lucjesuistonpere schrieb:
Ich verstehe drunter "authentisch", was auf Deutsch so viel heißt wie "glaubwürdig" - sprich: wenn ein Klang glaubwürdig ist, hat man als Zuhörer gute Gründe, zu glauben, dieses Sample komme von einem echten Instrument - wie auch immer das nun abgenommen ist.
Richtig.
Du meinst mit "Realismus" wohl eine Art "Spielgefühlrealismus" - daß es sich so anhört, als ob man als Spieler gerade unter akustisch optimalen Bedingungen vor einem echten Flügel sitzen würde. Also nochmal ein "Spezialfall" meines Realismusbegriffs.
Nein, das meine ich damit gerade nicht. Ich meine schon den Sound "draußen". Das Gefühl, am echten Instrument zu sitzen, ist nochmal ungleich schwieriger zu simulieren, weil man im Nahfeld des Instruments sitzt - ein ungleich komplexeres Unterfangen als die "natürliche" Darstellung des Fernfeldes. Auf einer Bühne mit "normalem" Monitoring wird man für den Pianisten selbst das akustische Spielgefühlk nie wirklich simulieren können, schon von der Aufstellung der Monis her. Da müssen schon aufwändigere Lösungen her - eingebaute Lautsprecher in einem DP kommen dem schon näher, sind aber für eine laute Rockbühne zu schwachbrüstig.
Meine Art von Realismus tritt bei Stagepianos und Synths nicht zwangsläufig auf. Da hört man nämlich, gerade bei älteren Synths, oft deutlich raus, daß der Klang aus der Elektronik kommt
OK, dann sind wir uns einig. Speziell SYNTHS haben ja das Problem, dass der Klang immer komplett künstlich erzeugt wird. Und da hat mich auch von den neueren noch kein Pianosound überzeugen können. Ein Sample als Grundlage ist schon Pflicht.
Über ältere (synthetische) Pianos brauchen wir eigentlich nicht zu diskutieren. Und auch nicht über Sample-Pianos, die aus Kostengründen mit arg kleinem Samplesatz auskommen müssen. z.B. die 64MB Samples vom RD 700 sind eigentlich heutzutage konkurrenzlos wenig.
Sprich: synthetischer Klang - leider gibt es durchaus Synths, die diesen aufweisen, Korg ist z.B. ein trauriges Beispiel.
Du musst sauber trennen zwischen synthetisierten Pianosounds aus echten Synthesizern und einem samplebasierten Pianosound aus DPs oder Workstations! Alles andere ist Äpfel mit Birnen vergleichen.
Ich habe zwar manchmal auf der Bühne Klaviere gehört, die waren ärmlich abgemischt, die bestanden nur noch aus einem Oberton-Knochengerüst [...] aber bei keinem der Bühnen-Klaviere hatte ich einen penetrant synthetischen, elektronischen Klang entdeckt - insofern waren für mich alle "realistisch".
Das ist auch kein Wunder. Wenn die Basis das echte Instrument ist, wo soll dann der synthetische Klang (außer mit Absicht) herkommen?
(mag ja sein, daß das für Rock notwendig ist, aber ich finde das mal ziemlich Bäh
- ohne meinen Geschmack irgendwem aufdrängen zu wollen)
Das habe ich nie gesagt! Es ist ein kleiner Unterschied, ob ich ein Piano völlig kastriere, oder ob ich in den Bässen (und im "Volumen", sprich: Wieviel passiert da beim Dämpfereinsatz?) etwas "aufräume" und sparsam mit bombastischen, voluminösen Effekten umgehe. Zwischen "Mulmgefahr vermeiden" und "nur noch Oberton-Knochengerüst" liegen Welten!
Achso, eine Frage ist für mich immer noch offen - wieso entstellt man im Rock eigentlich immer den Pianoklang oft so, daß er dünn und schäbig klingt? Denn wie gesagt - in der Fusion, die ja auch nicht leise ist, benutzt man in der Regel warme Jazzpianosounds, die zwar durchaus die Höhen aufgedreht bekommen, um sich durchzusetzen, aber trotzdem voll klingen und problemlos für solistische Passagen (Rubati, Intros) verwendbar sind.
Warum ist das so? Tja, da könnte man jetzt lange drüber philosophieren. eine Kurzfassung meiner Ansicht:
Jazz, Fusion und einiges andere wie z.B. kleine Blues-Besetzungen sind sowohl von der Besetzung als auch vom Arrangement her so angeleget, dass sich
a) nicht so viele Instrumente Frequenzbereiche teilen
b) der "Zielsound" so ungefähr dem entspricht, was man hören würde, wenn alle Instrumente rein akustisch auf der Bühne stehen würde. Das gilt sowohl für die absolute Lautstärke, als auch für die Lautstärkeverhältnisse untereinander.
Bei Rock klingt eigentlich kein einziges Instrument "natürlich": Die Gitarren sind stark verzerrt, die Drums werden komprimiert und auf "knallig" getrimmt, E-Bass wird mit 100en von Watt und Kompressor so getrimmt, dass es weggeht vom Klang einer Bassgitarre und hin zu einem "Fundament" für den Rest.
Das ist aber schon so, seit es den Rock gibt und kann als Stilmittel bezeichnet werden. So ungefähr wie die Frage "Klingt eine E-Gitarre wie eine spanische Konzertgitarre und wenn nein, warum nicht?".
Oder anders gesagt: Bei Jazz und Fusion wird die Musik so arragiert, dass Naturinstrumente ohne viel Verbiegung gut zusammen klingen. Man merkt das z.B. daran, dass es ganz klare Trennlinien zwischen Soloinstrument, Rhytmusinstrumenten und "Accompainment" gibt.
Bei Rock steht nicht das einzelne Instrument im Vordergrund, sondern der Gesamtsound der Band. Und das spiegelt sich dann sowohl in den Einzelsounds wieder als auch im Arrangement: Die Grenzen zwischen Solo- und Begleitinstrumenten sind fließend, zudem teilen sich oft mehrere Instrumente einen Part: so z.B. Bass und Rhythmusgitarre, die ZUSAMMEN für "Druck" oder die "Wand" sorgen.
Jens