Ich sehe eher die Frage, was ein „Repertoire“ überhaupt ist ...
Zurzeit würde ich das für mich so beantworten: Ein Repertoire ist das, mit was ich mich im Moment beschäftige. Es gibt natürlich Stücke, die ich früher gespielt habe und immer noch kann, aber nicht mehr anrühre. Darum würde ich die nicht dazuzählen. Zum aktuellen Repertoire gehören Stücke, die ich jetzt spiele.
Wichtig ist mir dabei, dass ich die
Stücke, die ich auswendig habe, wachsen lasse wie Pflanzen, die aufkeimen, ein kleines Hälmchen entwickeln, dann so langsam größer werden. Am Anfang steht eine einstimmige Melodie, die ich versuche, auf das Griffbrett zu bekommen. Dann kommt der Bass hinzu, so dass ein einfaches Stück mit Begleitung entsteht. Später entsteht der Wunsch, ein Vorspiel zu entwickeln oder ein Nachspiel. Damit wird das Stück schon länger und verändert sich dabei. Irgendwann finde ich Doppelgriffe oder auch eine zweite Stimme, die ich drunter- oder drübersetze, nochmal später Improvisationsmöglichkeiten. Eigentlich geht es mir fast immer so. Mein Repertoire besteht also aus Stücken im Fluss. Klasse finde ich dabei, dass ich mit dem Stück mitwachse. Am Anfang braucht so ein Stück nicht so viel Fähigkeiten, später aber immer mehr. So wird das Stück immer mehr zu einer Herausforderung an mich, die mich persönlich weiter bringt. Diese Herausforderung nehme ich dann gerne an. Dann nämlich hab ich kein Repertoire, sondern mein Repertoire hat mich.
Für meine Barocksachen gibt es natürlich
Noten. Aber auch da schaue ich, dass ich einen einfacheren Einstieg finde. Nichts finde ich so schlimm als wenn der nicht klappt. Dazu kappe ich die Stücke oft. Will heißen: Acht Takte Bach sind besser als überhaupt kein Bach. Ich probiere dann einfach rum, was man mit diesen acht Takten anstellen kann und wie ich sie vielleicht mit einer Kadenz zum Ende bringen kann. Vom "Kuckuck" von Daquin konnte ich im ersten Schritt nur den ersten Teil spielen. Aber auch das hat Spass gemacht, weil mich
@maxito drauf gebracht hat, dass der Kuckucksruf links und rechts erklingen sollte. Was dachte er sich dabei, als er das gesagt hat? Ich hab rumprobiert. Dann Kuckucksrufe auf Youtube geguckt und mich gefragt, wie lange die betreffenden Töne sein müssen. Inzwischen kann ich auch den zweiten Teil von diesem Vogelstücklein, um den dritten macht mein Unbewusstes noch einen Bogen. Aber die ersten zwei Stücke sind auch schön. Ich mag es inzwischen auch, total einfache Stücke aus der Barockzeit zu nehmen und mit dem Tonmaterial zu spielen. Wie würde ein Bachstück klingen, wenn das Thema ein Komponist aus früherer Zeit genommen und darüber improvisiert hätte? Mir gefällt dieser kreative Zugang einfach. Stücke leben dann. Und ich glaube, sie leben länger. Oft haben mich geschriebene Stücke, die ich irgendwann konnte, früher immer irgendwann gelangweilt.
Für mich ist 'mein' Repertoire das, was ich spielen kann, wenn man mir irgendwo auf der Welt im Urlaub oder sonstwie ganz unvermittelt ein Akkordeon in die Hand drückt und sagt: "Spiel!"
Ja, genau. Irgendwas wird da schon rauskommen.
P.S.
edenfalls würde ich das anstreben, weil es mehr Aufwand wäre, alle möglichen gängigen Stücke Vortragsreihe ständig drauf zu haben,
Oh ja, die "gute" alte
Paukmethode, was für ein Aufwand.
Beim Umstieg auf Knopf hab ich genau das gemacht, weil es mich genervt hat, ständig beim Spielen daneben zu langen. Also eine Liste mit Stücken erstellt, von einfach bis immer schwerer, und immer wieder die ganze Liste von oben durchgedudelt, bis die Stücklein gingen. War total anstrengend, aber jetzt habe ich ein Niveau erreicht, wo ich mir so langsam selber zuhören kann ohne mich über mich selber zu ärgern. Irgendwann muss man sich aber davon lösen. Gesund ist das nicht, auch wenn man dabei schnell riesengroße Fortschritte macht. Don't try this at home again.
Also quasi nicht nur Repertoire an Stücken sondern auch Repertoire an Skills, mehr frei spielen zu können.
Genau das entsteht mit der Paukmethode nicht. Kreativität entsteht durch Kreativität, Probieren durch Probieren, Improvisieren durch Improvisieren.