Wieso stellen hier die meisten Jazz als so wahnsinnig ernste Musik hin?
Aus eben diesem Grund könnte man auch fragen wieso Metal meistens als Musik der Unterprivilegierten oder unreifer, anspruchsloser Lärm dargestellt wird...
Diese Grabenkämpfe zwischen Musikstil-Vertretern finde ich im höchsten Maße peinlich und völlig
unnötig. Klischees findet man doch in jeder Art von Musik Klassikhörer als verstockte Konservativlinge? Jazzer als humorlose Anzugträger? Metal-Fans als minderbemittelte Unterschicht-Kinder? Diese Kriterien halte ich für ausgemachten Blödsinn. Und diesen Vorwurf müssen sich hier die Pro- als auch Contra-Sprecher gefallen lassen.
Ich würde mich auch als Metal-Hörer kategorisieren obwohl sich meine musikalischen Vorlieben auf annähernd alle Genres erstreckt. Dennoch ist keine Kategorie im selben Ausmaß vertreten wie Metal in all seinen vielfältigen Ausprägungen. Sobald man einer Musikrichtung ein bisschen mehr als bloß oberflächliches Hineinschnuppern zubilligt, entdeckt man erst die stilistische Vielfalt einer Szene (womit sich Pauschalierungen von selbst erledigen). Es gibt beispielsweise auch Metal, der sich nicht durch Aggressivität, Schnelligkeit und Brutalität definiert. Es gibt in diesem Stil ein völlig gegensätzliches Spektrum an Charakteristika schnell, langsam, dunkel, hell, nihilistisch und kritisch, emotional und kalt. Beispiele gefällig?
Drone Doom empfinde ich als Anachronismus in unser HiFi-Welt. Diese Musik hat ein erhabenes, episches Element für manch anderen mag es eher klingen wie eintöniges Gebrumme.
Progressive Metal ist für manche die Bezeichnung von Metal angereichert mit technischen Kabinettstücken (ein weithin verbreiteter Irrglaube!), für mich ist es eine Stilrichtung, die über den Tellerrand blickt und genre-fremde Einflüsse einbindet unabhängig von der technischen Klasse der Ausführenden.
In der öffentlichen Perzeption spielt diese Vielfalt naturgemäß eine untergeordnete Rolle, man konzentriert sich zu leicht auf die bekannten Vertreter, die selbstverständlich nicht das gesamte Spektrum eines Musikstils abbilden können. Das vermittelte Bild ist die klassische Spitze des Eisberges, angesichts der medialen Überpräsenz der Mega-Seller fristen die restlichen 90% ihr Dasein im Verborgenen.
Metal leben? Wie bitteschön macht man das? Wie lebt man Blues? Wie Pop? Welche Qualitäten benötigt man, um eine Musikrichtung zu leben? Integrität, Sensibilität, Emotionalität und Ehrlichkeit sind für mich beispielsweise keine Musik-spezifischen Eigenschaften, sondern essenzielle Zutaten eines aufrichtigen Charakters.
Die Argumente, warum man Metal/Jazz/Brit-Pop hört sind doch immer dieselben: Emotionalität, Anspruch, Atmosphäre, etc. Faktum ist diese Attribute kann man in annähernd jedem Genre anwenden, schlußendlich entscheidet aber doch der persönliche Geschmack über Abneigung oder Sympathie. Gruppenzwang als Begründung für Musikauswahl? Das scheint mir eine allzu platte, einfache Erklärung zu sein, die die Komplexität einer solchen Entwicklung allzu sehr simplifiziert: Nur weil meine Freunde eine Band X toll finden, muss ich nicht der gleichen Ansicht sein. Natürlich erfordert diese Einstellung auch ein gewisses Maß an charakterlicher Stärke. Aber: Das gilt für alle Musik-Hörenden.
Auch wenn ich hier kein Kompendium über die Sub-genres des Metal anbieten will, es lohnt sich, mehr als die tradierten, wiedergekäuten, ewiggleichen Einstellungen über Bord zu werfen und mit offeneren Ohren durch die Musik-Welt zu gehen. Insofern möchte ich dazu anregen, einen respektableren Umgang untereinander zu pflegen und musik-spezifische Witzeleien selbstkritischer zu beurteilen ganz im Sinne von:
Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg' auch keinem andern zu.