen die Benziner und heute ist wieder E-Motor im Kommen. Die ganze Welt arbeitet digital und dennoch ist in Nischen wieder analoge Schaltung gefragt, da aufgrund der äußeren Umstände - wie zB Radioaktivität - eine digitale Anlage aufwändiger und teurer herzustellen wäre. Da müssen die Leute plötzlich wieder umdenken. Leider gibt es da auch nur noch sehr wenige Leute, die in der Lage sind analoge Designs zu entwerfen und die Zahl schwindet.
Dies ist ein langer Post und ich möchte hierbei auch nun zum Ende kommen. Da dies mein letzter Post zu diesem Thema ist und alles dazu von mir Geschriebene im Forum veröffentlicht wurde, möchte ich mich hiermit auch bei allen herzlichst bedanken, die bis hierhin überhaupt ernsthaft gelesen haben. Und ich entschuldige mich auch hiermit bei allen, die sich bei diesem Thema von mir persönlich angegriffen fühlten. Das wollte ich nie und ich wollte auch nie arrogant oder anderweitig rüber kommen. Es tut mir daher leid! Ich kann es nicht oft genug wiederholen, aber meine Idee war es wirklich nie jemandem die Röhren madig zu reden oder zu verlangen Transistoren für alles zu verwenden. Obwohl es mir zuhauf in den Mund gelegt wurde, würde ich Liebhaber dieser Geräte niemals als rückschrittig betrachten. Ich wollte nur Denkanstöße liefern, die vielleicht dem einen oder anderen eine Entscheidung abnehmen oder zum Umdenken anregen. Wenn ich deswegen jemanden als rückschrittig betrachten würde, wäre ich es selbst, da ich Diezels Herbert liebe und viel an Schaltungsinspiration erhielt und zudem noch sehr viel Kram aus den 60ern und 70ern im Einsatz habe. In diesem Sinne...
Gruß,
Etna