Gestern war ich mal wieder beim Freundlichen, Kabel und Tischracks fürs Heimsetup kaufen. Wo man schon mal da ist, kann man sich auch mal wieder 'n bißchen durch die Synths hören.
Nachdem ich eine Weile in der Synthesizerecke für richtige Freaks (plus Nord-Lager) war, bin ich mal nach oben gegangen zu den Fernost-Herstellern. Außer einem mal wieder sehr niedrigen Körgchen-Kurs (Ur-MicroKorg für 339,– €) erblickte ich tatsächlich einen der ersten Odysseys. Na ja, wo ich schon mal da war und er auch, konnte ich ihn auch antesten.
Keine Ahnung, was für'n Freak das Ding zuletzt unter den Händen hatte, jedenfalls produzierte er einen zutiefst chaotischen, LFO-modulierten Dauerton. Der mußte erstmal abgestellt werden. Und mach das mal, wenn du noch nie einen Odyssey vor dir hattest – den Init Patch (vor allem alle Regler runter, auch wenn er dann still ist – bei einem Synth mit Amp-Gain-Regler ist das auch ratsam) kannte ich noch nicht.
Beim Odyssey kommt da ja einiges zusammen. Zunächst mal, ganz klar, hat er keinen Speicher. Den hat ein Microbrute auch nicht, aber vom Minimoog aus gesehen steht der Microbrute auf der anderen Seite als der Odyssey. Bei dem hat man damals nämlich nicht gesagt: "Okay, wieviel muß das Ding mindestens haben, um sinnvoll zu sein?" (So ist statt dessen der ARP Axxe entstanden.) Man hat gesagt: "Okay, wieviel vom 2600 kriegen wir in einem 3-Oktaven-Gehäuse unter, wenn wir dann auch noch Sync und einen LFO mit einbauen?"
Demzufolge hat der Oddy Funktionen, mit denen kein Schwein rechnen würde. Alleine schon die ganzen Modulationsumschalter. Und wenn ein Oddy, den jemand anders als man selbst unter den Händen hatte, komisch klingt, dann muß man schon seine Synthesekenntnisse anwenden, um zu ermitteln, was da querschießen könnte.
Was der Odyssey dagegen nie hatte und immer noch nicht hat, was beim 2600 aber selbstverständlich ist: ein 440-Hz-Oszillator. Odyssey-Workaround Nr. 1: Man ruft im Musikgeschäft in die Runde: "Kann ma einer 'n C spielen?" (Ja, ich weiß, 440 Hz ist ein A.) Ich wendete Workaround Nr. 2 an, spielte ein C im Kopf, stimmte danach Oszillator 1 (exakte Stimmung ist spießig) und nach dem dann Oszillator 2.
Nachdem die Kiste endlich sowas wie Manieren hatte, konnte ich richtig lostesten. Bißchen hier probiert, bißchen da, Oszillatoren eine Oktave auseinander und die Duophonie-Automatik ausprobiert (Duophonie geht auch geil mit ziemlich gleich gestimmten Oszis, aber unterschiedlichen Waveforms), war ganz lustig. Man merkt, einen Voll-Vollanalogen unter den Händen zu haben, denn wenn man Rauschen mit reinmischt, wird der Odyssey von sich aus dirty – das dürfte einem bei einem DSI so nicht passieren (auch wenn auch DSIs aggressiv können). Ach ja, im Gegensatz zum Minimoog ist beim Odyssey auch nicht "überall Sweet Spot", der kann auch giftig und häßlich sein oder unerwartete Artefakte produzieren.
Zum Spielen selbst sei an dieser Stelle gesagt: Ich fand die Tastatur ganz genehm. Okay, wer Wurstfinger hat, die 98% der Breite einer weißen Klaviertaste haben, der hat ein Problem, aber mit meinen Griffeln könnte ich noch schmalere Tasten spielen. Der PPC hingegen ist ein schlechter Witz. Die Idee an sich ist ja nicht ungeil, aber das Ding in der Neuauflage reagiert erst ab mehreren Newton, man muß die Gummis gefühlt den halben Weg eindrücken, damit was passiert. Zumindest fühlen sie sich wenig kaputtbar an – im Gegensatz zu den Gehäuseohren.
Dann das Filter. Der Korgyssey™ hat ja drei zur Auswahl (zum Auswahlschalter): I ist ein Klon des zweipoligen 4023, II ist einer des Moog-Klons 4035, und III ist einer der vierpoligen Eigenentwicklung 4075, die auch mit dem Mk-III-Halloween-Gehäusedesign korrespondiert. Paar Sachen fallen da schon auf. Beispielsweise packt beim IIIer die Resonanz gefühlt etwas mehr zu, aber es ist wie bei den alten Odysseys dumpfer, weil es nicht ganz aufgeht. Einige sagen trotzdem, die späten Odysseys klingen am besten.
Tonal spielen kann man alle, Keyfollow (kein Schalter wie bei Moog, sondern ein Fader) auf oberen Anschlag ist 100%, da muß man nicht nach Gehör rumsuchen. Vor allem, weil das Ding eine ungerasterte Cutoff-Regelung hat, kann man das Filter auch wirklich so genau tunen wie einen Oszillator und nicht in 128 Schritten wie beim VA, die eigentlich nie so gerastert sind, daß man ein Filter nach Stimmgerät stimmen könnte. (By the way: Das Ier ist je nach Eingangssignal auch mal einen knappen Halbton höher "gestimmt" als II und III. Muß man beim Umschalten aufpassen.)
Selbstoszillieren können alle drei Filtergenerationen, und da wurde es lustig. Hab mal alle schön zum Zwitschern gebracht. Am schönsten zwitschert die Ier. Ja, das blecherne Zweipolfilter, das das Oberheim SEM inspiriert hat. Ich hab mal so an der Resonanz rumgeschoben, spaßeshalber mal voll auf (Vorsicht, der Odyssey kann dann laut werden, und er regelt auch nicht wie ein Moog die Oszillatorsignale voll weg) – und ZACK, FLASHBACK! Das hast du doch schon mal wo gehört! Das ist die ABBA-Flöte! Die besteht echt zu mindestens 90% aus dem selbstoszillierenden Zweipolfilter, wo dann eben kein sauberer Sinus rauskommt. Klar, daß den Sound kein anderer Synth erzeugen kann, außer man samplet sich einen Odyssey ab und läßt den Rest die Verstärkerhüllkurve machen.
That said, wer den Selbstversuch macht und auf einem Korg-Odyssey "Gimme! Gimme! Gimme!" spielt (Bonuspunkte, wenn man als Vorführgerät einen Black&Gold unter den Händen hat), kann sich auf was gefaßt machen. Der Odyssey ist, wie gesagt, duophon. Der mag kein Legatospiel. Den kann man nicht spielen wie einen Monophonen oder einen Digitalen im Mono-Modus, sondern der muß entsprechend flockig gespielt werden.
A propos Verstärkerhüllkurve: Gibt nur 2 Hüllkurven, eine ist ADSR, eine AR, und mit Schiebeschaltern kann man sie Modulationszielen zuordnen. Standardmäßig ist AR die Verstärkerhüllkurve. Wenn man den Odyssey ein Weilchen gespielt hat, sagt man sich irgendwann: "Regelbarer Sustain für die Verstärkerhüllkurve wird bei einem Leadsynth irgendwie überbewertet." Gut, wer will, kann auch die ADSR als Amp Env nehmen und Bässe bauen, die gehen eh am besten, wenn man eine Hüllkurve für Amp und Filter nimmt, siehe Juno-60.
Viel Zeit hatte ich dann nicht mehr, sonst hätte ich mal den Mussolini-Sound versucht reinzudrehen.
Martman