c) wenn ich mich im Kontext Trommeln bewege (Beispiel RhythmCircles)
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Hier bin ich mir sicher, dass auch über die psychische Dimension die Physis verändert wird -> meine Ergänzung 1c).
Damit bin ich einverstanden, das wäre dann:
- physisch, a) wenn ich trommle, b) wenn ich Rhythmus (und die verschiedenen Klänge) wahrnehme und c) wenn ich mich im Kontext Trommeln bewege (Beispiel RhythmCircles)
- psychisch, a) wenn ich trommle, b) wenn ich mit anderen trommle (die psycho-soziale Dimension) und c) wenn ich Rhythmus wahrnehme
Ich meinte eher diese Diskussion für das Musiktheorie-UF:
"Wo handelt es sich im Musiktherapie, wo um eine Therapieform mit Musik, wo um einen psycologisch-sozial reflektierten Umgang mit Musi, wo um einen pädagogischen Kontext?"
Wie ist denn das Selbstverständnis der Musiktherapie? Begreift sie ihren Bereich nicht als all dies umfassend?
Ist ein sehr von Vorurteieln einzelner Berufsgruppen besetztes Thema. Therapeuten <-> Lehrer <-> Dipl. Pädagogen <-> Psychologen <-> ...
??? Kann ich mir aber ungefähr vorstellen.
Ich würde hier gerne unter der Prämisse mitdiskutieren, dass der Begriff "Therapeutischer Kontext" sehr weit - weiter als in der Literatur - gesehen wird. Ich denke und hoffe, dass dieses hier akzeptiert wird
.
Ich (z.B.) bin Ergotherapeut und habe den Zugang gar nicht über Literatur bekommen. Von daher finde ich natürlich auch sehr spannend, wenn jemand verschiedene Sichtweisen (und ggf. berufsspezifische Vorurteile) erläutern kann. "Therapeutischer Kontext" also nur als Beispiel gerne auch Erfahrungen und Erlebnisse aus der Perspektive eines Klienten (Patienten).
Ich will für diesen Thread gar nicht so maßgeblich sein trotzdem vielleicht kurz die Erfahrungen, die mein Interesse hervorgerufen haben: Vor über 20 Jahren war ich Mitglied einer der ersten Batucadas in Norddeutschland, ohne mich deshalb als Musiker gefühlt zu haben. Die Gruppe hatte so ihre Momente (ich auch), aber mir ist irgendwann doch klar geworden, dass ich einen bestimmten Level (des eigenen Musikerlebens) nie erreichen werde.
2003 fing ich mit einer Umschulung zum Ergotherapeuten an und im Rahmen kursinterner Angebote, die jeder immer mal wieder machen sollte, stellte sich heraus, dass meine musikalischen Erfahrungen und Überlegungen für alle möglichen Gruppen-, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen etc. herhalten konnten. Während einer Projektwoche habe ich daraufhin einen Trommelworkshop und ein Jahr später einen Instrumenten-Baukurs angeleitet, bei dem hauptsächlich Cajones entstanden sind. Für mein Examenspraktikum erhielt ich deshalb eine Anfrage einer psychiatrischen Einrichtung, ob ich Interesse hätte, jemanden mit umfassender Borderline-Störung einzeln arbeitstherapeutisch zu betreuen (nämlich in einer Holzwerkstatt Cajones bauen) und eine kleine Trommelgruppe auf den Weg zu bringen. Das habe ich dann auch gemacht, wobei ich währenddessen nur sehr wenig Zeit für vertiefende Studien hatte (am Ende eines Examenspraktikums findet stets ein mörderisch umfangreiches Staatsexamen statt).
Da sich die beruflichen Perspektiven just während meiner Umschulung radikal verschlechtert haben, bin ich zur Zeit dabei, mich mit einem eigenen Cajon-Projekt einem Bildungsträger anzudienen, der u. a. sog. Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche auf dem Weg in die Erwerbsarbeit anbietet. Diese werden von den Jobcentern finanziert. Im niederschwelligen Bereich geht es in erster Linie immer um Tagesstruktur und die Motivation, sich auf einen beschwerlichen Qualifizierungsweg durch diverse Praktika etc. zu begeben. Ich erkenne da einen Aufgabenbereich, für den Ergo-(und auch Arbeits-)therapeuten nahezu prädestiniert sind. Aber leider sehe nur ich das so. Man sträubt sich erheblich gegen die Anstellung eines Therapeuten. Die Jugendlichen haben zwar sämtlich Probleme mit Drogen, Aggressionen (regelmäßig im Knast sitzen) oder weisen offensichtlich (aber nicht diagnostiziert) Persönlichkeitsstörungen auf, gelten aber natürlich nicht als krank. Therapeuten gelten demgegenüber aber scheinbar als Leute, die sich nur in Bezug auf Krankheit zu verhalten wissen. In (vielen) amerikanischen Schulen werden Ergos aber beispielsweise in begleitender Funktion eingesetzt (also prophylaktisch).
Da die Klientel einen sehr hohen Ausländeranteil hat, gibt es seitens der Jobcenter inzwischen Signale, dass in bestimmten Stadtteilen (mit überdurchnittlich hohem Ausländeranteil) besondere Richtlinien gelten sollen. Mit meinem Projekt reagiere ich bewusst naiv darauf und verweise auf den spezifisch hohen Identifikationsgrad, den ein Gegenstand wie das Cajon auf bestimmte Jugendliche haben kann (also: die Wirkung der Trommel als solcher). Und dann ist da natürlich noch der Bereich der psychosozialen Wirkung, die der Umgang mit den Musikinstrumenten in der Gruppe erzeugt und: der Erwerb interkultureller Kompetenz, den es reflektorisch zu unterstützen gilt.
Das sind doch schon mal einige Aspekte, unter denen man das Thema betrachten kann. Aber ich will es auch nicht einengen.
Die Art und Weise des Trommelns lässt unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Persönlichkeit zu: Schlägt jemand "stur" und monoton immer den selben Beat, klebt also an Mustern oder wirkt das Trommeln "chaotisch" und unstrukturiert ohne Ordnung (das alles natürlich ohne Wertung i. S. von "gut" oder "schlecht")?
Hat man da eine Tendenz gefunden, kann man versuchen, den Beat des Anderen aufzufangen und etwas in die entgegengesetzte Richtung zu lenken. Die Einschränkung ist klar: Eine fundierte Darstellung einer Persönlichkeitsstruktur kann natürlich nicht alleine auf der Grundlage des Trommeln basieren, sondern ist nur ein kleiner Teilaspekt davon. Dasgleiche gilt für eine angestrebte Veränderung der Strukturen. Aber es ist ein möglicher nonverbaler und sehr basaler Zugang, ...
Wie wärs wenn man den Bass/die Bässe, als basale Stimulation sieht?
Die gehören selbstverständlich dazu. Aber ich glaube kaum, dass man darauf eine Therapie beschränken kann. Es sei denn, Du hättest damit schon mal jemandem aus dem Koma geholt
. Die Wirkung von Bässen ist natürlich aber in besonderer Weise basal, da man sie gegenüber anderen Frequenzen auch stärker taktil wahrnehmen kann. Insbesondere in Verbindung mit großer Lautstärke erhöhen die den Muskeltonus machen, wenn man sich nicht abreagiert (z.B. durch Tanzen o.ä.) auch aggressiv. Dazu fällt mir was ein: Ein Freund von mir hat als Hiwi eines Sportprofessors mal eine Hausarbeit vorkorrigieren müssen, in der es um das Verhalten junger Männer in Diskotheken ging. Musikproduzenten wurde darin unterstellt, dass sie mit Blick auf die Zielgruppe "Lonely Wolf", lässig am Pfeiler lehnend und kontinuierlich Umsatz produzierend, besonderen Wert auf Backing-Vocals und Chor legen, weil das in der Wahrnehmung Gemeinschaft/Geborgenheit erzeugt d.h. die Einsamkeit nimmt.
... gerade im Bereich der Sonderpädagogik, wo ja oftmals andere Wege verschlossen bleiben.
So habe ich in der besagten Trommelgruppe (psychiatrisches Klientel) teilweise auch gearbeitet vor allem aber beobachtet. In erster Linie ging es allerdings um die Kommunikation innerhalb der Gruppe. Darin sind Psychiatrisch-Erkrankte im normalen Kontext ja oft sehr eingeschränkt. Es handelte sich hier um eine Betreuungseinrichtung für sog. austherapierte Menschen, d.h. für solche, denen im Grunde nicht geholfen werden kann und die zumeist bereits in der Kindheit erkrankt sind. Dadurch konnte eine normale (z.B. kognitive) Entwicklung eben auch nicht stattfinden (Stichwort "basaler Zugang").
Mein Borderline-Klient gehörte auch dazu, und ich hatte speziell bzgl. dieser Problematik irgendwann vorher mal einen Text gelesen, in dem Trommeln in der Gruppe gerade als Möglichkeit gesehen wird, bei frühen Störungen (wenn ich mich nicht irre, bezeichnet man so Störungen, die vor dem Spracherwerb verursacht wurden) die Betreffenden in Gefühlslagen zu bringen, die den Zuständen während der symbiotischen Beziehung mit der Mutter ähneln. Da bestünde eine Möglichkeit, über geschickte Lenkung immer wieder dafür zu sorgen, dass sich jemand (symbiotisch) als Teil des Gruppengeschehens erlebt und im solistischen Heraustreten aus der Gruppe (emotional/symbolisch?) immer wieder das Entwicklungssegment "durchschreitet", in dem etwas zu seiner (Beziehungs-)Störung geführt hat.
Erstmal genug. Grüße, olliB.