Das Geheimnis der schwarzen Tasten

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radobo
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Hallo,
ich habe eine kleine Ausarbeitung über die Herkunft unseres Tonsystems gemacht, die ich hiermit gerne veröffentlichen möchte. Vielleicht ist dem ein oder anderen die Lektüre ja von Nutzen. Ich muss dazu sagen, dass ich nur ein interessierter Laie bin. Die meisten Beiträge hier im Forum zeugen von einem ungleich tieferen Fachwissen. Ausgehend von meiner irgendwann angelesenen Halbbildung habe ich bei meinen Recherchen in Wikipedia schnell erkannt, dass jedes Detail in einem komplexen Kontext steht, vieles zu kompliziert, als dass ich es völlig verstehen würde. Nun, nicht umsonst ist es ein Studienfach! Insofern würde ich mich freuen, von dieser Seite Hinweise und Anregungen zu bekommen, wenn ich etwas falsch oder unvollständig beschrieben habe. Ich war bemüht, nicht abzuschweifen und zum leichteren Verständnis nur das in diesem Zusammenhang erforderliche und einfach begreifbare zu beschreiben.

Entstanden ist diese Ausarbeitung aufgrund eines Gesprächs im Freundeskreis, wo ich nach der anregenden Lektüre eines Buches (Die Stimmung der Welt. Der Bach-Roman, von Jens Johler) zu erklären versuchte, wie unsere heute übliche gleichstufige Stimmung entstand, mündend in der Frage, warum die Oktave 12 Halbtöne hat und die schwarzen Tasten auf der Klaviatur so merkwürdig angeordnet sind.

Viel Spaß bei der Lektüre und ich freue mich über wohlmeinde Kritik! Reinhard

Mod-Anmerkung: Die Version wurde am 20.08.2014 aktualisiert - nach 310 Downloads der älteren Versionen.
 
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Ich danke Dir sehr für die interessante und einleuchtende Lektüre. Großartig! :hat:
 
Danke, freut mich sehr, als erstes Feedback so ein nettes Kompliment zu hören!
 
Eine gut geschriebene Zusammenfassung. :great:

Aber es gibt doch an vielen Stellen Ansätze zum weiteren Hinterfragen.

Ein Beispiel:

Wobei diese Stimmung keine absolute Tonhöhe hatte, es ging nur um die Relation der Töne untereinander - die Stimmgabel zur Erzeugung eines absoluten Referenztons wurde erst 1711 erfunden.
Man kann wohl davon ausgehen, daß es schon zu Pythagoras Zeiten Menschen mit dem absoluten Gehör gegeben hat. Also Menschen, die Tonhöhen so exakt erinnern, daß sie auch nach 2 Monaten noch sagen können: "Du, Pythagoras, Dein Monochord ist aber um ein Quäntchen tiefer gestimmt als jenes des Anaximenes in Milet."

Viele Grüße,
McCoy
 
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Schöne Zusammenfassung, sorgfältig recherchiert. In der Tat ist das ganze Thema einfach riesig.

Nur einige Anmerkungen: Es geht in dem Aufsatz ja um die Verhältnisse der Tonhöhen zueinander, da ist die absolute Höhe eines Tons nicht relevant. In der Tat variierte der Kammerton a = 440 Schwingungen je Sekunde ja auch um mehrere Halbtonschritte nach oben oder unten.

Die Bezeichnungen Dur und Moll hatten ursprünglich nichts mit der dritten Stufe einer Tonleiter zu tun, sondern bezeichneten den Charakter des Strebetons, d.h. einen starken Strebeton, z.B. von h nach c im Ausschnitt einer G-Dur-Tonleiter, oder einen schwachen Strebeton, z.B. von b nach c, im Ausschnitt einer F-Dur-Tonleiter. Mehr dazu hier http://de.wikipedia.org/wiki/Dur

Eine temperierte Stimmung gab es sicherlich schon vor Andreas Werckmeister auf der Laute. Damals waren die Bundstäbchen einfach um den Hals gebundene Darmsaiten, die beliebig verschoben werden konnten. Lediglich einige Positionen waren durch Bohrlöcher im Hals festgelegt. Dort konnte man dann noch eine weitere Saite als Capodaster um den Hals wickeln. Heute sind dort auf unseren Gitarren die weißen Punkte, an denen wir die Lage ablesen. Hier http://de.wikipedia.org/wiki/Lautenstimmung steht mehr darüber.

Lohnt es sich, das Buch von Jens Johler mal zu lesen? Die Bewertungen auf Amazon überschlagen sich ja förmlich vor Begeisterung.
 
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Man kann wohl davon ausgehen, daß es schon zu Pythagoras Zeiten Menschen mit dem absoluten Gehör gegeben hat. Also Menschen, die Tonhöhen so exakt erinnern, daß sie auch nach 2 Monaten noch sagen können: "Du, Pythagoras, Dein Monochord ist aber um ein Quäntchen tiefer gestimmt als jenes des Anaximenes in Milet."

Danke für die Anmerkung, McCoy. Wie auch ArthurMilton schreibt, es geht um relative Tonhöhen. Es wäre mir auch nicht bekannt, dass sich irgendjemand in der Antike mit dem Problem absoluter Tonhöhen ernsthaft beschäftigt hätte. Ich denke, dafür fehlten schlicht die Messmethoden. Die Absoluthörer konnten halt feststellen, dass die eine Lyra höher oder tiefer klang als die andere. Na und, auch heute können sie wohl feststellen, dass das eine Orchester höher als das andere spielt. Zu Bachs Zeiten verwendete man bewusst unterschiedliche Stimmhöhen für unterschiedliche Zwecke, Chorton und Kammerton (wo unsere Bezeichnung für den Kammerton A herkommt).

Jedoch weist mich deine Anmerkung darauf hin, dass die Erwähnung der Stimmgabel hier deplatziert ist. Damit suggeriere ich, dass ab 1711 ein Zusammenhang zwischen absoluter und relativer Tonhöhe definiert wurde, was ja nun nicht stimmt. Auch hier wieder: wenn man tiefer in das Thema Stimmgabel einsteigt, zeigt sich eine ungeahnte Komplexität. Ich werde den Hinweis auf die Stimmgabel streichen, die erste Satzhälfte möchte ich aber behalten ("Wobei diese Stimmung keine absolute Tonhöhe hatte, es ging nur um die Relation der Töne untereinander").

Die Bezeichnungen Dur und Moll hatten ursprünglich nichts mit der dritten Stufe einer Tonleiter zu tun, sondern bezeichneten den Charakter des Strebetons, d.h. einen starken Strebeton, z.B. von h nach c im Ausschnitt einer G-Dur-Tonleiter, oder einen schwachen Strebeton, z.B. von b nach c, im Ausschnitt einer F-Dur-Tonleiter. Mehr dazu hier http://de.wikipedia.org/wiki/Dur

Danke, mit diesem Artikel in Wikipedia hatte ich mich noch nicht beschäftigt. Dort finde ich aber keinen Hinweis, dass der Strebeton zur Bezeichnung führte. Hilf mir bitte ggf. auf die Sprünge. Ich bin auf dem Stand, dass 3. und 7. Stufe Charakteristika für Dur sind, Moll sich grundsätzlich durch die 3. Stufe unterscheidet, der Rest variabel ist; das melodische Moll z.B. unterscheidet sich nur in der 3. Stufe von Dur und hat daher den gleichen Strebeton wie Dur. Interessant ist dort allerdings die Erklärung, wie es zu den Vorzeichen b und # kam. Das möchte ich aber nicht in den Aufsatz aufnehmen, weil es zu weit vom Thema wegführt.

Eine temperierte Stimmung gab es sicherlich schon vor Andreas Werckmeister auf der Laute.

Ja, ganz klar! Darf ich das als ergänzenden Hinweis interpretieren und nicht als Korrekturanmerkung? Ich wollte nur abschließend erwähnen, dass zur weiteren musikalischen Entwicklung neue Stimmungen erforderlich waren, d.h. die titelgebenden schwarzen Tasten ohne neue Stimmung musikalisch sinnlos gewesen wären. Daher habe ich nur die beiden historisch herausragenden erwähnt.

Lohnt es sich, das Buch von Jens Johler mal zu lesen? Die Bewertungen auf Amazon überschlagen sich ja förmlich vor Begeisterung.

Das ist Geschmackssache. Mir hat es eigentlich nicht wirklich gefallen. Bach wird dort irgendwie holywoodmäßig aufbereitet, Liebesbeziehungen erfunden, zum Schluss ein Happy End, wo er endlich mit seiner Anna Magdalena glücklich vereint ist. und die Liebe und so. Das Streben nach einer Temperatur, mit der man alle Tonleitern spielen kann, ist der rote Faden, das "Wohltemperierte Klavier" wird als sein Hauptwerk herausgestellt, mit dem er der Nachwelt erhalten bleibt. Leichte Literatur für jemanden, der sich mit Bach nicht weiter beschäftigt hat. Aber für mich Anregung genug, mal wieder das früher gelernte auszugraben; ich hatte mich ewig nicht mit Musiktheorie beschäftigt, nur Fragmente davon im Kopf (ich werde dieses Jahr 62 Jahre alt, muss ich erwähnen). Fand ich ganz interessant, die Entwicklung nochmal aufzurollen. Es ergab sich wie gesagt daraus, dass ich Freunden, die mit Musiktheorie garnichts am Hut haben, versuchte zu erläutern, worum es in dem Buch geht.
 
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Hallo Radobo

Habe mir gerade mal Deine Abhandlung durchgelesen.
Als ich den Titel "Das Geheimnis der schwarzen Tasten" las, hatte ich gehofft, etwas mehr über die Entwicklung von Tastaturen zu erfahren. So hatte ich genauere Beschreibungen von Tasteninstrumenten in verschiedenen Entwicklungsstadien erwartet, Hinweise auf Bildquellen usw. Unter anderem interessiert mich auch, warum diese Farbgebung eine so große Verbreitung fand. Es gibt ja auch Tastaturen, die genau umgekehrt gefärbt sind. Aber dann drehte sich die Abhandlung eigentlich mehr um die Begründung der gleichstufigen Stimmung, die eigentlich nur deshalb notwendig wurde, weil es Instrumente gibt, deren Töne allesamt beim Stimmen fixiert werden. Klavier und Orgel spielten dabei möglicherweise nicht nur eine sehr große sondern sogar führende Rolle, weil Instrumente, auf die das heute ebenfalls zutrifft, damals in diesem Zusammenhang vermutlich keine Rolle spielten (z.B. Stabspiele / Malletinstrumente, Glasharfe usw.)

Deshalb ist es so wichtig zu beschreiben, dass es Versuche gab, die von Streichern und verschiedenen Bläsern problemlos zu berücksichtigenden Unterschiede zwischen klanggleichen, jedoch bezugskonträren chromatischen Stufen auf dem Klavier mit Hilfe von geteilten Tasten zu realisieren.

>> http://de.wikipedia.org/wiki/Archicembalo
>> http://de.wikipedia.org/wiki/Klaviatur



Auf Seite 4 stolperte ich über eine unglückliche Formulierung. Dort schreibst Du:

Der sechste Quintton ist hier deutsch mit H benannt. Mit B wird der darunter liegende Halbton, die schwarze Taste zwischen A und H, bezeichnet, allerdings nur in den b-Tonarten; im Englischen ist es wie gesagt umgekehrt.

Diese Formulierung kann bei jemandem, der das englische Tonbezeichnungssystem nicht kennt, zu einem Mißverständnis führen. Man könnte aufgrund dieser Formulierung den Schluß ziehen, die Tonbezeichnungen B und H werden im englischen System gegeneinander ausgetauscht. Das ist aber falsch. Vielmehr gibt es dort die Tonbezeichnung H überhaupt nicht. Abgedunkelte bzw. abgesenkte Tonstufen werden auf ihren Ausgangspunkt bezogen mit der Ergänzung "flat" benannt, erhöhte Tonstufen mit der Ergänzung "sharp".

Die Tabelle erschließt sich nicht sofort auf dem ersten Blick. das finde ich schade. Es fehlt ein Zeilenkopf, der die Bedeutung der Einträge klar macht: Quintzahl (?), Schwingungszahl / Hz (?) , Tonname ist klar, wobei ich mir wünschen würde, das die Schreibweise so gewählt ist, dass man - falls mit der zweiten Zeile eine Schwingungszahl gemeint ist, erkennen kann, welche Oktavlage gemeint ist. Während ich dies schreiben, vermute ich mich aber irgendwie zumindest teilweise auf dem berühmten "Holzweg", da die Zahl 84 der zehnte Teil von 840 wäre, was wiederum nicht (!) das Doppelte von (a' =) 440 Hz wäre.
Ihr seht mich also über diese Tabelle grübeln. Ich weiß im Moment nicht, was ich damit anfangen soll.


Die Schlussbetrachtung löst bei mir leisen Widerspruch aus.

Es ist zwar richtig, dass sich die gleichstufige Stimmung bei fest gestimmten Instrumenten als wichtigstes Stimmsystem = bester Kompromiss durchgesetzt hat. Fakt ist aber auch, dass es Instrumente gibt, auf denen sich Musiker frei von fixierten Kompromiss-Stimmungen entfalten und in reinen (und daher viel schöner klingenden) Stimmungen spielen können und es auch tun, wenn die Umstände passen. Dazu gehören alle bundfreien Saiteninstrumente und alle Blasinstrumente, auf denen Tonhöhen flexibel intoniert werden können. Dass die in der gleichstufigen Stimmung verstimmte Quinte vom Ohr akzeptiert wird, ist ganz klar eine Macht der Gewohnheit. Aber generell zu konstatieren, sie würde als natürlich empfunden? Es gibt immer noch genügend Musiker, die wie ich beim Stimmen eines Saiteninstruments (ohne Hilfsmittel nur nach Gehör) dazu tendieren, reine Quinten zu stimmen. Das ist und bleibt die natürliche Quinte, weil sie harmonischer und stimmiger klingt.


Gruß
Lisa
 
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Hallo Lisa, erstmal danke fürs Lesen und die Korrekturhinweise! Tut mir leid, dass mein Titel falsche Erwartungen wecken kann, er schien mir passend, weil er das Thema irgendwie auf den Punkt bringt und ich damit einen erzählerischen Bogen aufbauen konnte. Ich nehme an, das mit der Farbwahl für die Tasten ist nur ein modisches Thema und nicht sehr ergiebig für eine wissenschaftliche Betrachtung. Vielleicht könnte man irgendwelche ergonomischen Gründe bemühen wie bei PC-Tastaturen (schwarze Zeichen auf weißem Grund sind besser fürs Auge als das leider und unverständlicherweise am weitesten verbreitete Weiß auf Schwarz), aber ich habe keine Informationen darüber.

...Begründung der gleichstufigen Stimmung, die eigentlich nur deshalb notwendig wurde, weil es Instrumente gibt, deren Töne allesamt beim Stimmen fixiert werden.

Ist das wirklich so? Ich habe einen interessanten Artikel in einem alten Thread gefunden, wo der Autor nachweist, dass moderne Akkordfolgen eine gleichstufige oder wenigsten temperierte Stimmung zwingend erfordern. Leider habe ich die Beweisführung nicht verstanden, der Autor ist leider nicht mehr greifbar (der Kontakt-Link läuft ins Leere); ich habe dies als Frage in dem Thread formuliert. Ich kenne mich leider nur mit Tasteninstrumenten aus, du als Geigerin kannst es vielleicht eher verstehen?


Klavier und Orgel spielten dabei möglicherweise nicht nur eine sehr große sondern sogar führende Rolle...Deshalb ist es so wichtig zu beschreiben, dass es Versuche gab, die...Unterschiede zwischen klanggleichen, jedoch bezugskonträren chromatischen Stufen auf dem Klavier mit Hilfe von geteilten Tasten zu realisieren.

Das war mir bekannt, da gab es einige amüsante Versuche. Ich wollte im Aufsatz nicht näher darauf eingehen, um den beim Thema zu bleiben und den Text kurz zu halten. Deshalb beschränkte ich mich auf den Hinweis "Und so kamen dann nach einigen Entwicklungsschritten auch die noch fehlenden Zwischentöne.

Man könnte aufgrund dieser Formulierung den Schluß ziehen, die Tonbezeichnungen B und H werden im englischen System gegeneinander ausgetauscht. Das ist aber falsch.

Korrekt, das muss ich ändern.

Die Tabelle erschließt sich nicht sofort auf dem ersten Blick.

Ich schau mal, ob ich das irgendwie besser hinkriege. War ein Platzproblem. Erklärung: Die erste Tabelle (Seite 2) ist eine 1:1-Abbildung des darüberstehenden Beispiels. Diese Tabelle kommt identisch auf Seite 3 vor (mit Erläuterung der Halbtonschritte) und auf Seite 4 sind nur die Tonnamen hinzugekommen. Ist zwar ganz einfach, aber wenn Leser drüber stolpern und es nicht auf Anhieb verstehen, ist es das Problem des Autors und ich muss es anders darstellen.

Die Schlussbetrachtung löst bei mir leisen Widerspruch aus....Aber generell zu konstatieren, sie(die gleichstufige Quinte) würde als natürlich empfunden?

Gut, vielleicht ist "natürlich" hier eine schlechte Wortwahl, ich denke mal über eine andere Formulierung nach. Vielleicht erwähne ich auch, dass es in der Musikpraxis auch Ausnahmen gibt, die alten Stimmungen nicht vollends verschwunden sind (ich nehme an, bei gregorianischen Gesang wird man rein intonieren, oder?). Aber du erwähnst noch, dass du an der Geige reine Quinten stimmst. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht unproblematisch ist, siehe erwähnten Thread und Literaturverweis. Würde mich freuen, hierzu wieder von dir zu hören.

Schöne Grüße, Reinhard
 
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...
Ist das wirklich so? Ich habe einen interessanten Artikel in einem alten Thread gefunden, wo der Autor nachweist, dass moderne Akkordfolgen eine gleichstufige oder wenigsten temperierte Stimmung zwingend erfordern. Leider habe ich die Beweisführung nicht verstanden, der Autor ist leider nicht mehr greifbar (der Kontakt-Link läuft ins Leere); ich habe dies als Frage in dem Thread formuliert. Ich kenne mich leider nur mit Tasteninstrumenten aus, du als Geigerin kannst es vielleicht eher verstehen?

Moderne Akkordfolgen ? - Von welcher Zeit reden wir jetzt?

Wie kommst Du darauf, dass ich Geigerin bin?

Ich denke, dass Instrumente, bei denen jeder Ton starr fixiert ist, (zu der Zeit, als zunächst die temperierte Stimmung er-/gefunden wurde, waren es vermutlich in erster Linie die genannten Tasteninstrumente), dass diese deshalb vorrangig zur Entwicklung der sogenannten temperierten und später gleichstufigen Stimmung motivierten, weil es auf solchen Instrumenten besonders übel klang, wenn man eine Tonart mit mehreren Vorzeichen spielen wollte. Andere Instrumente, deren Stimmung nicht in dem Maß fixiert ist, können ja leicht umgestimmt bzw. beim Spielen den Erfordernissen entsprechend intoniert werden. Dieser Gedanke veranlasste mich zu der von Dir in Frage gestellten Aussage.
Allen Argumenten in dem von Dir verlinkten Artikel zum Trotz hat sich bis in die heutige Zeit der Wunsch erhalten, Instrumente mit reiner Stimmung spielen zu können. Bei Orgeln ist das durchaus möglich. Moderne Instrumente können heutzutage mit Hilfe elektronischer Regeltechnik in unterschiedliche Stimmungen versetzt werden: z.B. eine Orgel in Bad Liebenwerda: http://www.zeit.de/2013/52/orgel-stimmung-computer. Deutlich preisgünstiger läßt sich der Wunsch, eine Orgel in historischen Stimmungen erklingen zu lassen, mit modernen, hochwertigen elektrischen Sakralorgeln erfüllen. Sie bieten verschiedene Stimmungen an, (hier >klick< 8 wählbare Stimmungen) damit man alte Orgelstücke authentisch spielen kann. Als ich vor etwa 40 Jahren Verwandte in West-Berlin besuchte, fuhr mein Onkel (Organist) mit mir zu einer Kirche, in der eine rein (auf C-Dur) gestimmte Orgel stand. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, welche Kirche das war. Da habe ich live erlebt, was transponieren auf einem rein gestimmten Instrument bedeutet.

Musiker mit bundlosen, leicht stimmbaren Saiteninstrumente sind da besser drann, weil die im Umgang mit ihren Instrumenten flexibler sind. Für Blockflöten gilt ähnliches. Wenn ich für mich allein musiziere, spiele ich sehr gerne mit der Intonation. Wenn sich für mich in einer melodischen Wendung ein Ton zu hoch oder zu tief anhört, passe ich die Tonhöhe durch Veränderung des Blasdrucks oder Abwandlung des Griffs an. In welcher Stimmung ich da musiziere interessierte mich dabei bislang nicht so sehr. :rolleyes: Ich passe nur die für mich falsch klingenden Intervalle nach Gefühl an, damit die Intervalle schöner / voller / runder klingen.

Wenn ich meine diatonische Tischharfe nach Gehör stimme, muss ich trotz aller Übungen immer noch aufpassen, dass das Ende der 2-oktavigen Tonleiter hoch genug auskommt. Man darf eben nicht nur nach Quinten stimmen, sondern muß auch die Oktaven, Quarten und Terzen prüfen und lernen, auf die unterschiedlichen Schwebungen zu hören. Diese Fähigkeit hat sich bei mir schon in der Jugend entwickelt, als ich noch keine Ahnung von Stimmsystemen hatte. Da hab ich das einfach instinktiv aus dem Bauch heraus gemacht.

Beim Stimmen meiner chromatischen Akkordzithern suche ich stets nach einem Kompromiss, der mich der schönen klaren reinen Stimmung am nächsten bringt. Zunächst kontrolliere ich alle Töne mit dem Stimmgerät. Dann kontrolliere ich die Begleit-Akkorde mit den Ohren und stimme nach, bis sie sauber klingen. Dann klingen sie nämlich am schönsten. Gleichzeitig muß ich natürlich alle Saiten, die dieselbe Tonhöhe haben, abgleichen. Ist schwierig zu beschreiben und eine Sache der Übung, bis man das so im Griff hat, das das Instrument auch schön klingt. Welche Stimmung dabei genau herauskommt, konnte ich bislang nicht prüfen, weil ich noch so ein altes Stimmgerät habe, auf dem keine Hz-Zahlen angezeigt werden. War mir aber egal. Hauptsache es klingt schön. :D

Die in dem Artikel beschriebene Beobachtung, das Chöre beim acapella-Gesang nach und nach immer mehr absacken, konnte ich zwar auch machen. Jedoch führe ich das nicht auf das Singen reiner Intervalle zurück. Ich erlebte das eher als Folge zu schwacher Intensität bzw. zu schlapp gesungener goßer Intervallsprünge. Wenn es nach oben ging, waren sie zu klein und wenn es nach unten ging zu groß. Ich habe auch erlebt, dass ein Chor gestiegen ist. Wenn es mir gelang, den Chor in der richtigen "Singspannung" zu halten, blieb er auf dem Ton. Das haben wir systematisch trainiert.

... Vielleicht erwähne ich auch, dass es in der Musikpraxis auch Ausnahmen gibt, die alten Stimmungen nicht vollends verschwunden sind ...

Siehe oben.


Aber du erwähnst noch, dass du an der Geige reine Quinten stimmst. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht unproblematisch ist, siehe erwähnten Thread und Literaturverweis. Würde mich freuen, hierzu wieder von dir zu hören.

Wo hast Du das gelesen? Es gibt auch noch andere bundfreie Saiteninstrumente.
Außerdem steht meine Aussage in einem anderen Zusammenhang. Als ich schrieb, dass ich dazu neige, in reinen Quinten zu stimmen, war das als Hinweis zu verstehen, dass die reine Quinte trotz aller Hörgewohnheiten sich beim Stimmen irgendwie automatisch einzustellen scheint. Das ist für mich ein Argument dafür, die reine Quinte nach wie vor als das natürliche Intervall anzusehen. Bevor ich wußte, wohin das führt, wenn man eine chromatische Tonfolge nach Gehör über Dreiklänge (> "gefüllte" Quinten) "zusammensucht" und vor allem, warum das so ist, habe ich mich immer gewundert, warum die Oktaven nicht gescheit klingen. Ich dachte dann, ich hätte mir die Dreiklänge falsch gesungen. Und probierte dann so lange, bis die Akkordzither einigermaßen "ordentlich" klang. Ein Stimmgerät hatte ich nicht. Nur eine Stimmgabel. Als ich später unter Anleitung das Tischharfenspiel erlernte, drückte der Kursleiter sein Erstaunen darüber aus, wie schnell und sauber ich zunächst mit Hilfe von Terzen und reinen Dreiklänge Orientierungspunkte um das a' herum stimmte, dann von den gefundenen Stufen weitere Dreiklänge, Quarten und Oktaven anspielte und dabei dann auch gleich begann, zu enge Abstände auszudehnen. Er hat mir dann erklärt, was da passierte und mich gefragt, wo ich das gelernt hätte.

Mir zeigt das, dass es irgendwie ein natürliches Empfinden für Intervalle und Akkorde geben muss; jedoch hat das noch lange nicht jeder. Meine Studienfreundin war erst nach langem Üben in der Lage, einen einzelnen Ton halbwegs zu treffen. Ein Instrument nach Gehör stimmen war für sie absolut unmöglich.


Nun bin ich teilweise etwas vom Thema abgekommen. Aber ich hoffe, dass dadurch meine Stellungnahme etwas klarer wurde.

Gruß
Lisa
 
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Moderne Akkordfolgen ? - Von welcher Zeit reden wir jetzt?

Möglicherweise von "tonaler Popularmusik des 20.Jahrhundert"? :D
Ich dachte beim Lesen der Stelle jedenfalls sofort an Standards wie z.B. "All The Tings You Are". In solchen Standards finden sich häufig Akkordverbindungen aus verschiedenen Tonarten, im Beispiel aus Ab, C, Eb, G, E, [Fm].
https://www.youtube.com/watch?v=UTORd2Y_X6U

In der MIDI-Technologie gibt es mit dem HERMODE-Tuning einen aktuellen Versuch, von der Festlegung auf gleichstufige Stimmung wegzukommen.
http://www.hermode.com/index_de.html
Ein aufschlussreiches Interview dazu schildert einige Reaktionen von Keyboard-Herstellern:
http://www.cremerseele.de/interview-werner-mohrlok-der-erfinder-des-hermode-tuning/

Gruß Claus
 
Moin Claus
Joooo! :D Und unsere Pop-Musik war für Bach's Zeitgenossen der Grund, sich die temperierte Stimmung oder ähnliches auszudenken? :gruebel: Irgendwie geht es jetzt etwas durcheinander. :rolleyes: Anscheinend war ich mit meiner Argumentation gedanklich ganz woanders. :D Ist ja wurscht.
Dass für unsere zeitgenössische Musik gleichstufige Stimmung auch mal zwingend notwendig sein könnte, liegt natürlich auf der Hand. Wenn Kompositionen mit und für gleichstufig gestimmte Instrumente entstanden/entstehen, dann "müssen" sie auch in dieser Stimmung aufgeführt werden. Ansonsten würde man ja die "Klangsprache" des Komponisten völlig verändern. Aus demselben Grund setzen sich Musikgruppen, die Musik aus vergangenen Epochen aufführen, mit den Instrumenten und Stimmsystemen dieser Zeit auseinander. Ziel: eine authentische Aufführungspraxis erarbeiten.

Die ganze Geschichte ist und bleibt spannend!

Vielen Dank für die Links. Interessant, das Interview zum HERMODE-Tuning. :great:

Gruß
Lisa
 
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Und unsere Pop-Musik war für Bach's Zeitgenossen der Grund, sich die temperierte Stimmung oder ähnliches auszudenken?

:D

Mal sehen, was radobo vielleicht noch dazu ausführt, was er mit "moderne Akkordfolgen" meint, sein PDF schlägt auf Seite 5 kurz den Bogen zur "gleichstufigen Stimmung" in der Gegenwart.

Auch wenn es "Geheimnis der schwarzen Tasten" heißt, möchte ich den von Lisa eingebrachten Streicher-Aspekt noch um den aus meiner Trompeterperspektive erweitern.
Für Blechbläser ist die Intonation als Grundlage des Spielens in einer Stimmung selbst bei erlauchtesten Profis nicht einfach "gleichschwebend" oder "rein".
https://www.youtube.com/watch?v=6MvujbKNMY0

Die reale Höhe eines Tons ergibt sich dann aus Gegebenheiten des Spielers wie Talent und Ausbildung, Tagesform oder momentan eingeschränkter Gesundheit, Ermüdung von Ohr oder Ansatz und musikalischem Bezug und vielleicht noch weiteren Einflussgrößen wie z.B. einer sich (zu schnell) ändernden oder extremen Umgebungstemperatur.
Blechblasinstrumente bringen zudem selbst bei tadelloser Bauweise einige Abweichungen zur gleichstufigen Stimmung mit, die der Spieler korrigieren muss, falls ein Notenwert das hergibt.

Gruß Claus
 
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Wie kommst Du darauf, dass ich Geigerin bin?

Sorry, da hatte ich wohl eine Fehlschaltung im Hirn, keine Ahnung, vielleicht weil ich vorher was über Streicher las?

Moderne Akkordfolgen ? - Von welcher Zeit reden wir jetzt?

Vielleicht habe ich mit "modern" falsch ausgedrückt - ich meinte die Akkordfolgen, die in dem Beispiel abgedruckt sind. Modern meinte ich deshalb, weil es auch in der Akkordlehre eine Entwicklung gab. Sowas wie der Tristan-Akkord würde Bach wahrscheinlich die Haare sträuben. Zu seiner Zeit oder gar davor bestand keine Notwendigkeit, eine Stimmung zu finden, mit der sowas ordentlich spielbar ist, weil es solche Akkorde eben nicht gab, und es gab sie u.a. deshalb nicht, weil sie sich in den alten Stimmungen grauslich anhören (irgendwie ist das wie das Henne-Ei-Problem).

Aber durch dich und zonquer (auch dir vielen Dank!) bin ich wieder ein Stück schlauer geworden. Ich nahm tatsächlich an, dass sich bis auf die historischen Aufführungen alle an die gleichstufige Stimmung halten würden. Aber es ist ja offenbar ein ständiger Kampf um den besten Kompromiss. Da ich leider keine nennenswerten Erfahrungen mit Nicht-Tasteninstrumenten habe, war mir dies unbekannt. Mal sehen, ich bau das irgendwie in meinen Text ein.

Ich bin von deiner Schilderung des Stimmens sehr beeindruckt. Ich selber habe Schwierigkeiten, überhaupt einen Unterschied zu hören zwischen einem reinen und einem gleichstufigen Akkord. Aber das kommt wohl daher, dass ich nie in der Verlegenheit war, selber zu stimmen. So wie mir das Thema mit den Stimmungen bis zur Lektüre des Buches auch nicht sonderlich präsent war.

Aber nochmal zurück zum Thema: der Grund für die Suche nach anderen Stimmungen war, wie ich schrieb, das polyphone Spiel, verbunden mit dem Wunsch, Tonleitern von jedem Grundton aus spielen zu können. Die neuen Stimmungen ermöglichten Modulationen, die vorher unmöglich waren bzw. klangen. Ich gebe dir recht, dass der Hauptantrieb für die neuen Stimmungen ziemlich sicher die Tasteninstrumente waren. Aber die Nachteile der reinen Stimmung müsstest du eigentlich auch auf deinen Instrumenten hören, wenn du auf C stimmst und dann etwas in Fis-Dur spielst. Du kannst zwar flexibel stimmen, aber nicht während eines Stückes umstimmen (siehe HERMODE-Tuning, genial dass es so was gibt!). Hier ist ein Hörbeispiel zu finden, vermutlich wieder auf einem Tasteninstrument gespielt, aber wenn du es nachspielst, müsste doch das Fis-Dur bei dir genau so schräg klingen, oder nicht?

Wo ich jetzt so darüber grüble, kommen mir beiläufig ganz andere Ideen in den Kopf. Ausgangspunkt meines Aufsatzes ist ja die Tonvorratsbildung durch die Aufeinanderfolge von Quinten. Als Ergebnis bekomme ich eine Tonvorrat in phytagoreischer Stimmung. Aber wurde in dieser Stimmung jemals musiziert, oder war es nur ein theoretische Konstrukt? Die Lyra wird man doch wohl eher rein gestimmt haben, so wie auch Lisa ihre Instrumenten rein stimmt und nicht nach der phytagoreischen Methode. Das wäre ein Aspekt, den ich in meinen Aufsatz aufnehmen, zumindest erwähnen müsste. Puhh:gruebel:
 
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Hi Claus! Hi Radobo!

Dass ich meine Instrumente "rein" stimme, habe ich nie behauptet. Ich versuche nur, meinen idealen Klangvorstellungen möglichst nahe zu kommen:

Beim Stimmen meiner chromatischen Akkordzithern suche ich stets nach einem Kompromiss, der mich der schönen klaren reinen Stimmung am nächsten bringt.

Welche Kompromiss-Stimmung ich dabei letztlich produziere, weiß ich nicht / kann ich nicht herausfinden, weil ich mit einem alten Stimmgerät arbeite, das mir zwar mit einem Zeiger Cent-Abweichungen anzeigt, aber keine genauen Schwingungszahlen. Die sind mir auch ehrlich gesagt schnuppe. Schließlich soll das Instrument so klingen, dass es meinen Ohren gefällt und nicht, dass es einer bestimmten Schwingungstabelle perfekt entspricht.

Fis-Dur kann man auf meinen Akkordzithern zwar theoretisch spielen, macht aber in der Praxis nicht sooooo viel Sinn, weil es dafür auf den üblichen Akkordzither-Bauformen keine Begleitakkorde gibt. Die chromatische Melodiebesaitung umfasst gerade mal 2 bis 2 1/2 Oktaven. Wenn ich dann also nach Fis-Dur transponieren will, zupf ich die Melodie so an, dass ich die wichtigsten Harmonien höre und korrigiere dann schnell eine schief klingende Saite. Dann passt's wieder. Die Stimmung von Saiteninstrumenten ist nie 100% stabil. Man muss sie sowieso ständig kontrollieren. Da kommt's im Zweifel auf 'ne Anpassung für Fis-Dur auch nicht mehr drauf an.


Umstimmen? Doch, das geht mit entsprechender Erfahrung relativ einfach. Aber in dem Repertoire, das ich auf Akkordzither spiele, kommt das nicht vor. Naja, und im Zweifel stimm ich das eine Instrument so und das andere so. Hab ja mehrere im Schrank liegen. :p

Aber mal Spaß beiseite. Ich halte nicht viel von theoretischen Konstrukten. In der Praxis bringt einen das nicht weiter. Letztlich geht es doch in erster Linie darum, dass die Musik, die man spielen möchte, auch schön klingt und sich einem nicht bei jedem zweiten Ton die Zehennägel hochrollen. :rolleyes: Es ist gut und wichtig, dass man versteht, woher die Probleme der Stimmsysteme herrühren, wenn man nach dem idealen Klang sucht. Aber ansonsten .... :nix:


Viele Grüße
Lisa

EDIT
Die Musikbeispiele auf der von Dir verlinkten BR-Seite zeigen sehr deutlich was meine, wenn ich davon schreibe, dass man beim Stimmen auf die Schwebungen hören muss. Da Du vermutlich nicht sehr weit von mir weg wohnst, lade ich Dich ein, mit mir einen Termin zu vereinbaren. Dann setzen wir uns mal zusammen an eine Zither und stimmen die. Man muss die Veränderungen von Schwebungen life erlebt, also gefühlt und gehört haben. Sonst kann man sich wohl kaum vorstellen, wie man die erkennen und verändern kann.

Gruß
Lisa
 
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Hallo, ich habe die bislang erhaltenen Anregungen übernommen. Im Einzelnen:

  • Untertitel am Anfang (damit direkt klarer wird, worum es in dem Artikel geht, Lisa war darüber gestolpert)
  • Erwähnung Stimmgabel entfernt, Unabhängigkeit von absoluter Tonhöhe erläutert (Hinweis von ArthurMilton)
  • Legende für Tabellenzeilen (Lisa)
  • Klarstellung zu den Tonnamen H und B (Lisa)
  • Ergänzung der reinen Stimmung und der heutigen Mischstimmung (Lisa, zonquer): Das war der größte Batzen - die reine Stimmung war mir völlig entgangen, bei Wikipedia wird sie bei "Stimmung (Musik)" seltsamerweise auch nicht erwähnt, jedoch in einem eigenen Artikel. Übrigens finde ich dort eine plausible Erklärung für meine angesprochene Frage, ob das Sinken beim Chorgesang mit der angestrebten reinen Stimmung zusammenhängt. Sehr aufschlussreich!

Danke für eure Unterstützung bis hierher. Für weitere Anregungen bin ich dankbar - es sind bestimmt noch Fehler oder missverständliche Stellen drin.

Mod-Anmerkung: Die Version wurde am 17.04.2014 aktualisiert (siehe Beitrag #1).
 
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Wobei die von mir demonstrierte "Mischstimmung" nicht unbedingt freiwillig so gespielt sein muss.
Mein Beispiel mit dem eigenwillig intonierten Dreiklang ist vom berühmtesten ersten Trompeter überhaupt; Bud Herseth war insgesamt 53 Jahre lang Principal beim CSO und ein grundlegender Teil jener Epoche, in der das Blech dieses Orchesters weltweit für Aufsehen sorgte .
Aber der damalige Dirigent (Sir Georg Solti) und die Plattenfirma haben das C# (für Trompete in B) offenbar so "gekauft". :D

Gruß Claus
 
Wobei die von mir demonstrierte "Mischstimmung" nicht unbedingt freiwillig so gespielt sein muss.
Nicht zu verwechseln mit der Miss-Stimmung:) Da Wort habe ich aus dem interessanten Interview mit Hrn. Mohrlock. Er schreibt eingangs"... dass jedes gute Kammermusikensemble und jedes gute Orchester keineswegs in gleichstufiger Stimmung spielt. Nicht einmal, wenn es ein Klavier begleitet. Die Musiker sind geschult, ihre Töne je nach deren harmonischer Funktion etwas höher oder tiefer zu intonieren. Sonst klingt es nämlich rau und schief. Das gilt auch für gute Pop-Sänger (Beispiel: "Die Prinzen"). Oder klassische Gesangsgruppen (Beispiel: "Die King Singers"). Insofern ist Ihnen und Ihren Lesern diese Art zu intonieren durchaus vertraut. Sie wissen oder wussten das bisher eben nicht." An späterer Stelle (Stellungnahme von VSL): "...finden wir heute oftmals eine "Misch-Stimmung" (aus gleichstufiger und reiner Stimmung) vor. Eine ausschließlich reine Stimmung hingegen wird mitunter sogar als "unsauber" empfunden und es ist in der Praxis vielmehr so, dass sich Musiker einer bestimmten Situation einfach anpassen, sei es an einen Aufführungsort, eine bestimmte Besetzung oder natürlich innerhalb des musikalisch-harmonischen Geschehens".

Das war für mich sehr aufschlussreich. Ich stellte mir anfänglich bei der Beschäftigung mit dem Thema genau die Frage, in welcher Stimmung Orchester spielen, und kam zu dem Schluss, dass es nur gleichstufig sein könne. Mir sind aufgrund unserer Diskussion hier echt die Schuppen von den Augen gefallen! Ich singe auch im Chor und wunderte mich immer, wenn ein Chorleiter die Intonation korrigiert - wo ist das Problem, ein D ist ein D und fertig? Nun weiß ich es besser und werde immer ein paar syntotische Kommas im Handgepäck haben:rofl: Viele Grüße, Reinhard
 
Als Ergebnis bekomme ich einen Tonvorrat in pytagoreischer Stimmung. Aber wurde in dieser Stimmung jemals musiziert, oder war es nur ein theoretische Konstrukt?
Das reizt mich dann doch zu einer Antwort:

Erweitert man den Horizont sowohl zeitlich als auch örtlich, so liegt sogar der dem Schluß nahe, daß die pythagoreische Stimmung wohl diejenige ist, welche die größte Rolle in der Musik gespielt hat und in anderen Kulturkreisen immer noch eine wesentliche spielt.

Nicht nur die Altgriechen verwendeten sie. Von der Spätantike bis zum Mittelalter spielte sie im europäischen Kulturkreis eine bedeutende Rolle, in der Kunstmusik sicherlich die bedeutendste.

Die Terz klingt in ihr zwar noch unreiner als in der gleichstufigen Stimmung, doch das interessierte kaum, denn sie galt ohnehin als dissonant, nicht zuletzt aufgrund anderer Hörgewohnheiten.

Für die später bei uns aufkommende Mehrstimmigkeit war die pythgoreische Stimmung nicht mehr brauchbar, die Terz wurde nun als konsonant betrachtet und es wurden andere Stimmungssysteme entwickelt.

Außerhalb des europäischen Kulturkreises gab es in der Musik andere Entwicklungen, z.B. komplexe Rhythmen in Afrika oder reich verzierte Melodielinien in Arabien.

Doch wie sieht es mit der mehrstimmigen Musik in anderen Kulturkreisen aus? Sehr bescheiden! Oder kennt jemand z.B. vierstimmge Chormusik oder dreistimmige polyphone Musik aus der traditionellen Musik von Arabien, Afrika, Indien, China, Japan oder weiteren Kulturkreisen?

Dort herrscht die einstimmige Musik vor und die Stimmung in reinen Quinten hat nach wie vor eine große Bedeutung.

Als Beleg eine Zitat von Jörg Scheele (Dozent an der Freiburger Musikhochschule):
Die Pythagoräische Stimmung genießt bis heute - v.a. in den Kulturkreisen einstimmiger Musik - eine vorrangige Stellung, da ihre Ganztöne bei aufsteigender diatonischer Tonleiter alle nach oben streben.
Durch ihre äußerst kleinen Halbtonschritte verkörpert sie ein Melos besonderer ästhetischer Schönheit.
Aufgrund ihre gänzlich unsauberen Terzen ist sie jedoch für die Mehrstimmigkeit unbrauchbar.
Einfuehrung in Stimmungssysteme.pdf

Zunächst würde bei der Bildung einer Tonleiter ja die Naturtonreihe naheliegen. Eine so gebildete Tonleiter wurde wahrscheinlich schon im alten Griechenland verwendet und war in der Volksmusik unter Verwendung des Albhorn-Fa (11.Teilton) auch bei uns gebräuchlich.

Das heute übliche f ist in der Obertonreihe (von c) allerdings nicht vorhanden.
(Wir betrachten hier vereinfacht das c als Grundton.)

Das f entsteht aber leicht als Unterquinte von c. Durch dieses andere Prinzip der "Quintschichtung" dürfte die anhemitonische Pentatonik entstanden sein. Vier übereinandergeschichtete Quinten ergaben das wohl älteste dokumentierte Tonsystem überhaupt (Knochenflötenfunde).

Die nachhaltige kulturelle Leistung der Griechen in diesem Zusammenhang war, daß Sie die Tonleitern in Tetrachorden organisierten. Auf diese Weise haben wir dass f als Unterquinte. Der erste Tetrachord ging von c bis f. Der zweite startete beim g (Oberquinte von c) und ging bis zur Oktave. Die Töne dazwischen waren sehr variabel und definierten die drei griechischen Tongeschlechter diatonisch, chromatisch und enharmonisch. Im Ergebnis entwickelte sich jedenfalls eine Musik aus sieben Tönen: die Heptatonik.

Die Lyra wird man doch wohl eher rein gestimmt haben...

Mit Ausnahme der Quart und Quint eher nicht, denn das Tonsystem der Griechen war sehr vielfältig, siehe oben bzw. einen früheren Post: https://www.musiker-board.de/musikwissenschaft-muth/443418-heptatonik.html#post5458665

Auf der Lyra ("Lyrik" leitete sich davon ab) verwendete man sicherlich auch das enharmonische Tongeschlecht (enthält Vierteltöne), wahrscheinlich aber nur die besten Musikern. Plutarch beklagte 100 n.Chr. den Untergang dieses "schönsten aller Tongeschlechter" mit den Worten:

Der Stumpfsinn und die Geistesträgheit haben derart zugenommen, daß die Meinung aufkam, solche feinen Tonabstufungen entzögen sich der Wahrnehmung durch unser Gehör.

Dies wirft ein Licht darauf, daß die Musik der Griechen weit über eine "reine" Stimmung hinausging. Da sie sicherlich nicht in einer hochentwickelten Mehrstimmigkeit musizierten und Modulation, wie wir sie kennen, auch kein Thema gewesen sein wird, bestand für eine "reine" oder "gleichstufige" Stimmung keine Notwendigkeit.

Viele Grüße

Klaus
 
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Hallo Klaus, danke für den Beitrag, das stellt einiges nochmal klar. Nachdem ich meinen Aufsatz anfangs nur nach vorhandenem Wissen heruntergeschrieben hatte (ursprünglich ging es mir nur darum, selber mal nachzustellen, wie man mit der Quintschichtung zu unserem Tonsystem mit "schwarzen und weißen Tasten" kommt), füllte ich die Wissenslücken durch Recherchen in Wikipedia auf und stelle bei weitergehender Betrachtung fest, dass es mit jedem Erkenntnisschritt immer komplexer wird. Eigentlich habe ich mich mit dem Thema verhoben, bleibe aber doch, wo ich jetzt schonmal soweit bin, bei dem Ehrgeiz, die Zusammenhänge übersichtlich und komprimiert quasi als Einsteigerlektüre darzustellen.

Mit der Lyra war ich auf dem Holzweg. Bzgl der Verwendung der pythagoreischen Stimmung zum Musizieren las ich mittlerweile auch in Wikipedia, dass dies der Fall war, mir kamen nur zwischenzeitlich hier bei der Diskussion Zweifel daran. Von den Tetrachorden weiß ich auch, habe sie aber nicht vollends verstanden bzw. verstehe sie so, dass sie mit dem pythagoreischen Tonvorrat Tonleitern bzw. Tonarten bilden. Das Thema habe ich in meinem Aufsatz nicht erwähnt, weil es abgesehen von meinen mangelnden Kenntnissen zu speziell ist und vom Kernthema abschweift.

Meine jetzt in den Aufsatz aufgenommenen Ausführungen zur reinen Stimmung sind auch noch nicht ganz rund, glaube ich...

Viele Grüße, Reinhard
 
Hallo Radobo,

ich freue mich, dass mein Roman "Die Stimmung der Welt" dich zu deiner außerordentlich klaren und übersichtlichen Darstellung der Stimmungshistorie angeregt hat. Und auch darüber, dass eine so interessante Diskussion daraus gefolgt ist.

Ich habe zwei Anmerkungen zu deinem Text.

Du schreibst: "Ein Meilenstein war die wohltemperierte Stimmung von Andreas Weckmeister Ende des 17. Jahrhunderts. Mit ihr waren erstmals Dur und Moll von jedem der 12 Töne aus spielbar, wie Johann Sebastian Bach mit seinem Werk &#8218;Das wohltemperierte Klavier' kompositorisch demonstrierte. Bei dieser Stimmung war das Komma auf vier Töne verteilt."

Das ist nur bedingt richtig. Es gibt mehrere Werckmeister-Stimmungen, und - wenig bekannt - in seinem letzten, 1707 postum erschienenen Werk "Musicalische Paradoxal-Discourse" empfiehlt Andreas Werckmeister als "wohl temperiert" eine Stimmung, in der das pythagoreische Komma gleichmäßig auf alle zwölf Quinten verteilt wird, also die gleichschwebende Temperatur.
In meinem Roman trifft Bach in Lübeck bei Dietrich Buxtehude auf Andreas Werckmeister und lässt sich von ihm diese Stimmung zeigen.
Ich weiß natürlich, dass einige Musiktheoretiker die Ansicht vertreten, Bach hätte nicht gleichschwebend temperiert, aber wer ganz redlich sein will, muss sagen, man weiß es nicht.

Ich habe mich - das ist meine zweite Anmerkung - dafür entschieden, Bach als denjenigen darzustellen, der der gleichschwebenden Stimmung zum Durchbruch verhilft. Dieser Stimmungs-Wandel ist das Thema des Romans. Der historische, philosophische oder weltanschauliche Skandal bei dieser Stimmung ist ja, dass es anders als bei allen Stimmungen zuvor keine reinen Intervalle mehr gibt. Sowohl in der pythagoreischen (reine Quinten) als auch in der mitteltönigen Stimmung (reine Terzen) gab es so etwas wie ein Reinheitsgebot oder Reinheitsideal. Mit der gleichschwebenden Stimmung aber gibt die abendländische Musik dieses Ideal auf und geht den Weg in die Künstlichkeit. In meinem Roman erkennt Bach diese Dimension, nachdem er das Wohltemperierte Klavier vollendet hat und gerät dadurch in einen abgrundtiefen Zweifel.

Für meinem Roman war also weniger wichtig die Frage: "Wie hat Bach tatsächlich sein Klavier gestimmt?" als vielmehr: "Was wird aus der Weltharmonik, wenn alle Intervalle unrein werden?"

@ Arthur Milton: Doch, es lohnt sich, "Die Stimmung der Welt" zu lesen.

Jens Johler
 
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