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Ist das wirklich so? Ich habe einen interessanten
Artikel in einem alten
Thread gefunden, wo der Autor nachweist, dass moderne Akkordfolgen eine gleichstufige oder wenigsten temperierte Stimmung zwingend erfordern. Leider habe ich die Beweisführung nicht verstanden, der Autor ist leider nicht mehr greifbar (der Kontakt-Link läuft ins Leere); ich habe dies als Frage in dem Thread formuliert. Ich kenne mich leider nur mit Tasteninstrumenten aus, du als Geigerin kannst es vielleicht eher verstehen?
Moderne Akkordfolgen ? - Von welcher Zeit reden wir jetzt?
Wie kommst Du darauf, dass ich Geigerin bin?
Ich denke, dass Instrumente, bei denen jeder Ton starr fixiert ist, (zu der Zeit, als zunächst die temperierte Stimmung er-/gefunden wurde, waren es vermutlich in erster Linie die genannten Tasteninstrumente), dass diese deshalb vorrangig zur Entwicklung der sogenannten temperierten und später gleichstufigen Stimmung motivierten, weil es auf solchen Instrumenten besonders übel klang, wenn man eine Tonart mit mehreren Vorzeichen spielen wollte. Andere Instrumente, deren Stimmung nicht in dem Maß fixiert ist, können ja leicht umgestimmt bzw. beim Spielen den Erfordernissen entsprechend intoniert werden. Dieser Gedanke veranlasste mich zu der von Dir in Frage gestellten Aussage.
Allen Argumenten in dem von Dir verlinkten Artikel zum Trotz hat sich bis in die heutige Zeit der Wunsch erhalten, Instrumente mit reiner Stimmung spielen zu können. Bei Orgeln ist das durchaus möglich. Moderne Instrumente können heutzutage mit Hilfe elektronischer Regeltechnik in unterschiedliche Stimmungen versetzt werden: z.B. eine Orgel in Bad Liebenwerda:
http://www.zeit.de/2013/52/orgel-stimmung-computer. Deutlich preisgünstiger läßt sich der Wunsch, eine Orgel in historischen Stimmungen erklingen zu lassen, mit modernen, hochwertigen elektrischen Sakralorgeln erfüllen. Sie bieten verschiedene Stimmungen an, (hier >
klick< 8 wählbare Stimmungen) damit man alte Orgelstücke authentisch spielen kann. Als ich vor etwa 40 Jahren Verwandte in West-Berlin besuchte, fuhr mein Onkel (Organist) mit mir zu einer Kirche, in der eine rein (auf C-Dur) gestimmte Orgel stand. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, welche Kirche das war. Da habe ich live erlebt, was transponieren auf einem rein gestimmten Instrument bedeutet.
Musiker mit bundlosen, leicht stimmbaren Saiteninstrumente sind da besser drann, weil die im Umgang mit ihren Instrumenten flexibler sind. Für Blockflöten gilt ähnliches. Wenn ich für mich allein musiziere, spiele ich sehr gerne mit der Intonation. Wenn sich für mich in einer melodischen Wendung ein Ton zu hoch oder zu tief anhört, passe ich die Tonhöhe durch Veränderung des Blasdrucks oder Abwandlung des Griffs an. In welcher Stimmung ich da musiziere interessierte mich dabei bislang nicht so sehr.
Ich passe nur die für mich falsch klingenden Intervalle nach Gefühl an, damit die Intervalle schöner / voller / runder klingen.
Wenn ich meine diatonische Tischharfe nach Gehör stimme, muss ich trotz aller Übungen immer noch aufpassen, dass das Ende der 2-oktavigen Tonleiter hoch genug auskommt. Man darf eben nicht nur nach Quinten stimmen, sondern muß auch die Oktaven, Quarten und Terzen prüfen und lernen, auf die unterschiedlichen Schwebungen zu hören. Diese Fähigkeit hat sich bei mir schon in der Jugend entwickelt, als ich noch keine Ahnung von Stimmsystemen hatte. Da hab ich das einfach instinktiv aus dem Bauch heraus gemacht.
Beim Stimmen meiner chromatischen Akkordzithern suche ich stets nach einem Kompromiss, der mich der schönen klaren reinen Stimmung am nächsten bringt. Zunächst kontrolliere ich alle Töne mit dem Stimmgerät. Dann kontrolliere ich die Begleit-Akkorde mit den Ohren und stimme nach, bis sie sauber klingen. Dann klingen sie nämlich am schönsten. Gleichzeitig muß ich natürlich alle Saiten, die dieselbe Tonhöhe haben, abgleichen. Ist schwierig zu beschreiben und eine Sache der Übung, bis man das so im Griff hat, das das Instrument auch schön klingt. Welche Stimmung dabei genau herauskommt, konnte ich bislang nicht prüfen, weil ich noch so ein altes Stimmgerät habe, auf dem keine Hz-Zahlen angezeigt werden. War mir aber egal. Hauptsache es klingt schön.
Die in dem Artikel beschriebene Beobachtung, das Chöre beim acapella-Gesang nach und nach immer mehr absacken, konnte ich zwar auch machen. Jedoch führe ich das nicht auf das Singen reiner Intervalle zurück. Ich erlebte das eher als Folge zu schwacher Intensität bzw. zu schlapp gesungener goßer Intervallsprünge. Wenn es nach oben ging, waren sie zu klein und wenn es nach unten ging zu groß. Ich habe auch erlebt, dass ein Chor gestiegen ist. Wenn es mir gelang, den Chor in der richtigen "Singspannung" zu halten, blieb er auf dem Ton. Das haben wir systematisch trainiert.
... Vielleicht erwähne ich auch, dass es in der Musikpraxis auch Ausnahmen gibt, die alten Stimmungen nicht vollends verschwunden sind ...
Siehe oben.
Aber du erwähnst noch, dass du an der Geige reine Quinten stimmst. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht unproblematisch ist, siehe erwähnten Thread und Literaturverweis. Würde mich freuen, hierzu wieder von dir zu hören.
Wo hast Du das gelesen? Es gibt auch noch andere bundfreie Saiteninstrumente.
Außerdem steht meine Aussage in einem anderen Zusammenhang. Als ich schrieb, dass ich dazu neige, in reinen Quinten zu stimmen, war das als Hinweis zu verstehen, dass die reine Quinte trotz aller Hörgewohnheiten sich beim Stimmen irgendwie automatisch einzustellen scheint. Das ist für mich ein Argument dafür, die reine Quinte nach wie vor als das natürliche Intervall anzusehen. Bevor ich wußte, wohin das führt, wenn man eine chromatische Tonfolge nach Gehör über Dreiklänge (> "gefüllte" Quinten) "zusammensucht" und vor allem, warum das so ist, habe ich mich immer gewundert, warum die Oktaven nicht gescheit klingen. Ich dachte dann, ich hätte mir die Dreiklänge falsch gesungen. Und probierte dann so lange, bis die Akkordzither einigermaßen "ordentlich" klang. Ein Stimmgerät hatte ich nicht. Nur eine Stimmgabel. Als ich später unter Anleitung das Tischharfenspiel erlernte, drückte der Kursleiter sein Erstaunen darüber aus, wie schnell und sauber ich zunächst mit Hilfe von Terzen und reinen Dreiklänge Orientierungspunkte um das a' herum stimmte, dann von den gefundenen Stufen weitere Dreiklänge, Quarten und Oktaven anspielte und dabei dann auch gleich begann, zu enge Abstände auszudehnen. Er hat mir dann erklärt, was da passierte und mich gefragt, wo ich das gelernt hätte.
Mir zeigt das, dass es irgendwie ein natürliches Empfinden für Intervalle und Akkorde geben muss; jedoch hat das noch lange nicht jeder. Meine Studienfreundin war erst nach langem Üben in der Lage, einen einzelnen Ton halbwegs zu treffen. Ein Instrument nach Gehör stimmen war für sie absolut unmöglich.
Nun bin ich teilweise etwas vom Thema abgekommen. Aber ich hoffe, dass dadurch meine Stellungnahme etwas klarer wurde.
Gruß
Lisa