Da ist man mal 'ne Weile nicht hier...
Das Wichtigste zuerst:
1. Wenn's beim Singen kratzt, läuft immer was falsch. Auch beim Belt. Man muss da aber auch zwischen vornehmlich "hörbarem Kratzen" und einem "Kratzgefühl" unterscheiden. Letzteres ist immer Vocal Trauma und zerschreddert dir auf Dauer die Stimme. Ersteres KANN mal als Effekt obendrauf gesetzt sein, das ist aber sehr fortgeschrittene Technik, und ich würde sagen, dass das in 8 von 10 Fällen eher nicht der Fall ist. Bei den Meisten kratzt/ratscht es einfach, weil sie schlechte Technik haben (auch manche Lehrer muss man da leider sagen).
2. Beide Seiten haben mit ihren Twang-Definitionen irgendwie Recht.
a) Man kann Twang eher lautmalerisch verwenden, dann ist es definitiv ein eher randstimmiger Ansatz mit "extremem Vordersitz" - wobei der Vordersitz ja nur ein Gefühl ist, in Wirklichkeit aber weiter hinten-unten produziert wird. Das mit dem aryepiglottic sphincter stimmt also schon (meist ist das Gaumensegel auch tief, muss aber nicht).
Das lehren z.B. CVT ("distinct Twang"), Vocal Process und Estill, bei denen ist Twang AUCH ein eigener Vocal Set-Up und in dem Fall dann eher randstimmig, abhängig von der Tonhöhe natürlich. Das ist z.B. für mich persönlich kein Belt, für Manche aber schon (ist ja kein Trademark drauf
).
Twang ist "muskulär" relativ einfach zu singen. Die einzige Gefahr ist, wenn jemand zum Überblasen neigt, da kommt dann nämlich genau dieses Kratzen/Ratschen bei raus. Daher ist randstimmig singen mit Twang auch nicht immer die sicherste Alternative, wenn man's nicht technisch richtig macht.
b) Man kann Twang so verwenden, wie es heute die meisten Stimmforscher im englischsprachigen Raum tun (im Deutschen setzt sich das aber auch durch). In dem Fall ist es "necessary Twang" (CVT), oder was Estill z.B. aryepiglottic sphincter control (als Figure) nennt. Ursprünglich hat Estill das z.B. nicht Twang genannt. Das hat sich irgendwie erst im Lauf der Jahre eingeschlichen, ist mittlerweile aber ubiquitär, auch in Nicht-Estill (oder Sadolin)-Kreisen. In dem Fall ist Twang eine "Zutat", die man auf jeden Vocal Set-Up, egal ob randstimmig oder vollstimmig, draufsetzen kann. Und ja, auch im klassischen Gesang, und auch in der tieferen Lage, nur ist es da eben nicht hörbar im "lautmalerischen Sinn" von a). Hier ist Twang wirklich nur ein Mittel, um Tragfähigkeit zu generieren (und ggf. mit Stimmbandschluss zu helfen, weil es da einen Rückkopplungseffekt gibt). Das wird ganz gerne mit dem Sängerformanten gleichgesetzt, und einige Studien legen nahe, dass das tatsächlich der Fall ist. Die Samples solcher Studien sind allerdings immer relativ klein. Solange man nicht das Gegenteil beweisen kann, kann man aber auch nicht sagen, es stimmt nicht.
Obendrauf gilt allerdings auch: Twang ist kein Allheilmittel (wenn auch hier und da absolut notwendig), muss vernünftig gelernt werden wie alles andere, und hilft dem Anfänger normalerweise nur, wenn's technisch korrekt demonstriert wird, weil auch dabei einiges schiefgehen kann. Was auch stimmt ist, dass es für manche Anfänger, die hier lesen, wahrscheinlich eher zu Konfusion führt. Das geschriebene Wort ist aber leider immer interpretierbar, und da kommt dann leider oft Murks bei raus. Das gilt aber für alle Erklärungen - konsequenterweise müsste man dann das ganze Forum einstampfen oder jeden Post mit einem Disclaimer verfassen. Ich sag' ja immer: "Nimm ein paar vernünftige Gesangsstunden, und versuche nicht, Gesang aus Foren zu lernen". That's just me though
Sorry, dass das jetzt so lang geworden ist, zumal wir das ja alles schon hundertmal durchgekaut haben. Ich würde persönlich halt nur gerne verhindern, dass Dinge, über die in Vocal Research-Kreisen, zumindest momentan, Konsens besteht (rar genug
), als falsch dargestellt werden. Ein Hauptproblem ist, wie so oft, die Verwendung derselben Begriffe in unterschiedlichem Kontext. Das macht das Eine aber nicht "richtiger" als das Andere...