Ich glaube, dass das große Problem darin liegt, dass wir in unserer Gesellschaft alles möglichst schnell erreichen können. D.h.: Wir können immer und überall telefonisch erreichbar sein, unsere E-Mails checken, SMS schreiben; wir können immer und überall alles nachlesen, da wir immer und überall Internet dabei haben...das könnte jetzt noch lange so weitergeführt werden.
Folglich können wir auch ganz schnell und einfach so wie *Gitarrist einfügen* klingen, da wir uns einfach *Effektgerät, Gitarre, Amp* bestellen. Das wird uns natürlich auch in hohem Maße von der Gitarrenindustrie so eingeredet, damit wir ja möglichst viele verschiedene Modelle (von Gitarren, Amps und Effekten) kaufen, besitzen, weiterverkaufen, etc. Wie so oft geht es wieder einmal nur um Profit.
Ich bin hobbymäßig sehr intensiv im Tennis tätig. Komischerweise gibt es da diese "Erscheinungen" viel seltener. Ich kenne zwar ein paar Hobbyspieler, die deutlich unter meinem Niveau sind, aber trotzdem jedes Jahr einen neuen Schläger kaufen. Ich selber habe vor ca. 5 Jahren über 2 Monate sehr intensiv Schläger getestet und mich dann für ein Modell entschieden, dass mir am besten gepasst hat. Ich habe mir dann 3 Schläger gekauft (so viele braucht man als Turnierspieler, da jederzeit eine Saite reißen kann und das Bespannen doch sehr aufwändig - im Vergleich zur Gitarre - ist) und diese dann 3 Jahre gespielt, bis sie wirklich runtergespielt, und quasi kaputt, waren. Danach habe ich mir vom gleichen Modell wieder 3 Stück der aktuellen Version geholt, ohne viel zu probieren. Ähnlich bei den Saiten - die im Tennis auch sehr viel Einfluss haben. Ich habe vor 2 Jahren 10 verschiedene Modelle getestet und nun bleibe ich bei denen, da ich mich wohl fühle. Ich habe kein Bedürfnis, irgendwas zu ändern. Schuhe, zum Beispiel, kaufe ich mir dann, wenn die alten soweit runtergespielt sind, dass sie fünf Löcher haben und die Sohle durchgewetzt ist.
Ich kaufe mir auch keinen Wilson-Schläger mit Luxilon-Saiten, um einen Slice wieder Roger Federer zu spielen und einen Babolat-Schläger mit der neuesten RPM-Saite, um Nadals Spin hinzubekommen. Sportler sind da oft sehr konservativ. Auch wenn sie versuchen, immer das Beste aus allem herauszuholen, hält man da oft an den gewohnten Materialien fest.
Beim Gitarre spielen kommt aber immer wieder mal der Wunsch nach neuen Effekten, oder einer anderen Gitarre. Immer wenn ich ein Video auf youtube sehe, schwingt da irgendwie der Gedanke mit: "Wow, das ist eine coole Gitarre. Wenn ich mal ein wenig Geld beisammen habe, könnte ich mir doch so eine kaufen.". "Woher kommt dieser geile Solo-Sound, welches Pedal benutzt der wohl?" Oder so ähnlich...wer kennt es nicht?
Ich hab jedenfall im Momentan 2 Gitarren und 2 Amps (je 1x für die Studentenbude und 1x für's Wochenende zuhause) und dazu noch 3 Effektpedale. Im Sommer hatte ich einen Anflug an G.A.S., während dem ich mir eine Akustische und eine E-Gitarre geholt habe, die ich aber beide nicht brauchte. Beide habe ich dann wieder verkauft - mit einem Verlust von insgesamt 130.- Das bereue ich heute noch.
Aber meine Strat, nach der ich lange gesucht habe, habe ich noch ein wenig gepimpt, sodass sie mir zum Neupreis nochmal gut 100.- gekostet hat...mit der bin ich aber nun voll zufrieden und ich werde sie wohl ein Leben lang haben. Die zweite Gitarre musste einfach sein, damit ich nicht jedes Wochenende mein Tenniszeug und meine Gitarre mit dem Zug schleppen muss.
Ich weiß nicht so recht, ob es beim G.A.S. nur um "Belohnung" und um das Stillen von "Bedürfnissen" geht, oder ob man da einfach nur etwas kompensieren will. Keine Ahnung.
Aber irgendwie finde ich die Gitarristen am coolsten, die schon seit Jahren ein und diesselbe Gitarre spielen, z.B. Steve Morse. Ich habe mal gelesen, dass er seine Music Man Signature, die Blueburst, solange benutzt hat, bis es einfach nicht mehr ging, da man sie nicht mehr neu bundieren konnte. Oder Rory Gallagher. Der hat seine Strat solange gewürgt, obwohl die schon wie Sperrmüll ausgeschaut hat. Obwohl ich ein Joe Bonamassa-Fan bin nervt das irgendwie, wenn der bei jedem Lied eine neue (wenn auch geile!!) Gitarre hervorholt. Mir fehlt da ein wenig der Wiedererkennungswert. Aber er selber sagt ja, dass sich in seinem Leben alles um die Gitarre dreht und er den ganzen Tag dasitzt, seine Gitarren anschaut, spielt, sammelt, usw. Wenn ihm das soviel Wert ist, dann ist das doch auch wunderschön.
Als Hobbyspieler, wenn man nicht davon leben kann bzw. auch andere Hobby - und vor allem einen Beruf - hat, sollte man aber immer vernünftig reflektieren, ob man das ganze Zeug wirklich braucht. Sobald man das nicht mehr macht bzw. kann, beginnt das G.A.S. - meiner Meinung nach. Unabhängig davon, ob man sich das nun leisten kann oder nicht. Wenn jemand in seiner Bude 8 Gitarren, 4 Amps und einen Farbenteppich voller Treter hat, und das nur, um zuhause zu klimpern und wie Gitarrist xyz zu klingen, dann ist das wohl nicht mehr "notwendig". Wenn das unter dem Aspekt des Sammelns geschieht, weil man sich alle möglichen Gitarrenmodelle an die Wand hängen will (oder Strats in 10 verschiedenen Farben haben will), dann ist das noch eher verständlich, als wenn das jemand macht, weil er unbedingt eine Tele braucht, um Country zu spielen, weil das mit der Strat nicht geht, und sich eine Paula bestellt, weil er mal eben schnell das Slash Solo in Knocking On Heavens Door nachspielen will. Man sollte da wohl unterscheiden zwischen "brauchen", "haben wollen" und "sammeln".
Aber während ich diese Zeilen schreibe, vergesse ich selber schon, worauf ich hinaus wollte und merke, dass die Grenze zum G.A.S. wohl sehr schwammig ist und so einfach nicht beantwortet werden kann...
Gruß,
gammy