Aaaalso, da ist jetzt soviel zusammengekommen, dass ich die Antworten etwas verteilen werde.
Carl schrieb:
Das Nyquist Theorem gilt immer und exakt!
Ja, aber nur genau dann, wenn ALLE Voraussetzungen des Beweises erfüllt sind. Und das ist in der Praxis gar nicht möglich: Integrationen von "minus unendlich" bis "plus unendlich" auf der Zeitachse - wie willst du das Umsetzen?
Man hat die Wahl (z.B. bei Filtern), entweder beidseitige Antwortfunktionen (digital) zu realisieren, dafür aber nur mit endlicher Dauer, oder aber quasi-unendlich, dafür aber nur Einseitig. Und genauso geht das weiter mit Filtern, die gar nicht exisitieren usw.
Da werden also etliche Voraussetzungen unterschlagen. WIE "falsch" das Theorem dann wird, ist damit nicht ausgesagt. Nur, dass es im mathematisch strengen Sinne nicht mehr oder zumindest nicht mehr exakt gilt. Ergo: Bis zu welcher Grenzfrequenz z.B. das Verfahren mit akzeptabler Genauigkeit funktionert, ist dann wieder Sache der Ingenieure, nicht der Mathematik.
Ich sage ja nicht "Nyquist lügt", sondern nur: "Wenn ich diese und jene Annahmen der Theorie nicht erfülle(n kann), muss ich mir NEU Gedanken machen, was das für Auswirkungen hat. Mit Glück: Gar keine. Aber diese verletzten Annahmen kann man nicht einfach mit dem Beweis des Theorems selbst wegwischen.
Man muss es nur verstanden haben und die Mathematik drum herum genauso.
Eben. Ich sehe nur das Problem, dass inzwischen nurmehr Zitate von Zitaten gelehrt werden und die Originalarbeiten im Wortlaut kaum einer mehr kennt oder sich die Mühe macht, da mal reinzusehen. Wenn man das nämlich tut, dann stolpert man sehr schnell über Annahmen, die sich nicht oder nur schwer erfüllen lassen.
Zu dem Fall:
a) Nyquist sagt BIS ZU der halben Abtastfrequenz. Was der Artikel behandelt ist also ein Sonderfall von genau der halben Abtastfrequenz, der in der Praxis nicht auftritt.
Soweit sind wir uns einig.
b) wenn man also den Fall nimmt, dass man statt 24 kHz 23,99 kHz nimmt, so muss man überlegen, dass ein kurzer Sweep der Frequenz wieder ein Spektrum hätte das über die 24 kHz hinaus geht.
Dazu braucht es keinen Sweep, sondern nur ein Signal (oder einen Signalanteil) endlicher Länge.
...aber wenn der D/A Wandler exakt denselben Frequenzgang hat wie der A/D Wandler
Das ist schon das erste Problem...
schwingt sich der Rekonstruktionstiefpass genau so auf, dass wieder genau exakt amplituden und phasengleich das selbe Signal raus kommt.
Das gilt so nah an der Nyquistfrequenz aber auch nur bei Filtern mit beidseitiger, unendlicher Antwortfunktion. Hat man reale Filter, ist der Fall mit 10Hz Abstand zur Nyquistfrequenz schon nicht mehr in Ordnung. Ein paar Prozent Reserve sollte man da schon gönnen...
Ist nicht leicht zu verstehen, aber ist so. Nyquist hat recht, und zwar immer!
Nyquist hat recht und immer, das stimmt. Er sagt aber selbst (in den Voraussetzungen), wo die Grenzen sind.
Unrecht haben diejenigen, die das Nyquist-Theorem immer nur halb zitieren und die wichtigen Teile weglassen.
Entgegen aller Gerüchte, die daraus resultieren dass man das nicht so leicht kapiert, und das selbst mit E-Technik Studium, hat man am Ende wirklich einen Frequenzgang schnurgerade bis 47,5 kHz, Klirren das schon im Grundrauschen von -120 dB untergeht und mit den 96 kSamples hat man wirklich bis zu den 47,5 kHz Amplitude UND Phase korrekt erfasst!
Ich habe auch nirgendwo gesagt, dass so etwas nicht möglich wäre. Nur muss man sich dazu diverser Tricks bedienen, und das Verfahren hat dann mit dem, was Shannon und Nyquist beschrieben haben, nicht mehr sehr viel zu tun. Allein schon die Anwendung von Oversampling muss man eigentlich mathematisch ganz anders beschreiben - und natürlich schiebt das (deswegen macht man's ja) die Probleme zu Frequenzen, bei denen wir im Audiobereich garantiert keinen Ärger mehr bekommen.
Jens