Interessante Ansichten. Da sich die nette Herrenrunde darüber einig zeigt und sich mit Kinderseelen und Erziehung generell gut auszukennen scheint, werde ich mit den folgenden Zeilen jedoch Position beziehen und eine andere Meinung aufzeigen.
1. Im Umkehrschluss zu eurer Meinung kann also jede/r der/die nicht für sein/ihr Instrument sparen und arbeiten musste nicht mit dessen Wert umgehen. Richtig?
2. Gibt es bei euch als Bürger einer westlichen Industrienation eigentlich so etwas wie Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke, bei denen Kinder gezielt Wünsche äußern können, oder sollen Kinder darauf auch erstmal sparen? Und falls es doch wahlfreie Weihnachts- und Geburtstagswünsche im bestimmten finanziellen Rahmen gäbe, warum sollte man einem Kind nicht ein heißersehntes Instrument schenken dürfen?
3. Als ich mir im zarten Alter von 5 Jahren zum 6.ten Geburtstag ein kleines Keyboard wünschte, wurde ich erstmal vor die Frage gestellt ob ich dieses denn überhaupt benutzen würde, da es sehr teuer sei (was relativ anzusehen ist, aber 70 DM waren in den 70ern wohl doch schon immens viel Geld). Wenn ich ehrlich bin, hätte ich für meine ersten Gehversuche als kleiner Musiker auf diese Worte meiner Eltern verzichten können, denn Antworten hatte ich darauf natürlich nicht parat, aber ich entwickelte schon so etwas wie ein schlechtes Gewissen mir "etwas so teures" zu wünschen; wobei ich doch noch gar kein Gefühl für Geldwerte entwickelt hatte. (Gar nicht zu erwähnen, dass ich als Vierjähriger gern Schlagzeug gespielt hätte, bloß hatte damals niemand ein offenes Ohr dafür.)
4. Auch ohne in meiner Kindheit für meine Instrumente gespart haben zu müssen (o.k., für die erste Orgel wurde zumindest das Sparbuch geplündert), habe ich meine Lektionen was Geld betrifft gelernt. Denn was Geldverdienen anbelangt, habe ich über mehr als 10 Jahre einen recht harten Job ausgeübt, und dass ich mit dem (hart) verdienten Geld umzugehen weiß, hat rein gar nichts(!) mit meinen Erfahrungen als Kind zu tun.
5. Etwa als 22jähriger kaufte ich eine Gitarre für 3500 DM. Für mich war das ein kleines Vermögen und ich musste eine gute Zeit darauf sparen. Ich schätze dieses Instrument aber nicht weil ich darauf sparen musste, sondern weil es ein gutes Instrument ist.
6. Lasst Kinder Kinder sein. Ich erlebe grad selbst wie schnell die Jahre vorbeirasen und so ein Kind erwachsen wird. Und daran anknüpfend, so glaube ich, gibt es andere Güter als Instrumente für die es sich zu sparen lohnt, beispielsweise Spielkonsolen und dergleichen. Instrumente sollten aber einen anderen Stellenwert einnehmen - eben weil ich Musik, auch für die Entwicklung eines Kindes, sehr wichtig finde. Ich sehe keinen Grund Musizieren und den Kauf eines Instrumentes mit etwas wie sparen oder arbeiten zu verknüpfen. Irgendwann im Jugendalter werden die Instrumente für manche Eltern womöglich ohnehin nicht mehr so leicht finanzierbar sein - früh genug für Kids sich dann nach 'nem Ferienjob oder dergleichen umzusehen und die harte Schule des Lebens kennen zu lernen.
7. Ich meine nicht man solle Kinder mit Luxus überhäufen. Aber ich befürworte für einige Jahre die kindliche Naivität zu bewahren, vor allem wenn es um das Erlernen eines Instrumentes geht - insofern der Wunsch nach einem Instrument nicht zusammenhangslos und willkürlich vom Kind getroffen wurde - was man als Elternteil ja wohl ziemlich gut beurteilen können sollte.
8. Für einen kleinen Sohn oder eine kleine Tochter ist Papa mitunter der Held, auch wenn wir ansonsten mehr oder weniger Deppen sind. Beraubt sie nicht dieser kindlich-naiven Illusionen und seid einfach mal der Held, der ihnen auch musikalische Wünsche erfüllen kann. Diese positive Erfahrung wird dem (erwachsenen) Kind niemand rauben können und es wird sein Leben lang davon begleitet.
9. Musizieren mit Zwängen zu assoziieren, die damit rein gar nichts zu tun haben, kann sich auch in Frustration entladen. Das trifft genau so für den Umkehrschluss zu Kinder zum Musizieren zu drängen.
10. Wenn ein Kind einen Teil seiner Zeit dafür opfert für ein Instrument zu arbeiten, ist das doch gleichbedeutend damit ihm dieses Instrument und das Musizieren zumindest für diese bestimmte Zeit vorzuenthalten. Hierzu fällt mir kein Grund ein womit das zu rechtfertigen sei. Ich denke eher der Umkehrschluss trifft zu: Kindern mit musikalischem Talent sollten wahlfrei mehrere Instrumente zur Verfügung stehen - Musizieren sollte so natürlich zum Alltag dazu gehören wie das lesen und schreiben Lernen oder Spielen. Man verlangt auch nicht von Kindern für Stifte und Papier zu arbeiten, oder einem Vorlesebuch.
11. Nie waren Instrumente günstiger als heutzutage, dennoch bekommt man als Gegenwert wirklich brauchbares Zeugs. Ich habe in den Posts in diesem Thread noch nicht herausgelesen warum man den Kauf eines Instrumentes gegenüber einem nachhaltig interessierten Jungen erst zu einem Thema stilisieren muss.
12. Manche Leute geben immens viel Geld für den Familienurlaub oder ein schickes Auto aus, wobei der Sinn und Nutzen für das Kind, nämlich ein paar Tage im Sand zu buddeln oder mit "EPG" gefahren zu werden, dabei außer frage steht. Insofern ihr zu diesen Leuten gehört, aber den Kauf eines Instrumentes innerhalb der Familie zum "großen" Thema macht, wäre doch die Revision angebracht ob ihr denn eure Prioritäten richtig einsortiert habt.
Dass der Junge nun ein Instrument bekommt, finde ich großartig. Dass er darauf noch warten soll, weniger. (Wobei er aber auch warten müsste, wenn es als Weihnachts- oder Geburtstagsgeschenk gedacht sei. Dann jedoch nicht ohne Ersatz in der Zeit der Überbrückung.) Ich wünsche ihm aber viel Spaß damit, wenn er die Gitarre dann endlich in den Händchen halten wird!
BTW: Zu der Unterhaltung E-Gitarre vs. A-Gitarre meine ich, dass parallel ein wenig lockerer Schlagzeugunterricht und Rhythmuslehre auch nicht schaden kann. Denn mal so richtig schön Krach machen, sollte eigentlich jedem Bengel gefallen (...aber bitte mit Gehörschutzkopfhörer). Oder ein paar Klavierstunden - aber da wird der kleine Rockmusiker streiken.